Heute möchte ich euch eine Sängerin vorstellen, die ich schon in den 70er Jahren entdeckt hatte, Lucille Bogan.
Lucille Bogan wurde 1897 als Lucille Anderson geboren und nannte sich ab etwa 1930 Bessie Jackson. Sie war eine der ganz frühen Blues-Sängerinnen, die Schallplattenaufnahmen machten. Ihre erste Platte brachte sie 1923 heraus, damals noch begleitet von dem bekannten Banjo-Spieler Papa Charlie Jackson (um 1885-1938). Später wurde sie ausschließlich von Pianisten begleitet, anfangs von Charles Avery, dann bis 1935, als sie ihre Musik-Karriere beendete, von Walter Roland. Sie starb 1948.
Ich kaufte mir in den 70er Jahren eine Langspielplatte, auf der alle erhalten gebliebenen Songs von Lucille Bogan drauf waren. Da sämtliche Tonbänder, bzw. Wachswalzen mit den Original-Aufnahmen als verschollen galten, wurden die Songs von uralten Schellackplatten mit dem Tonbandgerät aufgenommen. Und "digitally remastered" gab es damals noch nicht. Das war ein grauenvolles Gekratze und Gerausche, aber ich liebte diese LP und die wundervollen Songs darauf. Und das Schönste war, sämtliche Songtexte waren abgedruckt.
Ihre Lebensgeschichte gab es auf dem Plattencover auch zu lesen, allerdings steckte die Blues-Forschung in den 60er Jahren, als diese LP erstmals auf den Markt kam, noch in den Kinderschuhen. Deshalb wurden hauptsächlich Gerüchte verbreitet (das war bei fast allen damaligen Biographien von Bluesmusikern der Fall).
Man konnte lesen, dass Lucille Bogan mehrfach im Gefängnis saß, Schnapsbrennerin und eine berühmte Prostituierte gewesen sei. Heute ließt man davon nichts mehr. Die Gerüchte stammten daher, dass Lucille Bogan hauptsächlich über die Prohibition und illegale Schnapsbrennerei, Prostitution, Lesbentum und Bisexualität sang. Und das war damals schon ungeheuerlich !
Berühmt ist ihr "B.D.Woman Blues", B.D. ist die damals gebräuchliche Abkürzung von "bulldagger" oder "bulldyke", Synonyme für lesbisch, in dem sie singt, dass die Zeit kommen wird, in der die Frauen keine Männer mehr brauchen, von denen sie sowieso nur schlecht behandelt werden.
Ich stelle euch aber meinen Lieblingssong vor, in "digitally remasterter" Qualität, "Whisky Selling Woman", der ihren Ruf als illegale Schnapsbrennerin begründete.
Meine Lieblings-Textzeile daraus lautet:
"I will sell my whisky, to the chief of police in town. I will sell my whisky, to the chief of police in town. And if he don't like my whisky, he's welcome to ride me down.
If I had a thousand dollars, judge I'd take my way. If I had a thousand dollars, judge I'd take my way, hey hey. And I would make this whole town, sloppy drunk one day."
Ich habe den Song damals auswendig singen können.
Lucille Bogan (begleitet von Walter Roland am Piano) - Whisky Selling Woman (1928)