Unsere Streitkultur
Als ich hier in der Gruppe irgendwann alle Themen und Diskussionen nachgelesen hatte, hab ich erstmal mit dem Kopf geschüttelt und mich gefragt, was an dem Umgang miteinander der Mitglieder von Bad Weisheit eigentlich "weise" sein soll. Meist wurde nicht nur diskutiert, sondern regelrecht gestritten, und noch schimmer: Es gab nicht wenige persönliche Anfeindungen. Warum nur?
Wenn jemand anderer Meinung ist als ich und diese auch selbstbewusst vertritt, dann ist er doch deswegen nicht gleich mein Feind! Ich muss ihn nicht ab sofort energisch bekämpfen, sondern es ist nur ein Mensch wie Du und ich - aber eben mit einer anderen Meinung. Und er greift mich auch nicht an, sondern er ist nur anderer Meinung als ich. Für die hat er sicher gute Gründe: Seine Geschichte, seine Sicht der Dinge, sein Beruf, andere Informationen als ich oder was auch immer. Und anstatt sich dann zu verschließen und sofort in den "Kriegmodus" zu verfallen, wäre es vielleicht sinnvoll und hilfreich, dem anderen mit seiner gegensätzlichen Meinung einfach mal offen zuzuhören und ihn zu verstehen versuchen.
Und selbst wenn ich die Meinung eines anderen zum Kotzen finde, so ist doch der Mensch hinter dieser Meinung nicht auch gleich zum Kotzen! Dem kann ich doch trotzdem mit Respekt begegnen. Oder nicht?
Ich hab den Eindruck, gerade daran mangelt es in dieser Gruppe häufig (nicht immer!), und das ist unbegreiflich, wenn man daran denkt, dass es die Gruppe "Bad Weisheit" ist. Deshalb einfach mal eine höfliche, aber vielleicht wichtige Frage an alle in unserer Gruppe:
Können wir nicht mehr miteinander diskutieren? Haben wir es vielleicht gar nicht gelernt? Können wir nicht erwachsen, vernünftig und konstruktiv miteinander "streiten"?
Streit ist ja zunächst mal in keiner Weise etwas „Schlechtes“. Es ist nichts weiter als eine Uneinigkeit zwischen mehreren Personen oder Gruppen - und das muss keineswegs feindselig sein.
Man hat eben zu einem bestimmten Thema verschiedene Ansichten und Weltbilder, andere Meinungen oder Gedanken. Mehr nicht! Deshalb muss der andere doch nicht gleich bekämpft werden.
Man diskutiert eben: These ./. Antithese = eventuell Synthese. Oder auch weiterhin unterschiedliche Meinungen. Na und? Wo ist das Problem? Müssen immer und überall all gleicher Meinung sein? Darf es nicht auch andere Sichtweisen geben? Und muss ich unbedingt immer recht haben und gewinnen?
Je öfter und vehementer ich meine eigene Meinung wiederhole, um so mehr höre und lese ich nur das, was ich sowieso denke, weiß und glaube. Je aufmerksamer ich allerdings zuhöre und lese, um so mehr kann ich meinen Horizont erweitern und eine Menge dazu lernen.
Diskussionen sind manchmal kontrovers, manchmal sicher auch mehr im Sinne eines gedanklichen Austauschs zwischen Gleichgesinnten. Man debattiert, vielleicht auch mal heftig, um miteinander herauszufinden, ob eine der beiden Parteien möglicherweise recht hat oder nicht. Oder ob sich womöglich beide irren und gemeinsam auf etwas völlig Neues kommen? Oder ob sie einfach nur genau das Gleiche aus völlig verschiedenen Blickwinkeln sehen und vielleicht beide für sich genommen jeweils auf ihre Weise und aus ihrer Sicht recht haben (was öfter der Fall sein dürfte, als man sich vorstellt).
Das kann alles ganz friedlich und fair, achtsam und respektvoll für alle Beteiligten sein, lehrreich und interessant ablaufen - kontrovers in der Sache, vielleicht auch mal hart und in Klartext, aber dennoch freundlich im persönlichen Umgang miteinander!
Streit und Diskussion und eine andere Meinung hat nichts damit zu tun, dass man den anderen nicht leiden kann! Auch wenn ein Ehepaar mal so richtig heftig streitet, heißt das doch nicht gleich, dass sie sich jetzt nicht mehr lieben. Aber viele fühlen sich sofort angegriffen, wenn jemand mit Nachdruck seine Meinung, seine Überzeugung und sein Denken darstellt - und ballern gleich dagegen. Aber warum eigentlich? Wie unsicher und ängstlich muss jemand sein, der auf alles, was er schreibt, immer nur Zustimmung erwartet? Oder der eine andere Meinung gleich als Bedrohung, als Angriff oder gar als Kriegserklärung versteht?
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Wenn ich diskutiere, dann tue ich das logischerweise aus meiner Sicht, mit meinem Weltbild und aus meiner Geschichte heraus. Ich kann damit völlig daneben liegen - was man mir dann in der Diskussion ja mit guten Argumenten deutlich machen kann. Ich greife damit niemanden als Mensch an. Ich tue nur kund, dass ich anderer Meinung bin. Mehr nicht! Kein Grund, sich in irgendeiner Weise angegriffen oder gar bedroht zu fühlen!
Und jeder hat ja wohl das Recht auf eine eigene Meinung. Meinungsfreiheit bedeutet schließlich nicht, dass man frei sein muss von jeglicher Meinung ...
Auch wenn ich mal etwas hinterfrage und dann sogar noch hartnäckig nachbohre, greife ich doch niemanden an. Ich will mich reiben, ich will verstehen und lernen, ich will prüfen, ob ich mich vielleicht bisher geirrt habe und meine bisherige Meinung korrigieren sollte. Vielleicht hab ich das bisher alles total falsch gesehen? Und ich will natürlich auch die Meinung des anderen ein wenig abklopfen (das ist ja u. a. der Sinn einer Diskussion!). Wer sich dadurch sofort angegriffen fühlt, so denke ich, ist sich seiner Sache offenbar sehr unsicher, sonst könnte er doch ruhig, freundlich und gelassen einfach nur antworten – oder auch mal schweigen, nachdenken, abwarten und alles auf sich wirken lassen.
Auch muss man einen Thread nicht lesen, über den man sich aufregt und ärgert! Man muss dort auch nicht schreiben! Denn neben der Meinungsfreiheit gibt's, man höre und staune, auch noch die Lese- und die Schreibfreiheit. Und wenn ich einfach weiterlesen "muss", dann ist ja auch etwas in mir getriggert, getroffen - dann ist da ja wohl ein wunder Punkt in mir berührt. Sonst würde ich mich nicht aufregen! Und dann wäre es besser, mal bei mir selbst nachzusehen, was da in mir "getroffen" wurde. Oder nicht? Der andere kann das ja nicht riechen.
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Warum also können wir nur noch so selten oder gar nicht mehr wirklich konstruktiv streiten?
Sobald eine Diskussion kontrovers wird, also von gegensätzlichen Positionen ausgeht (was ja der Sinn jeder echten Diskussion ist, alles andere ist keine Diskussion, sondern "nur" ein nettes Gespräch, eine Kaffeekränzchen oder ein Austausch!), fühlen sich manche gleich persönlich angegriffen oder sogar als Mensch in Frage gestellt.
Warum müssen wir gleich denken, unser gesamtes Weltbild sei erschüttert, nur weil jemand etwas mal aus einem anderen Blickwinkel beleuchtet oder eine kritische Frage stellt? Warum betrachten wir eine Anregung, über etwas mal aus einer anderen Sicht nachzudenken, gleich als persönlichen Angriff? Oder wenn uns jemand auf etwas aufmerksam machen möchte, das ihm wichtig ist, hat das doch rein gar nichts mit Missionieren zu tun - wird einem aber häufig gleich vorgeworfen ...
Wie seht Ihr das denn? Wie denkt Ihr darüber?
Lasst uns mal einen Austausch darüber versuchen. Einverstanden?
(Der Antaghar)