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Bücherwurm

**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Per Olov Enquist, Der Besuch des Leibarztes

Eher zufällig bin ich an dieses Buch geraten, denn „eigentlich“ lese ich einen Krimi von Petra Oelker, der in Hamburg spielt, „Tod am Zollhaus“.
Doch wie es mir beim Lesen öfter mal passiert, hat eine Recherche zur nächsten geführt, und so bin ich bei dieser bemerkenswerten Geschichte gelandet.

Der deutsche Arzt Johann Friedrich Struensee wird Leibarzt des dänischen Königs Christian VII, gelangt in eine Vertrauensposition und führt in schneller Folge zahlreiche Reformen durch. Er ist vom Geist der Aufklärung erfüllt und will das rückständige, vom konservativen Pietismus geprägte Königreich in eine bessere Zukunft führen.

Nach wenigen Jahren, die als „Struenseezeit“ bekannt sind, wird er vom dänischen Adel gestürzt und hingerichtet.

Parallel zu seiner Reformarbeit und der Sorge um den als geisteskrank geltenden König entwickelt sich eine Liebesbeziehung zwischen ihm und der Königin, einer Schwester des englischen Königs Georg III.

Selten hat mich ein Buch so schnell gefangengenommen. Ich habe es tatsächlich in einem Rutsch durchgelesen. Obwohl der Autor bereits auf der ersten Seite verrät, dass der sympathische, kluge und fortschrittliche Arzt hingerichtet werden wird, gelingt es ihm, den Spannungsbogen bis zum Ende aufrechtzuhalten.

Ein unglaublich interessantes und informatives Buch, über das ich euch aber nicht zu viel verraten möchte.

Unbedingt lesen!

Per Olov Enquist war ein schwedischer Schriftsteller und Journalist (1934-2020). Neben Dokumentarromanen verfasste er auch Theaterstücke und arbeitete als Fernsehmoderator.
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Vor Jahrzehnten habe ich im Bücherschrank meiner Eltern ein Buch über Struensee gefunden. Es ging aber vorrangig um die Liebesgeschichte.

In Enquists Buch geht es mehr um eine umfassende Analyse der Geistesströmungen und Machtstrukturen.
Es zeigt auch, wie verheerend sich eine lieblose und sadistische Erziehung auswirken kann (Christian VII), wie hilflos sich ein gutmeinender Praktiker im politischen Kampf erweist (Struensee) und wie erbarmungslos Königskinder im Spiel um Macht und Einfluss instrumentalisiert werden (Caroline Mathilde).
Und mir zeigt sich einmal mehr, wie leicht religiöse Fundamentalisten unterschätzt werden (Königinwitwe Juliane von Braunschweig-Wolfenbüttel).
Kate Elizabeth Russell
Heute Abend 23:00 Uhr im Literarischen Quartett:

"Meine dunkle Vanessa", C.Bertelsmann 2020.
Gerade 15 Jahre alt ist Vanessa, als sie aufs College-Internat geschickt wird. Mitten in der Pubertät kämpft sie mit sich und ihren chaotischen Gefühlswelten, niemand scheint sie richtig zu verstehen. Niemand? Ihr Englischlehrer ist anders, von ihm fühlt sie sich gehört und aufgefangen. Sie haben Sex, und sie ist überzeugt: Es ist Liebe. Zwei Jahrzehnte später, es ist die Zeit von #MeToo, wird der Lehrer von ehemaligen Mitschülerinnen wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt. Vanessas Gewissheiten geraten ins Wanken: War auch sie nur ein Opfer unter Vielen, oder war es große Liebe?

Quelle:https://www.zdf.de/kultur/da … -vom-28-august-2020-100.html

**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Hab jetzt „Die Kosmonauten“ von Richard David Precht gelesen und kann es weiterempfehlen. Über ein junges Paar kurz nach der Wende in Berlin, und gleichzeitig kreist ein russischer Astronaut im All und weiß nicht, ob er wieder runterkommt, denn die Sowjetunion ist zerbrochen und die Forschungsstationen sind jetzt in selbstständigen Ländern und arbeiten nicht mehr zusammen. Erst auf der letzten Seite erfährt man, ob er es schafft oder heute noch da oben kreist.
Und viel gelernt über scheinbar harmlose Wildtiere.
Precht schreibt wirklich gut, auch der Krimi, den er mit seinem Bruder zusammen verfasst hat, irgendwas mit einem Herrn Jorgenson, war spannend, interessant und lehrreich.“ 📚 *les*
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Der blaue Himmel ist unheimlich
Zwei packende Bücher über den 11. September 2001 und die Menschen, die das Inferno miterlebten.

Der nächste runde Jahrestag ist erst 2021. Dann werden die Bilder von den Terrorangriffen auf das World Trade Center (WTC) am 11. September 2001 in New York wieder allgegenwärtig sein. Abermals werden wir sehen, wie zwei Boeings in die Zwillingstürme rasen, wie nach deren Einsturz eine riesige Staubwolke durch die Straßen treibt . Wer damals vor dem Fernseher saß, wird sich erinnern an den Schock, den die Ereignisse auch außerhalb der USA auslösten. Schon jetzt aber kann man sich vergegenwärtigen, wie es die Menschen vor Ort erlebten. Zwei Bücher erzählen aus dem Inneren von 9/11, lassen Menschen zu Wort kommen, die dem Inferno von Manhattan entkamen:

Mitchell Zuckoff: 9/11 - Der Tag, an dem die Welt stehen blieb. Aus dem Amerikanischen von Tobias Schnettler, S.Fischer Verlag, Frankfurt 2020, 702 Seiten, 28,00 €.

Garrett M. Graff: Und auf einmal diese Stille - Die Oral History des 11. September. Aus dem Amerikanischen von Philipp Albers und Hannes Meyer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2020. 542 Seiten, 20,00 €.

Mitchell Zuckoff und Garret M. Graff sind amerikanische Journalisten. Zuckoff kommt von der Zeitung Boston Globe. Zwei der entführten Flugzeuge waren damals in Boston gestartet, deshalb saßen Menschen aus seiner Stadt darin. In einer Reportage erzählte Zuckoff wenige Tage nach dem 11. September exemplarisch von einigen. "9/11 - Der Tag, an dem die Welt stehen blieb" folgt der selben Idee. Dutzende Geschichten und Lebensgeschichten hat sich Zuckoff berichten lassen, hat Interviews und Untersuchungsberichte gelesen. Verarbeitet hat er sie zu Schilderungen, die sich lesen, als sei er dabei gewesen.

"Dad, du musst mir bei Mathe helfen!" John Ognowskis älteste Tochter, Laura, rief nach ihrem Vater, sobald er das Farmhaus der Familie im ländlichen Dracut, Massachusetts, betreten hatte", so beginnt das erste Kapitel. Ognowski war Pilot, Vietnamkriegsveteran und Besitzer einer Farm, auf der er mit Frau und drei Töchtern lebte. Einige Äcker hatten sie Einwanderern aus Kambodscha überlassen, die dort asiatisches Gemüse anbauten. Ognowski war der Chefpilot von American Airlines Flight 11. Er wurde von den Flugzeugentführern vermutlich getötet, seine Maschine in den Nordturm des WTC gelenkt. "Kambodschanische Bauern, die auf John Ognowski bauten, würden sich einen neuen Lehrer und Fürsprecher suchen müssen. Seine Frau und seine Töchter würden sich nicht mehr an ihm festhalten können", schreibt Zuckoff, nachdem er 80 Seiten später geschildert hat, wie die Boeing 767 in den Wolkenkratzer flog.

Ehemalige Soldaten lässt Zuckoff viele auftreten. Der heutige Journalistik-Professor hat auch schon einige militärische Heldengeschichten in Buchform geschrieben. Seine 9/11-Chronik ist eine patriotische, sie erzählt von Mut und Tapferkeit, und die Frauen, die Flugbegleiterinnen, sind in ihrer Freizeit für ältere Damen oder für ihre Familie da. Der Inbegriff des selbstlosen Helfers aber sind die New Yorker Feuerwehrleute. Im Nordturm des WTC, kurz nachdem sein später getroffener Zwilling eingestürzt ist, treffen Captain Jay Jonas und seine Einheit Ladder 6 beim Abstieg im Treppenhaus auf eine gehbehinderte Frau. "Jede Faser", schreibt Zuckoff, "in Jays Körper drängte darauf, sich zu beeilen und so weit weg zu kommen, wie nur möglich war." Aber er entscheidet sich, die Frau zu begleiten, 20 Stockwerke hinunter: "Falls Ladder 6 diesen Tag überleben sollte, wollte Jay, dass seine Männer in den Spiegel schauen und den Satz sagen konnten, der sein Lebensmotto war: "Heute war ich ein Feuerwehrmann."" Ladder 6 und die Frau blieben am Leben.

Zuckoffs Buch ist selbst ein Dokument für das, was der 11. September mit den USA gemacht hat, für das Bedürfnis einer Nation nach einem tröstenden Narrativ, vorgetragen von einem väterlichen Erzähler.

Ganz anders dagegen Garrett M.Graffs "Und auf einmal diese Stille - Die Oral History des 11. September". In der Zitatcollage kommen rund 500 Menschen zu Wort: Finanzberater, Militärangestellte, Fluglotsen, Kongressabgeordnete, Fernsehjournalistinnen, Lehrerinnen, Polizistinnen, Sanitäter und Feuerwehrleute.

Der Moment, als das erste Flugzeug zwischen dem 93. und dem 99. Stockwerk im Nordturm des WTC einschlägt, wird so geschildert: "Jeder kennt Flugzeuglärm, aber nur sehr wenige Menschen haben jemals den Lärm von Düsentriebwerken gehört, wenn sie mit höchster Leistung, mit voller Kraft voraus in den Himmel steigen. Das ist ein entsetzliches Geräusch. Ich erinnere mich noch sehr gut daran - das Geräusch der Motoren, die mit voller Kraft aufs World Trade Center zufliegen" (Bruno Dellinger, Firmeninhaber, Quint Amasis North America, Nordturm, 47. Stock). "Ich sah, wie der Rumpf des Flugzeugs im Gebäude verschwand" (Cathy Pavelec, Verwaltungsbeamtin, Port Authority Nordturm, 67. Stockwerk). Als der Südturm in sich zusammenfällt, beginnt das Chaos auf der Straße: "Dann ging es los - es regnete Trümmerteile. Alles schlug um einen herum ein. Ich hechtete zu Boden und kauerte mich zusammen. Ich dachte mir "Das war's jetzt"" (Dan Potter, Feuerwehrmann, Ladder 10).

Vom Ground Zero schneidet Graff immer wieder zum Pentagon, wo nach dem Einschlag des dritten Flugzeugs Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in einem unversehrten Flügel die Stellung hielt, und nach Shanksville, wo das vierte Flugzeug durch das Eingreifen einiger Passagiere zu Boden gegangen war. Es gibt Schilderungen vom Irrflug von Präsident George W. Bush, den seine Sicherheitsleute nach einem Schulbesuch in Florida nicht nach Washington lassen wollten. Die militärische und politische Dimension des 11. September klingt an. Aber auch die existenzielle Erfahrung, die diese Katastrophe bedeutete.

Graffs Collage, die er mit seinen Lektoren sieben Mal bearbeitet hat, ist sehr literarisch, in der Art, wie die Zitatfolgen montiert sind und einige Motive immer wieder anklingen. Am Anfang des Buches, am Morgen des 11. September, war die Welt noch schön: "Einen so leuchtend blauen Himmel wie an jenem Tag hatte es selten gegeben" (Jeannine All, Rechnungsprüferin, Morgan Stanley, Südturm, 45. Stock). "Ein hinreißendes Blau" (Lt. Jim Daly, Arlington County Police Department). Am Ende des Buchs, als der Flugverkehr über den USA eingestellt ist, ist alles anders: "Ich schaute am Nachmittag nach oben und sah keine Kondensstreifen, kein Flugzeug weit und breit. Der Himmel war blau und leer und still. Blauer Himmel ist mir bis heute unheimlich" (Nate Jones, Student, Wheeton College, Illinois). Der 11. September 2001 hat das Land und seine Menschen verändert.
*****011 Frau
2.467 Beiträge
Danke, Tantrissima für diese Empfehlungen.
*******sima Frau
2.540 Beiträge
3 Leseerlebnisse dieses Sommers
Niedergemetzelte Mutter, weggesperrte Frauen, angehaltene Luft.

Aber der Reihe nach:

Colm Toibin: Haus der Namen. Roman. Aus dem Englischen von Giovanni und Ditte Bandini. Hanser Verlag, München 2020, 286 S., 24,00 €

Klytaimnestra brennt vor Rachedurst, nachdem ihr Gatte die Erstgeborene hat morden lassen, den Göttern zum Opfer, in der Hoffnung auf günstigen Wind für seine Kriegsflotte. Mit Intrigen und der Unterstützung von Staatsfeinden erreicht sie ihr Ziel. Doch in einer Zeit, in der nur Hunde treu sind, kehrt sich ihr eigen Fleisch und Blut gegen sie, metzelt sie nieder.
Von Sternen, die beim Fallen kein Geräusch machen, ist die Rede, von fliegenumschwärmten Leichenbergen, Spezereien, Lotterstätten - starke Bilder, starke Worte.
Toibin ist der Orestie ungestüm auf den Leib gerückt. Es ist ein blutrünstiger Text, gewalttätig, voller Kraft, der seine Zähne ins Fleisch der Lesenden schlägt.
Nicht wir sind es, die das Buch verschlingen: Es verschlingt uns - so habe jedenfalls ich es bei der Lektüre empfunden.


Victoria Mas: Die Tanzenden. Roman. Aus dem Französischen von Julia Schoch. Piper Verlag, München 2020. 235 Seiten, 20,00 €.

Wenn man sich mit den Geistern Verstorbener unterhielt und zudem das Pech hatte, eine Frau zu sein, konnte man im Paris des 19. Jahrhunderts von seinen männlichen Verwandten schnell zu den Verrückten in die Salpétrière gesperrt werden. Zu denen, die aus guten Gründen hysterisch waren, aufsässig, oder eine eigene Meinung vertraten. Und an denen im Namen der Wissenschaft dubiose Versuche vorgenommen wurden.
Von diesen Frauen, ihrem Leid, ihren Kämpfen erzählt Victoria Mas.
Dass sie es tut, ist anerkennenswert, wie sie es tut, nicht. Mit nichtigen Adjektiven, Floskeln und Schleifchen hat sie ihren Roman gefällig hergerichtet, um ihn einem möglichst großen Publikum anzudienen.
Ein wenig literarischer hätte dieses wichtige Thema schon behandelt werden dürfen.
Ich habe mich jedenfalls darüber geärgert und würde es nicht weiterempfehlen.


Zsofia Bán: Weiter atmen. Erzählungen. Aus dem Ungarischen von Terézia Mora. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 175 Seiten, 22,00 €.

Tränen wegen eines zurückgewiesenen Stücks Torte, der Sturz einer Artistin aus der Zirkuskuppel, Brustvergrößerungen, Kadaverlöcher, in der Sonne schwimmende Gurken und das zur Zukunftsvision passende Sofa. So schräg das klingen mag - bei Zsófia Bán hat es seine Folgerichtigkeit: Die Personen dieser 19 Erzählungen leben nach festen Regeln und steuern auf den Punkt zu, in dem diese Regeln ihnen nicht mehr helfen. Dann halten sie die Luft an, bis jemand sie auffordert, weiter zu atmen.
Das Atmen durchzieht die Seiten. Und immer wieder zerlegt Bán die Sätze in Segmente, die sie wie Noten arrangiert: Die entstehenden Melodien locken uns zu dem Augenblick, in dem wir begreifen, dass wir sterblich sind. Und tief Luft holen müssen.
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Kristin Hannah, Die Nachtigall

Es fängt an wie eine Mädchensaga aus dem Internat und steigert sich zu eindrucksvollen und oft beklemmenden und tief berührenden Schilderungen aus der Zeit der deutschen Besatzung in Frankreich.
Zwei Schwestern kämpfen ums Überleben, ihr eigenes und das anderer. Während die eine abgeschossene Piloten der Luftwaffe über die Pyrenäen bringt, versteckt die andere jüdische Kinder, deren Eltern deportiert wurden.

Unbedingt lesen! *les*
*****011 Frau
2.467 Beiträge
Helge Weichmann, Schandflut

Dies ist das neueste Buch aus einer Reihe, deren Titel alle mit Schand- beginnen und ein reales Ereignis aus der Geschichte von Mainz oder der näheren Umgebung mit einem fiktiven Kriminalfall verknüpfen. Die Protagonisten sind die Historikerin Ernestine, genannt Tinne Nachtigall und der dicke, immer hungrige Zeitungsreporter Elmar Wissmann, Elvis genannt. Dieses jüngste buch spielt im besonders heißen Sommer 2018. Im fast ausgetrockneten Rhein wird die Leiche eines jungen Mannes gefunden, der, wie die Rechtsmedizin feststellt, von einem Krokodil getötet wurde. Tinne kannte ihn und war vor seinem Tod mit ihm zusammen. nur hat sie nach einem Unfall eine Amnesie und kann sich nicht an die letzten sieben Tage erinnern, ein für sie sehr quälender Zustand. Gemeinsam mit Elvis macht sie sich an die Rekonstruktion der ihr fehlenden Woche ...

Ich lese die Bücher dieser Reihe sehr gerne, weil sie gut geschrieben und spannend sind. Mainz liegt vor meiner Haustür, und ich bin gern und oft dort, und diese Bücher regen mich immer wieder zu Ausflügen an, um die Schauplätze in Augenschein zu nehmen, heimatkundliche Bildung also eingeschlossen *g* .
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Hakan Nesser, Der Verein der Linkshänder

Wenn linkshändige Schulanfänger mit brutalen Methoden gezwungen werden, mit der rechten Hand schreiben zu lernen, glaubt ihr, dass dies genügt, um sie zu potenziellen Kriminellen werden zu lassen? Oder sind wir vielleicht alle potenziell kriminell? Ganz unabhängig davon, welche unserer Hände wir bevorzugen?

Falls der eine oder die andere von euch noch nichts von den Kommissaren Barbarotti oder Van Veeteren gehört oder gar noch nichts von Hakan Nesser gelesen hat, empfehle ich euch dringend, das Versäumte nachzuholen. In dem vorliegenden verzwickten und langwierigen Geschehen dreht sich nicht alles, aber viel um Linkshänder, aber auch um einen Jungen, der in einem Frauenkloster aufwächst, um Zwillingsschwestern, deren eine an Stelle der anderen ermordet wird und, last but not least, um einen Fall, der die beiden berühmten Kommissare zu gemeinsamen Ermittlungen zusammenführt.

Wem allerdings Dauerregen aufs Gemüt schlägt, dem rate ich, sich bei der Lektüre mit Glühwein oder einer Tafel Schokolade gegen aufkeimende Schwermut zu wappnen.

Lesenswert, besonders für Leser, die immer alles besser zu wissen glauben als die ermittelnden Kriminalbeamten und deren bessere Hälften.

Liebe Grüße
Luccio *les*
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Anna Katharina Hahn: Aus und davon
Der Zeitung von heute entnehme ich, dass die Stuttgarter Schriftstellerin Anna Katharina Hahn am 9. November den mit 12 000 Euro dotierten Buchpreis der Stiftung Ravensburger Verlag für ihren Roman "Aus und davon" erhält. Der Preis geht jährlich an einen Autor oder Autorin, die in einer deutschsprachigen Publikation erzählender Prosa "mit literarischen Stilmitteln ein zeitgenössisches Bild der Familie zeichnet".

Mich persönlich freut das sehr - war ich doch erst kürzlich bei einer AutorInnenlesung mit Anna Katharina Hahn, bei der sie aus diesem, ihrem neuesten Werk, vorlas, und das, zusammen mit dem sich anschließenden moderierten Gespräch, hat mich so neugierig auf das Buch gemacht, dass ich es an diesem Abend erwarb und inzwischen auch gelesen habe.

Eine katholische Mainzer Frohnatur und eine protestantische Stuttgarter Pietistin, die ihre Tochter mit den Bibelworten "Der Herr segne und behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und gebe dir Frieden" verabschiedet - kann das gut gehen? Lange, fünf Jahrzehnte lang, ist es gut gegangen in diesem Roman. Aber jetzt, im Alter und nach einem Schlaganfall, macht sich Hinz ohne Ankündigung auf und davon. Steigt ins Taxi zu einer anderen Frau, die die zurückgelassene Gattin nur verschwommen sieht.

Eine Katastrophe in den wohlgeordneten bürgerlichen Verhältnissen der schwäbischen Metropole, eine langjährige Ehe zerstört. Der abtrünnige Ehemann weiß seiner Tochter gegenüber nichts anderes zu sagen als: "Sie macht mich schalou. Du weißt doch, wie sie ist. Keine Freude."

Anna Katharina Hahn, 1970 in Ruit auf den Fildern geboren, gilt seit ihrem Debütroman "Kürzere Tage" nicht zu Unrecht als Chronistin jenes Milieus, das auch "Aus und davon" prägt: Leib-feindliche Strenge und Pflichtbewusstsein sind buchstäblich verkörpert in der Protagonistin Elisabeth, die die Leser aus der Perspektive ihres Enkels Bruno zu sehen bekommen. Eli-Omi ist lang und dünn, trägt immer Hosen mit Anzugjacken und die Haare zu einem Helm getürmt - der Körper als Festung gegen jedweden Kontrollverlust - wie er sich im Gegenzug in der genussfreudigen Fettleibigkeit des achtjährigen Jungen Bahn bricht. Auch Brunos Urgroßmutter Trudele war in jungen Jahren von ungehemmter Esslust befallen, nachdem sie als Kindermädchen zum Geldverdienen in die USA geschickt worden war und dort Zeugin einer Familientragödie wurde: sehr eindringlich schildert die Autorin, wie Trude in einem Anfall von Hunger ihrem geliebten Gefährten Linsenmaier, einer wie im Märchen zum Denken und Fühlen gebrachten Stoffpuppe, den Leib aufschlitzt, um dessen Inhalt zuzubereiten - auch eine Form von Kannibalismus. "Gerettet" wird die junge Frau dann von ihrem Verlobten Alfred, einem gottesfürchtigen Ingenieur, der ihr strenge Briefe schreibt und sie heim ins pietistische Schwabenland führt.

Anna Katharina Hahn erzählt in "Aus und davon" die Geschichte einer Familie über vier Generationen hinweg, und man muss das Buch nicht wie ihr Verlag als den"Familienroman des 21. Jahrhunderts" anpreisen, um es als ein so vielstimmiges wie detailreiches, sinnliches, anschauliches Familienpsychogramm zu würdigen - in Zeiten, in denen Väter und Ehemänner zunehmend abhanden kommen, traditionelle Bindungen immer brüchiger werden, die Individualisierung zunimmt und die Kommunikation oft nur noch über digitale Medien läuft. Die Frauen in diesem Roman sind weitgehend auf sich allein gestellt, ihnen obliegen Pflege und Fürsorge, auch wenn sie andererseits beruflich - wie Elisabeth als Betreiberin eines Reisebüros - reüssiert haben.

Anna Katharina Hahn hat den Radius ihres Erzählens diesmal bis in die USA ausgeweitet, wohin sich Elisabeths Tochter Cornelia, eine drahtige Physiotherapeutin, aufgemacht hat, weil sie in ihrem chaotischen Leben als alleinerziehende Geschiedene eine Auszeit braucht - und weil sie sich auf die Spuren ihrer Großmutter begeben will. Ihr Ex-Mann Dimi, Dimitrios Chatzis, eine Jugendliebe, hat sich nach Griechenland abgesetzt, ins Land seiner Mutter: so wie der syrische Schwarm von Stella - Cornelias ultrahübscher Tochter - ferngesteuert von seiner Mutter, einer Zahnärztin, von Stuttgart nach Berlin zu einem Onkel zieht. Männer überall auf der Flucht: "Du hast jetzt eine Verantwortung. Aber du bist ganz allein", denkt Elisabeth, nachdem sie für vier Wochen ihre Tochter zu ersetzen versucht. Dabei werden diese von der Autorin keineswegs als toxische Monster geschildert. Im Gegenteil: Eli-Omas Mann Hinz ist bis zu seinem Schlaganfall ein fröhlicher, sinnenfroher, liebevoller, charmanter und schlagfertiger Mensch gewesen, der seine Töchter mit Schwänken aus seiner Jugend erfreut hat. Mit dem Vater ihrer Kinder pflegt Cornelia nach wie vor einen freundschaftlichen, wenn nicht liebevollen Umgang. Und der junge Hamid ist ohnehin ein Exemplar vom Typus Musterschwiegersohn.

Mit dem unbestechlichen Blick einer Forscherin schaut die Autorin auf ihre Experimentieranordnung, in der zwei Felder eine besondere Aufmerksamkeit genießen: das Essen und die Tiere. Bruno freundet sich mit einer wilden Katze an, Hinz war Hobby-Taubenzüchter, der seiner Frau etwas vom Liebesspiel der Tauben vermitteln wollte: vergeblich, denn Sex und Sinneslust sind der Tochter des ultrafrommen Paares Trudele und Alfred fremd. Kompensatorisch (?) wird viel gekocht in diesem Buch, zur Freude von Bruno, dessen mütterliches Diätprogramm über den Haufen geworfen wird.

Eine Lösung für die Vielzahl der Baustellen, die der Roman nicht ohne grimmigen Humor eingerichtet hat, ist nicht in Sicht. Nicht zuletzt ist das der multiperspektivischen Erzählhaltung geschuldet, die sogar Puppe Linsenmaier einschließt. Vielleicht liegen Trost und Heil am Ende allein im Schreiben - Elisabeth bringt während ihres Exils im Haushalt der Tochter die Geschichte ihrer Mutter in zwei dicht gefüllten Schreibheften zu Papier. Sie ist quasi die Mitautorin dieses Buchs über Lebensbrüche, die in Schreibbrüchen ihr Echo haben.

Klare Leseempfehlung von mir!

Anna Katharina Hahn: Aus und davon. Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020, 302 Seiten, 24,00 €.

Und für diejenigen, die möglicher Weise selbst unmittelbare Erfahrungen mit dem pietistischen württembergischen Milieu gemacht haben oder gar darin aufgewachsen sind, sei an dieser Stelle zusätzlich zu dem besprochenen Roman auf ein interessantes Sachbuch(!) zu diesem Thema hingewiesen:

Dorothee Markert: Lebenslänglich besser. Unser verdrängtes pietistisches Erbe. Sie beschreibt ihr Anliegen folgendermaßen: "Zeigen möchte ich mit meinem Buch, wie stark unsere Kultur vom Pietismus geprägt ist, obwohl sie so tut, als sei sie vor allem ein Kind der Aufklärung" (S. 14).

Viele Menschen kennen den Pietismus, ursprünglich eine protestantische Erneuerungsbewegung im 17. und 18. Jahrhundert, heute nicht einmal mehr dem Namen nach. Und doch, so behauptet die Autorin, sind wir alle stark durch den Pietismus beeinflusst, denn er beschränkt sich keineswegs nur auf theologische Fragen sondern hat auch starke Einflüsse auf die sozialgeschichtlichen Entwicklungen. Der Pietismus dringt auf Individualisierung und Verinnerlichung des religiösen Lebens, entwickelt neue Formen persönlicher Frömmigkeit und gemeinschaftlichen Lebens, führt zu durchgreifenden Reformen in Theologie und Kirche und hinterlässt tiefe Spuren im gesellschaftlichen und kulturellen Leben der von ihm erfassten Länder(S.8). Er wirkt sich auf unser Arbeitsverhalten aus und auf den Drang, die Welt zu verbessern, der sich in sehr unterschiedlichen, manchmal scheinbar gegensätzlichen Bewegungen artikuliert. Noch wenig erforscht ist der Zusammenhang zwischen Pietismus und Aufklärung und vor allem der zwischen Pietismus und Sozialismus. Die gefährlichste Verwandtschaft zwischen diesen drei und weiteren Bewegungen zur "Weltveränderung durch Menschenveränderung" besteht in ihrer Tendenz zum Fundamentalismus. Wie Fundamentalismus entsteht und wie wir ihm möglicherweise entgegen wirken können, untersucht die Autorin im Schlusskapitel ihres Buches. Eine wichtige Grundlage ihres Buches bilden sechzehn Fragebogeninterviews mit pietistisch erzogenen Menschen, deren Ergebnisse im ersten Teil des Buches in ihren negativen und positiven Aspekten dargestellt werden (Kap. 1 - 3). Im zweiten Teil erweitert sich der Blickwinkel hin zum pietistischen Einfluss auf unsere Kultur insgesamt. Genauer untersucht werden unsere Einstellung zur Arbeit (Kap. 4), der Drang, die Welt zu verbessern und einen neuen Menschen zu schaffen, insbesondere die Einflüsse des Pietismus auf den Sozialismus (Kap. 5), die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Pietismus und Aufklärung (Kap. 6) und die gefährliche Enge und Strenge, die durch dualistische Zweiteilungen der Welt und die entsprechenden Polarisierungen und Frontenbildung entsteht (Kap. 7).

Markert ist Jahrgang 1950, promovierte Pädagogin, freie Autorin und Lerntherapeutin. Sie lebt in der Nähe von Freiburg im Breisgau.

Broschiert. Books on demand, 215 Seiten, 16,90 €. ISBN 978-3-8391-9542-0, Norderstedt 2010.
*******eben Mann
535 Beiträge
Gruppen-Mod 
Danke für diesen Literaturhinweis!
Das Problem beim Pietismus ist, dass er zwar einer Individualisierung das Wort redete, in der Praxis aber die Normierung durch die (fromme) Gemeinschaft umso subtiler wurde. So dass es keine wirkliche Individualisierung gab, sondern eine Internalisierung äußerer sozialer Normen geschah, die dadurch absoluter und vereinnahmender wirkte als eine äußerliche Autorität.
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Ja, das sehe ich ähnlich, und Hahns Romanfiguren tragen dieses Erbe in sich, durch welches ihr Leben, ihr Selbstbild und ihre Handlungen in unterschiedlicher Weise beeinflusst werden und ihrerseits in der Dynamik ihrer Beziehungen untereinander zum Tragen kommen.
*****011 Frau
2.467 Beiträge
Wolfgang Burger, Der sanfte Hauch des Todes

Aus der Kategorie Regionalkrimi der inzwischen 17. Fall für den für den sympathischen Heidelberger Kriminalrat Alexander Gerlach. Diesmal wird auf einer einsamen Waldlichtung die schrecklich verstümmelte Leiche eines unbekannten jungen Mannes gefunden, den ausgerechnet Gerlachs Zwillingstöchter als einen sehr unbeliebten früheren Mitschüler erkennen. Bald darauf gibt es eine zweite ähnlich zugerichtete Leiche. Ein Serienmörder? Eine der Zwillinge, Sarah, findet Gefallen an der Arbeit ihres Vaters und beginnt, auf eigne Faust zu ermitteln und, als sie eines Tages nicht nach Hause kommt, kommt es zu einem hochdramatischen Showdown, der mich eine Nacht Schlaf gekostet hat, weil ich das Buch nicht mehr weglegen konnte. Die Auflösung des Falles schien mir allerdings nicht ganz glaubwürdig. ich habe Alexander Gerlach und seine Zwillinge mit Wohlwollen und Mitgefühl durch die Pubertät der Mädchen begleitet. Jetzt stehen sie kurz vor ihrem Abitur und ich freue mich schon auf Band 18.
*****011 Frau
2.467 Beiträge
Roland Stark, Tod im Niederwald

noch ein Regionalkrimi, diesmal aus dem Rheingau, der inzwischen 7. Teil der Reihe um den Wiesbadener Kommissar Robert Mayfeld. An einem heißen Sommertag, der Rhein führt natürlich Niedrigwasser havariert am Binger Loch ein Lastschiff und von der Besatzung fehlt jede Spur. Am nächsten Tag wird die Frau des Kapitäns ermordet aufgefunden, und die Besitzerin eines Rüdesheimer Hotels wird vermisst. Die Polizei und die Privatdetektivin Ginger Havemann haben viel zu tun.

Wieder fand ich die Auflösung am Ende nicht so richtig glaubwürdig, aber das Lesen hat Spaß gemacht. In diesen Büchern wird viel und gut gegessen und es gibt immer einen schönen Anhang mit Rezepten und historischen Hintergründen zu den Schauplätzen. Manche Rezepte habe ich schon ausprobiert und in mein privates Köchelverzeichnis übernommen.
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
„ ... in mein privates Köchelverzeichnis übernommen.“ *lol*
*******enig Mann
10.113 Beiträge
Das Köchelverzeichnis ist aber eher für musikalische Genüsse bekannt. Von einem gewissen Herrn Mozart.
*****011 Frau
2.467 Beiträge
Wortrecycling *g*
*******enig Mann
10.113 Beiträge
Dachte ich mir schon... *zwinker*
*****011 Frau
2.467 Beiträge
Herbert Rosendorfer, Briefe in die chinesische Vergangenheit

China im 10. Jahrhundert. Ein hochgestellter Mandarin unternimmt eine Reise 1000 Jahre in die Zukunft. Da er aber noch nichts von der Kugelgestalt der Erde weiß, landet er nicht im Reich der Mitte, sondern im München der 70 er oder 80er Jahre des 20. Jahrhunderts. In Briefen an seinen Freund schildert er seine Erlebnisse in der Welt der Großnasen, wie er uns Europäer nennt. Wie ein völlig Fremder unsere Welt erlebt, laut, dreckig stinkend, ist sehr unterhaltsam zu lesen und schärft den Blick auf das Vertraute.
*****011 Frau
2.467 Beiträge
Uwe Timm, Vogelweide

Eschenbach lebt, nachdem seine IT-Firma bankrott ging und seine Liebe aus seinem Leben verschwunden ist, als Vogelwart auf einer winzigen Insel in der Elbmündung. Sein Leben ist sehr einfach, eine sehr schlichte Hütte schützt ihn vor Regen und Kälte, einmal in der Woche bringt ein Bauer bei Ebbe mit dem Pferdefuhrwerk Lebensmittel. Mitten in diese ruhe und Einsamkeit kommt ein Anruf von Anna, der Frau, die er so sehr geliebt hatte. Sie kündigt ihren Besuch an. Während Eschenbach sich auf diese Wiederbegegnung vorbereitet, wird in Rückblenden die Geschichte der beiden Paare Selma und Eschenbach und Anna und Ewald erzählt, die sich bei einer schlechten Vernissage begegnen und dann anfreunden. Anna und Eschenbach verlieben sich heftig ineinander und beginnen eine heimliche Beziehung, bis Anna das Lügen nicht mehr erträgt und ihrem Mann alles gesteht. Anna trennt sich von Ewald und zieht nach Amerika. Gleichzeitig geht Eschbachs Firma in die Insolvenz, und sein Leben zerbricht auch äußerlich, und er landet schließlich auf seiner einsamen Insel.

Die Geschichte wird sehr unaufgeregt und nicht moralisierend erzählt, was mir sehr gefallen hat. Nur habe ich den Zusammenhang zur mittelalterlichen Literatur nicht verstanden. Der Titel lässt ja an Walter von der Vogelweidedenken, und ich war fast enttäuscht, als ich begriffen habe, dass er sich wohl auf die Insel bezieht, die ja Vogelschutzgebiet ist. Und dann heißt der Protagonist auch noch Eschenbach. An Zufall glaube ich nicht, dazu ist der Roman zu elaboriert.
*****011 Frau
2.467 Beiträge
Regina Scheer, Machandel

Machandel ist ein fiktives Dorf in Mecklenburg. Dort bringt das Leben am Ende des zweiten Weltkriegs sehr verschiedene Menschen zusammen, die im Verlauf des Romans jeweils aus ihrer Perspektive von wichtigen Stationen ihres Lebens erzählen. Daraus wird ein sehr komplexes Bild der DDR-Geschichte bis in die Nachwendejahre.

Die Geschichte beginnt damit, dass Clara, die Tochter des Kommunisten Hans Langner, der die Nazizeit überwiegend in Gefängnissen und KZs verbracht hat und auf der Flucht vom Todesmarsch in Machandel gestrandet war, ihren Bruder Jan, dessen Ausreiseantrag genehmigt wurde auf einen Abschiedsausflug nach Machandel begleitet. dabei entdeckt sie einen alten verfallenen Katen, den sie mit ihrem Mann mietet, herrichtet und jahrelang als Sommerhaus nutzt.

Der Autorin gelingt es, ihre Figuren eindringlich und einfühlsam zu schildern, ich wäre vielen davon gerne mal begegnet.

Ein wunderbares Buch, das ich euch ans Herz lege.
*******sima Frau
2.540 Beiträge
Sophy Roberts, Sibiriens vergessene Klaviere
"Eine außerordentliche Reise durch Musik, Exil und Landschaft.“ (Edmund de Waal) – Sophy Roberts‘ außergewöhnliche Spurensuche in die Vergangenheit und Gegenwart Sibiriens

Sibirien, das ist unerbittliche Kälte und enorme Weite. Sibirien, dieses Gefängnis ohne Dach, ist aber ebenso von verblüffender Schönheit. Welch bedeutende Rolle ausgerechnet hier Klaviere als Symbol europäischer Kultur spielen, zeigt die Britin Sophy Roberts auf ihrer extravaganten Spurensuche. Dabei gelingt es ihr nicht nur, zahlreiche einst berühmte Instrumente zwischen dem Ural und der Insel Sachalin ausfindig zu machen, sondern auch ihre Geschichten zu rekonstruieren: von der Pianomanie der Zarenzeit bis zur Leidenschaft des Lotsen der Aeroflot, von der sowjetischen Manufaktur „Roter Oktober“ bis zur jungen mongolischen Pianistin Odgorel, die in ihrer Jurte Bach spielt. Sophy Roberts‘ Erkundungen führen tief in das Herz der Geschichte und erzählen uns nicht weniger von der Gegenwart.

Sophy Roberts studierte unter anderem in Oxford und an der Columbia University, New York, und arbeitete für Condé Nast Traveller, The Economist und Financial Times Weekend. Sie lebt in West Dorset (GB).

Ich habe das Buch gerade erst angefangen und komme nicht mehr los davon. Roberts hat eine wunderbar poetische Schreibweise, die mich gefangen nimmt. Und bereits anhand der einleitenden Kapitel wurde mir deutlich, wie sehr auch mein persönliches Bild von Sibirien geprägt ist durch Berichte, die jeweils nur eine einzige Seite der Wahrnehmung beleuchteten. Roberts zeigt auch ganz andere Wahrnehmungsmöglichkeiten auf, ohne deshalb Partei zu ergreifen oder sentimental zu werden. Und die Idee, nach vergessenen Klavieren in Sibirien zu forschen, finde ich total erfrischend und unkonventionell. Darauf muss man erst einmal kommen! Ich werde das Buch jedenfalls nicht so schnell aus der Hand legen...
*******irl Frau
488 Beiträge
Oh danke für den Tipp, das klingt ja wie ein Buch für mich! *g*
Habs mal auf meine Gebraucht-Wunschliste gesetzt (neue Bücher sind für mich nicht drin, aber ich kann warten - )
Weisz nicht, warum ich hier noch nie im Thread war.

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Ein solch gebrauchter Zufallsfund, der mich vor einiger Zeit sehr fasziniert hat, ist

"Das Alphabet des Juda Liva" von Benjamin Stein.

Eine märchenhafte Geschichte voller Wunder, zwischen Berlin, Prag und Budapest, spannend und unglaublich, meisterhaft erzählt. Ich bin nicht in der Lage, das irgendwie wiederzugeben. Ein Geschichtenerzähler für eine Flasche Wodka...Engel, Erscheinungen, ein Golem und Rabbi Löw - das kann man nur selbst lesen!
*******enig Mann
10.113 Beiträge
Was für ein Scheiß Programm...
Passiert euch das auch gelegentlich, dass ihr, wenn ihr schon einige Zeit auf der Seite wart und einen Kommentar schreibt, dass die Maske nach dem Absenden wieder leer wird und ihr den ganzen Scheiß noch einmal schreiben dürft? Ist mir gerade passiert, weshalb ich etwas indigniert bin.

Buchempfehlung:
Achtsam morden
Das Kind in mir will achtsam morden
Achtsam morden, am Ende der Welt

Habe ich bei einer Foristin entdeckt und zuerst geglaubt, dass es sich um einen Scherz handelt, isses aber nicht. Der Autor heißt Karsten Dusse und ist ein Anwalt, der sich offensichtlich den ganzen Kummer, den ihm seine undankbare Mandantschaft bereitet hat, endlich einmal von der Seele schreiben wollte.

Großes Lesevergnügen!
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