Oscar Wilde
Oscar Wilde starb am 30. November 1900 und wurde nur sechsundvierzig Jahre alt. Die letzten beiden Jahre seines Lebens logierte er vereinsamt und verarmt in irgendeinem billigen Hotel in irgendeiner Rue des Dingsbums in Paris. Ist ja auch egal, ich schreibe hier schließlich keinen Reiseführer - Jedenfalls ist er tot und wird auch nicht wieder lebendig.
Obwohl völlig mittellos, bekam er vom Besitzer des Hotels stets das beste Essen und den besten Wein serviert, was Wilde mit den Worten „Ich sterbe über meine Verhältnisse" quittierte. Die Zimmereinrichtung hatte dem Ästheten hingegen weniger gefallen: „Entweder geht diese scheußliche Tapete – oder ich", sollen seine letzten Worte gewesen sein.
Es scheint - zumindest oberflächlich betrachtet - ganz offensichtlich, dass sich Wilde weniger mit dem Leben nach dem Tode-, als vielmehr mit dem davor beschäftigte. Jedenfalls wurde er am 16. Oktober 1854 in Dublin geboren und war einer der bekanntesten als auch umstrittensten Schriftsteller seiner Zeit.
„Das Bildnis des Dorian Gray“ erschien 1890 und galt vielen als Teufelswerk. Tragischerweise hatte Wilde, kurz nach der Vollendung seines einzigen Romans, „seinen" Dorian Gray kennen gelernt, den unverschämt gut aussehenden, 20-jährigen Lord Alfred Bruce Douglas, genannt „Bosie“. Gemeinsam mit seinem jungen Geliebten führt der verheiratete Familienvater fortan ein Doppelleben in Männerbordellen und Opiumhöhlen. Wegen Unzucht wurde er schließlich zu zwei Jahren Zuchthaus mit schwerer Zwangsarbeit verurteilt, die ihm die Gesundheit ruinierten und an dessen Folgen er letztlich starb.
Die im prüden viktorianischen Großbritannien streng verbotene Homosexualität, mit der Wilde recht offen umging, befeuerte ihn auch in seinem Selbstfindungprozess und rückte irgendwann das Für und Wider der Ehe ins Zentrum seines Schreibens (insbesondere letzteres). Da ich gerade keine besondere Lust verspüre, für Oscar Wilde die Rübe hinzuhalten, möchte ich an dieser Stelle jedoch auf Zitate über die Ehe und Frauen verzichten.
Wilde war Zeit seines Lebens als Dandy verschrien und wurde mitunter auch als „Ästhet der Ästheten“ verspottet. Im „Bildnis des Dorian Gray“ spielt er mit der mythologischen Figur des Narziss, der durch sein - von einem herabfallenden Blatt - zerstörtes Spiegelbild annimmt, hässlich zu sein und stirbt. Dorian versucht sein hässliches Ebenbild auf Leinwand zu zerstören und stirbt dabei auch. Das Bild dagegen ist wieder schön und jung wie zu Anfang.
Und wie stirbt Oscar Wilde?
Während des Prozesses wegen Unzucht wurde er auf Kaution aus der U-Haft entlassen. Freunde legten ihm die Flucht aus England nahe, doch Wilde lehnte ab. William Butler Yeats schrieb über Wildes Entscheidung später: „Ich habe nie daran gezweifelt, nicht einen Augenblick, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte, und dass er eben dieser Entscheidung die Hälfte seines Ruhms verdankt."
Und wo ist er begraben? Auf irgendeinem Friedhof in irgendeiner Rue des Dingsbums in Paris. Ist ja auch egal, ich schreibe hier schließlich keinen Reiseführer - Jedenfalls ist er tot und wird auch nicht wieder lebendig. Sein Bild dagegen ist wieder schön und jung wie zu Anfang.