Dummheit
Eins vorweg:
vielen Dank für die Fragestellung liebe damaris23. Zuerst konnte ich mit der Frage wenig anfangen, aber spätestens seit Antaghar gestern die Frage konkretisiert hat, habe ich mehr und mehr darüber nachgedacht und halte das Thema für hoch philosophisch und die Frage für sehr intelligent gestellt.
Und nun schreibe ich seit langer Zeit an dieser Mail und jedes Mal, wenn ich ein gutes Argument niedergeschrieben habe, fällt mir ein Gegenargument dazu ein. Langsam glaube ich also selbst dumm zu sein, weil ich nicht zu einer Lösung bzw. festen Meinung komme. Andererseits gibt es auf manche Fragen keine einfache Lösung und daher ist der Abwägungsprozess eher ein Zeichen von Intelligenz. Ich schreibe also einfach mal die Gedanken dazu auf und hoffe, durch Euer Feedback mit meinen Gedanken weiter zu kommen:
Bewusste Dummheit schließt sich m. E. per Definition aus. Denn wenn ich weiß, dass ich etwas "Dummes" tue, dann könnte ich meine Handlung beenden. Alleine mit dieser Möglichkeit geschieht das, was ich tue, nicht mehr aus Dummheit, denn ich hätte die Wahl. In ganz seltenen Fällen z. B. werden Randalierer beim G20 einfach zu dumm gewesen sein, um ihre Handlungen zu überblicken. Ich nehme eher an, dass sich alle Randalierer bewusst waren, was sie dort taten, als sie Autos anzündeten, Scheiben einschlugen und Steine und Molotow-Cocktails auf Polizisten schmissen.
Andererseits: alleine die Wahl zu haben, eine andere Möglichkeit zu sehen und es dann trotzdem zu machen, könnte doch wieder Dummheit sein. Es sei denn, es handelt sich um eine Zwangshandlung, dann wäre es ein psychiatrisches Problem und nicht einfach Dummheit.
Vielleicht sollten wir unterscheiden zwischen der Dummheit einer Handlung und der Dummheit des Menschen, der sie begeht, was bei mir gleich die Frage aufwirft: kann eine Handlung alleine dumm sein? Mal angenommen, derjenige, der ein Auto anzündet, tut dies, um ein Zeichen zu setzen gegen Globalisierung, Unterdrückung und um aufmerksam zu machen auf all die Missstände in der Welt. Er tut dies, weil er ein starkes soziales Gewissen hat und die Aufmerksamkeit eines G20-Treffens nutzen will. In seinem Hass auf das Establishment zündet er das Auto an, um ein Zeichen zu setzen.
Dass das Anzünden eines Autos ihm bei seinem Thema nicht hilft, sondern ihn lediglich zu einem Straftäter macht, überblickt er nicht, weil er von Hass in einer aufgeheizten Situation (vielleicht hat er gerade gesehen, dass ein Polizeibeamter einen Mitdemonstanten zu Unrecht geschlagen hat) in dem Augenblick geblendet ist.
Einen solchen Menschen würde ich durchaus für intelligent halten, seine Handlung aber für dumm.
Oder wird der ganze Mensch zu einem dummen Menschen dadurch, dass er seine Handlung nicht beendet und erkennt, dass er das falsche (dumme) Mittel einsetzt, um seine Ziele zu verfolgen? Diese Fragen habe ich für mich noch nicht gelöst, sehe aber jedenfalls, dass es ein dynamischer Prozess ist. Ein junger Mann (und die meisten Randalierer in Hamburg waren junge Männer), der etwas tut, was die Gesellschaft als dumm bezeichnet, kann nach der Tat reflektieren, was er getan hat und es beim nächsten Mal unterlassen Er kann sich als Persönlichkeit entwickeln und so nicht mehr "dumm" sein. Mit dieser Argumentation allerdings wäre Dummheit etwas Quantitatives: mache ich einmal eine Dummheit, bin ich noch nicht in Gänze dumm, wiederhole ich sie, bestätige ich meine Dummheit. Das finde ich, kann auch wieder nicht sein. Also wäre jede dumme Handlung - egal in welchem Kontext oder wie oft sie wiederholt wird - alleine genommen immer dumm.
Ich bin also immer noch hinreichend verwirrt und denke weiter darüber nach. . .
Haematit