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Über die Wahrheit von Gefühlen

*****011 Frau
2.467 Beiträge
Themenersteller 
Über die Wahrheit von Gefühlen
Im allgemeinen Forum gab es kürzlich das heftig diskutierte Thema "Warum fühlen sich Frauen häufiger als Männer benutzt?" Dabei tauchte der Gedanke auf, dass es über Gefühle nichts zu diskutieren gäbe, sie seien grundsätzlich wahr. Im dort diskutierten Thema sollte das heißen, wenn eine Frau sich benutzt fühlt, dann wurde sie benutzt. In mir regte sich Widerspruch, aber bis ich meine Gedanken sortiert hatte, war der Thread vollgeschrieben.

Deshalb nun meine Frage an euch Mitbürger in Bad Weisheit: Wie "wahr" sind Gefühle? Ich denke, man muss unterscheiden zwischen dem, was man fühlt, und dem, wie man sich fühlt. Das, was man fühlt, möchte ich mal genuine Gefühle nennen. Dazu würde ich Trauer, Freude, Zorn/Wut, Liebe und Hass und Eifersucht zählen. Diese Emotionen sind tatsächlich kaum diskutierbar (wohl aber reflektierbar!). Wie man sich fühlt, hat seinen Ursprung dagegen manchmal nicht in einem selbst, sondern in dem, wie andere sich verhalten. Und das beruht auf Wahrnehmungen, mit denen man allzu leicht daneben liegt.

Ich hoffe, ich habe mich einigermaßen verständlich ausgedrückt und bin gespannt, was ihr dazu zu sagen habt.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Ich denke, man muss unterscheiden zwischen dem, was man fühlt, und dem, wie man sich fühlt.

So sehe ich es auch. Außerdem unterscheide ich stets zwischen "Ich hab dieses oder jenes Gefühl" und "Dieses oder jenes Gefühl hat mich".

Bei den genannten Gefühlen stimme ich ebenfalls zu - bis auf Eifersucht, die für mich kein Gefühl im eigentlichen Sinne ist, sondern ein Produkt aus Gefühlen (wie z. B. Neid und Verlustangst) und Gedanken, was man dann oberflächlich häufig als "Eifersucht" zu bezeichnen pflegt.

Was die sogenannte Wahrheit der Gefühle angeht, sollte wohl auch noch differenziert werden zwischen dem, was man sich häufig einredet (im Sinne von "Ich müsste jetzt eigentlich ... fühlen") - und es dann prompt zu fühlen glaubt.

(Der Antaghar)
******uja Frau
6.959 Beiträge
Mit dem v. a. in Philosophie und Logik stets präsenten Konzept von "Wahrheit" habe ich so meine Probleme; ich bin da gewissermaßen vorgeschädigt. *zwinker*

Meines Erachtens können Gefühle nicht "wahr" sein, wohl aber "wirklich" – echt, real. Wenn jemand etwas fühlt, wer wollte seinem Gefühl dann die Existenz absprechen? Man kann darüber streiten, ob Gefühle, in die man sich hineinsteigert oder die man auf jemanden projiziert, ebenso wirklich sind – aber sie werden auf jeden Fall wahr-genommen.

Dass Gefühle da sind, bedeutet aber nicht, dass das, was der Fühlende als Auslöser wahr-nahm, auch wahr ist.
*****011:
Im dort diskutierten Thema sollte das heißen, wenn eine Frau sich benutzt fühlt, dann wurde sie benutzt.
Da regt sich bei mir ebenfalls Widerspruch, denn übertragen z. B. auf die Eifersucht würde das heißen, wenn eine Frau eifersüchtig auf ihren Mann ist, weil er ihrer Meinung nach mit einer anderen geflirtet hat, dann hat er auch mit ihr geflirtet – selbst, wenn er eigentlich nur grüßend eine hinter ihr stehende Person angelächelt hat.

Es gibt Gefühle, denen man sich völlig ausgeliefert sieht; andere kann man bis zu einem gewissen Grad steuern; und wieder andere bemerkt man erst durch eine eindeutige körperliche Reaktion. Es handelt sich aber stets um subjektive Empfindungen, die nicht unbedingt durch die Realität und die Handlungen der Mitmenschen gerechtfertigt sein müssen. Im Extrem sieht man dies bei Menschen, deren Emotionsregulierung gestört ist, z. B. Borderline-Patienten – und im anderen Extrem bei Menschen, deren Gefühlsleben extrem gedämpft bis quasi inexistent ist (interessanterweise mit Ausnahme von Wut), nämlich einer bestimmten Gruppe von Psychopathen.
********er62 Mann
2.463 Beiträge
nun ja...
auch wenn er tatsächlich mit einer anderen geflirtet hat, ist das dann ein Grund, eifersüchtig zu sein? *smile*
Wahrheit ist ein Begriff aus der Logik, der formalen Logik, der Mathematik. In der Welt der Variablen und der Zahlen kann man exakt feststellen, ob eine Aussage wahr oder falsch ist - aber auch das hat seine Grenzen, wie wir seit den Gödel'schen Unvollständigkeitssätzen her wissen könnten. Kurt Gödel war ein Mathematiker, ursprünglich Professor an der Universität Leipzig, der 1933 mit seinem Freund Einstein zusammen in die USA emigrierte.

In jedem System von Sätzen - "Aussagen" - gibt es zumindest einen Satz, der nicht nach den Regeln des Systems wiederlegt oder bewiesen werden kann. So lautet verballhornt der dritte dieser Unvollständigkeitssätze, die ich auch nur aus Hofstadters "Gödel-Escher-Bach" kenne.

Gefühle können also keineswegs "wahr" oder "falsch" im logischen Sinne sein, weil ihre Elemente eben keine präzise definierten Zahlen oder Variablen sind, sondern stets an die konkrete Situation dessen angebunden sind, der diese Gefühle empfindet.

Es werden also Kathegorien miteinander vermengt, die logisch-systematisch gesehen "nichts miteinander zu tun haben".

Psychoanalytisch gesehen ist die Frage nach der Wahrheit von Gefühlen völlig unangemessen. Gefühle sind einfach da - sie sind "psychische Tatsachen". Sie sind Botschaften aus dem unbewußten Teil unserer Psyche, aber eben nicht nur "wertneutrale Informationen", sondern Normative, die den Anspruch erheben, unser Verhalten bestimmen zu wollen. Das tun sie ja auch allermeist. Es sind Imperative, Zwänge. Wir können uns diesen Zwängen normalerweise auch nicht entziehen - wollen das auch garnicht, weil wir uns mit diesen Gefühlen identifizieren, sie machen unsere Identität geradezu aus. Was wir "gut" und was wir "scheisse" finden, wird letztlich durch diese Gefühle bestimmt und nicht etwa durch logische Kalküle oder rationale Einsicht. Unser Verstand hat oftmals - man könnte fast sagen: regelmässsig - nur die Aufgabe, unseren Gefühlen ein rationales Fundament unterzuschieben.

"Wahrheit" und "Gefühle" miteinander in ein "System" bringen zu wollen, die Wahrheit von Gefühlen beurteilen zu wollen, halte ich daher für von vorneherein völlig ausgeschlossen.
**********hylen Mann
1.142 Beiträge
Gefühlen an sich dürfte das Element von (objektiver) Wahrheit fremd sein. Wahrheit an sich misst sich an die Wahrnehmbarkeit größtenteils äußerer Einflüsse. Ich habe zugegeben etwas Probleme mit der (pauschalierten) Aussage, dass eine Frau benutzt wurde, wenn sie sich benutzt fühlt. Denkbar sind nun mal auch Konstellationen, welche aus äußerer Sicht den Schluss zulassen, dass eine Frau benutzt (oder gar missbraucht) wird, diese das aber nicht als solches empfindet. Genauso ist selbstredend der umgekehrte Fall denkbar wie auch die Kongruenz sowohl des einen wie auch des anderen. Sinnvoll erscheint mir dahingehend die Trennung von objektiver und subjektiver Wahrheit.
Empfindung an sich ist immer mit subjektiver Affirmation (denkbar auch im negativen Sinne) verbunden. Gefühle sind m.E. weniger das Erleben von Wahrheit, sondern die Erfahrung von Wahrhaftigkeit. Was man fühlt ist meines Erachtens sicher zunächst Ergebnis visueller Wahrnehmung. Wie man fühlt, ist Ausdruck eigenen Bewusstwerdens und insofern intensivste Subjektion. Wahrheit im Fühlen erschöpft sich indes in der Gewissheit, dass das umfassende Denken ohne die gefühlte Wahrnehmung grds. nicht möglich sein dürfte, da selbst die rationalste Erkenntnis eine Bewertungsebene (mithin eine emotionale Ebene) durchläuft. Der cartesianische Ansatz des „Ich denke, also bin ich“ scheint mir gerade im Hinblick auf die hier vorliegende Fragestellung nicht erschöpfend, da das Denken an sich bereits zwangsläufig eine innere (mithin subjektive) Bewertungsebene enthält.
Die Aussage „Wenn eine Frau sich benutzt fühlt, dann wurde sie benutzt“ kann insofern nur Ausdruck subjektiver Wahrheit sein. Was indes nichts daran ändert, dass keine Frau (und auch kein Mann!) es hinzunehmen hat, gegen den eigenen Willen „benutzt“ zu werden.
@ Nikile: *hutab* für deine Ausarbeitung…Respekt. Bedenken erlaube ich mir lediglich hinsichtlich der Aussage anzumelden, dass Gefühle Botschaften (nur) aus dem unbewußten Teil unserer Psyche sein sollen. Ist die Psyche ein von visuellen Sinneswahrnehmungen und verstandsmäßigen Festlegungen und Annahmen isoliertes Gefäß? Gerade im Hinblick auf die Einflüsse ethischer Wertvorstellungen auf emotives Verhalten habe ich da so meine Bedenken…
Das in den USA lebende Neuropsychologenpaar Antonio und Hanna Damasio unterscheiden zwischen Emotionen und Gefühlen. Emotionen würden in der Vergangenheit wurzeln, Gefühle gehörten hingegen in die Gegenwart. Emotionen hätten eine zerstörerische Kraft, weil sie unbewusst sind und auf Projektionen fußen. Im Gegensatz dazu seien Gefühle dem Bewusstsein zugänglich. Gefühle seien ein authentischer Ausdruck dessen, was jetzt ist.

In diesem Sinne würde ich zumindest die These, „Gefühle sind echt" (wenn auch nicht unbedingt wahr) grundsätzlich mitvertreten. Fraglich ist nur, ob bei dem Zitat aus dem benannten Thread im öffentlichen Forum tatsächlich Gefühle gemeint waren oder ob sich die Aussage auf Emotionen bezog?

*gruebel*
Vielen Dank Topo für die Differenzierung!

Es ist oft schwer zu unterscheiden ob es Gefühle oder Emotionen sind....

ein Kriterium ist:

Gefühle sind Situationsadäquat und kurzlebig...

Emotionen das Gegenteil langlebig und passen oft nicht ganz zu der Situation...

daran kann man es erkennen...

auch in der Selbstreflektion...

Manchmal treffen sowohl Gefühle als auch Emotionen in einer Situation auf, dann führt das häufig zu Konflikten in der Gegenwart und Verwicklungen in der heutigen Zeit... weil ja eine Entschuldigung z.B. meines Gegenübers nciht die Stiuation in der Vergangenheit und der daran beteiligten Personen zu deren Entschuldigung führt....

Die Verletzung z.b. bleibt also.... auch nach der Entschuldigung und kann zum "Nachtragen" führen...
Es ist oft schwer zu unterscheiden ob es Gefühle oder Emotionen sind....

Warum muss man das eigentlich unterscheiden ?
Warum muss man Gefühle differenzieren ?
Wer hat da was davon, außer die Psycho-Onkels ?

Ich habe einfach Gefühle.
Positive und negative, wirkliche und eingebildete, körperliche und psychische.
Sie sind da und ich muss sie annehmen. Es nützt mir nix, wenn ich sie auseinander differenziere.
Ich muss sie aushalten. Meistens will ich sie aushalten, manchmal eher nicht. Aber es bleibt mir nichts anderes übrig.
Gefühle kann man nicht abschalten. Behaupte ich jetzt einfach.
*******_DA:
Warum muss man das eigentlich unterscheiden ?
Warum muss man Gefühle differenzieren ?
Wer hat da was davon, außer die Psycho-Onkels ?

Ich glaube die begriffliche Unterscheidung von Gefühlen und Emotionen kann schon Sinn machen.

Wie Doro eingangs erläuterte, wurde die These "Gefühle sind immer wahr" im Thread "Warum fühlen sich Frauen eher "benutzt" als Männer?" aufgestellt. Und zur Zeit wird ja viel darüber diskutiert, dass sich Frauen von Männern "benutzt" fühlen.

Ich könnte mir aber vorstellen, dass das Gefühl, das ich vor zwanzig Jahren einmal empfunden habe (z.B. jenes Gefühl, eine Hauptrolle in einem Hollywood-Blockbuster ergattert zu haben) und die Emotion aus heutiger Sicht (das Gesamtereignis und den eventuell dafür "gezahlten Preis" betreffend) eventuell im Konflikt miteinander stehen könnten.

Eventuell verhält es sich ja ähnlich, bei dem Gefühl der Wollust, dass einigen Menschen im Augenblick einer Erniedrigung überkommt und der Emotion die man rückblickend auf dieses Ereignis empfindet (Wut, Scham, Demütigung).
Ich glaube die begriffliche Unterscheidung von Gefühlen und Emotionen kann schon Sinn machen.

Ich habe für mich beschlossen, da keinen Unterschied zu machen.
Es ergibt sich für mich nämlich keinen Sinn.

Wenn Frauen sich von Männern benutzt fühlen, dann ist das so, dann fühlen sie sich so. Wenn Männer dabei was anderes fühlen, dann ist das auch so.
Und dann ist es egal, ob man es "Gefühl" oder "Emotion" nennt.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Wenn Frauen sich von Männern benutzt fühlen, dann ist das so, dann fühlen sie sich so.

Und genau darin liegt nach meiner Meinung die Krux: Sie fühlen sich tatsächlich so - unabhängig davon, was der Mann mit ihnen wirklich gemacht hat. Möglicherweise hat er sie aus seiner Sicht in keiner Weise benutzt, sie hat sich aber trotzdem so gefühlt.

Das Problem sind dann nicht die Unterschiede zwischen Emotionen und Gefühlen oder was auch immer, sondern die unterschiedlichen Wahrnehmungen.

Und da beachte man einfach mal dieses Wort genau: Wahrnehmung. Man nimmt etwas für wahr, wenn man es wahrnimmt.

(Der Antaghar)
**********hylen Mann
1.142 Beiträge
gewillkürte Trennungsschicht...
Mir fällt es schwer, die vorgetragene Unterscheidung von "Gefühl" und "Emotion" so nachzuvollziehen.
Kommt es doch eigentlich aus dem selben "Topf".
M.E. müssen derartige (ggf. auch empirische) Festlegungen dann messen lassen, dass es dann so oder so Grauzonen gibt, auf welche diese strikte Unterteilung nicht passt.
Bsp.: Was ist denn mit dem sog. "Bauchgefühl"? Mal die vorgetragene Definition eines lediglich kurzlebigen Effekts des "Gefühls" zugrunde gelegt müsste das Bauchgefühl ja lediglich einen emotionalen Reflex darstellen.
A praxi versinnbildlicht das "Bauchgefühl" indes ein sowohl aus inneren wie äußeren Erfahrungswerten (sowohl der Vergangenheit wie auch der Gegenwart) geformten Gefühlskorpus -> Intuition...
Bisher wurde auf Grundlage der Ausarbeitungen Sigmund Freud´s angenommen , dass das Unbewusste autonom und nicht vom Bewusstsein kontrollierbar ist. Neuere Untersuchungen zeigen aber, dass unser Bewusstsein zu den Absichten passende unbewusste Vorgänge in unserem Gehirn verstärkt und nicht passende hingegen abschwächt, wodurch gewährleistet wird, dass das bewusstes „Ich“ nicht zu stark von einer Vielzahl unbewusster Tendenzen beeinflusst wird. (Stangl,W. (2017). Bauchgefühl, Intuition und das Unbewusste. Werner Stangls Psychologie News. WWW: http://psychologie-news.stan … intuition-und-das-unbewusste (2017-11-08).

Aber vielleicht rühre ich da auch Äpfel und Birnen durcheinander oder habe mit Zitronen gehandelt (dann ist halt heute Obsttag) *zwinker*
Mein "Eintritts-Senf"
**ro:
Deshalb nun meine Frage an euch Mitbürger in Bad Weisheit: Wie "wahr" sind Gefühle?

Nun, rein neurobiologisch sind Gefühle zu 100% wahr, werden sie ja einfach durch eine gewisse Hormonkombination hervorgerufen. Ganz arg simplifiziert sieht das so aus, dass ein Ungleichgewicht zwischen Dopamin und Oxytocin ein negatives Empfinden in Richtung "Trauer" bzw. "Depression" auslöst - in jedem Menschen (und ja ich weiß: Da sind noch hunderte, vielleicht tausende weiterer Neurotransmitter, Botenstoffe, Hormone und hormonähnliche Stoffe dran beteiligt, es ist eine sehr, sehr vereinfachte und eher bildhafte Darstellung).

Die Frage ist nun eher, wie wird dieses Ungleichgewicht ausgelöst und ist es gerechtfertigt?

Der Auslöser kann z.B. rein physische Ursachen haben, wenn etwa die Grundbausteine für die Stoffe im Körper fehlen oder die Körperchemie wegen Schlaf-, Licht- oder Bewegungsmangel nicht in Gang kommt. Ergo wäre das Gefühl "Traurigkeit" wegen dieser Auslöser nicht gerechtfertigt und damit "unwahr", weil gar keine objektiven Gründe für Trauer vorliegen - es fehlen lediglich die Stoffe im Körper, die für "fröhlich sein" wichtig sind.

Weiterhin kann ein Mangel auch psychisch ausgelöst werden - der Menschen "denkt" sich sozusagen in einen emotionalen Zustand hinein. Auch hier wäre kein zwingender Grund für "Traurigkeit" vorhanden, das empfundene Gefühl also "unwahr". Spannend daran ist übrigens, dass dieser Mechanismus auch in die andere Richtung funktioniert - mensch kann sich seine Gefühle bewusst selbst produzieren.

Erst wenn es einen objektiven Auslöser im Außen gibt und der Mensch (bewusst oder unbewusst) die Wahl trifft, sich dem passenden Gefühl wie z.B. Trauer hinzugeben, ist das Gefühl "wahr", weil passend und angemessen (das passiert meist unbewusst, ungesteuert - mensch wird von seinen wahren Gefühlen "übermannt").

Ich denke die Frage der TE ergibt sich aus der Beobachtung, dass es manchmal keinen objektiv passenden Auslöser gibt, das Gefühl aber dennoch entsteht und von der betroffenen Person ernsthaft empfunden wird.

Für eine Erklärung dieses Symptoms lohnt sich ein Blick in die Schmerzforschung: Von Phantomschmerzen in fehlenden Gliedmaßen hat man ja oft schon gehört, aber ganz spektakulär sind sich häufende Schmerzempfindungen z.B. beim Zahnarzt, obwohl die zu behandelnde Stelle definitiv und nachprüfbar betäubt ist - kratzt der Zahnarzt mit einem Stichel im Loch, bleibt der Patient völlig gelassen, berührt er dieselbe Stelle mit dem Bohrer, windet sich der Patient vor - eingebildeten - Schmerzen, die sein Botenstoff-System aber ganz brav als real übermittelt: Er fühlt einen "wahren" Schmerz, obwohl es keinen objektiven Auslöser dafür gibt.

Die Erklärung dafür liegt in der Phsyche des Menschen: Wir trainieren uns von Kindesbeinen an, in bestimmten Sitautionen bestimmte Gefühle zu produzieren, der eine intensiver, der andere weniger intensiv. Getreu der Erkenntnis "Mind shapes Body" wirkt hier der eigene Geist als unbewusster Trainer für Gefühlsreaktionen. Kleines Beispiel: Kinder, die bei kleinen Verletzungen immer wieder über die Maßen getröstet werden oder eine übertriebene Hysterie bei den Bezugspersonen erleben, sind als Erwachsene im Durchschnitt übertrieben wehleidig und übervorsichtig.

M.E. werden Gefühle dann als "wahr" empfunden, wenn sie in Art und Ausprägung zur Situation passen, wobei es natürlich einen Gradmesser gibt, der gesellschaftlich-kulturell geprägt ist und einen weiteren, der sich am eigenen, individuellen Gefühls-Spektrum orientiert.

Für den Menschen aber, der ein Gefühl erlebt, ist es zunächst mal "wahr", ob es nun objektiv zu der erlebten Situation passt oder nicht *zwinker*
Dieses "Produzieren" von Gefühlen bekommt man in der Klapse ja richtig antrainiert.
Denn wenn man unvorbereitet in eine richtige Depression fällt, dann ist man zunächst absolut hilflos sich selbst gegenüber und ist auch weitgehend unfähig, sich Hilfe zu holen.
Was man in diesem Moment aber beherrscht, ist das Aufsetzen einer Maske um die Umwelt zu täuschen. Man manipuliert sich auf fröhlich, ohne wirklich fröhlich zu sein.
In der Klapse bekommt man nun antrainiert, zuerst einmal zu erkennen, wenn man in eine Depression abrutscht und dann, wie man dieser begegnet, wie man sich bessere Gefühle holen kann.
Die benötigten Botenstoffe muss man sich allerdings in Pillenform einwerfen.
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Da ich ...
... die von dir angesprochene Örtlichkeit ebenfalls von innen kennengelernt habe, kann ich deine Ausführungen nur bestätigen.

meint

Luccio *ja*
In meinem
unmittelbaren Umfeld gab es einige Menschen, die das ebenfalls erlebt und erfahren haben, zwei von Ihnen habe ich vorm Suizid gerettet und danach überredet, sich einweisen zu lassen (im besten Sinne, bitte.)

Ich war entsetzt, dass die einzige gangbare Therapie darin bestand, die Stoffe von aussen zuzusetzen, die der Körper nicht in ausreichendem Maße selbst produziert hat ("Einstellen" nennt das die Fachwelt). Damit wird lediglich das eigene "System" entmündigt und es verlernt mit der Zeit, sich selbst gefühlsmäßig auszupendeln - jeder neurobiologisch interessierte Laie weiß das heutzutage.

Wie kann die moderne Psychologie alle neuen Erkenntnisse der Wissenschaft ignorieren und unbeirrt so weitermachen wie vor 130 Jahren?
Ich bin kein Psychiater, ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, ob heute sämtliche neuen Erkenntnisse missachtet wird.
Ich habe aber folgende Erfahrung gemacht: Beim ersten Aufenthalt in der Klinik habe ich alle Medikamente verweigert. Die 19 Wochen Klapse waren für die Katz. Beim zweiten und dritten mal habe ich die Medikamente in der Klinik zwar genommen, immer natürlich begleitend zu einer Therapie, habe sie aber zuhause sofort abgesetzt, denn mir ging es ja gut. Die Folge war dann jedesmal ein neuer Absturz.
Beim vierten Besuch bekam ich dann eine spezielle Schulung über die Medikamente, um zu begreifen, warum ich das Zeug eine zeitlang nehmen muss. Dieses mal hielt ich mich daran und inzwischen geht es mir seit 10 Jahren gut. Natürlich habe ich immer mal ein Tief, aber ich erkenne es sofort und kann gegensteuern.

Deshalb sehe ich keinen Grund, diesen Ärzten und Therapeuten und ihren Fähigkeiten zu misstrauen, denn sie konnten mir ja helfen.
Ich werde auch nicht auf Verschwörungstheorien reinfallen, dass die versammelte Psychiaterwelt irgendwelche neuen Erkenntnisse boykottieren.
Mhm, seltsam
Selbst die gleich Erfahrung gemacht haben und dennoch die Benennung des IST-Zustandes als "Verschwörungstheorie" bezeichnen? Erschließt sich mir nicht.
Ich sehe es nicht als IST-Zustand an, dass das psychiatrische Personal in der wissenschaftlichen Entwicklung hinterher hinkt.

Aber sag mal, welchen Bezug hast du zur Klapse ? Insasse, Personal oder kennst du sie nur aus Büchern ?
Würde mich jetzt mal interessieren.
Äh, siehe
drittletztes Posting?
Da lese ich nur, dass es in deinem Umfeld suizidgefährdete Personen gab.
Ja
dann *g*
Und aus alleine diesem Grund kannst du beurteilen, dass die moderne Psychologie seit 130 Jahren sämtliche neuen Erkenntnisse ignoriert ?
*******enig Mann
10.063 Beiträge
oh weh,
wenn ich von der Wahrheit von Gefühlen höre, krampft es mir ganz böse im Bauch. Schließlich wissen wir doch, dass nur die Gefühle für unseren geliebten Marschall Kim Yong Un echte Gefühle und vor allem wahr sein können...;) Und ja, das war jetzt ironisch gemeint.

Ich stimme meinen Vorrednern zu, dass Gefühle als wahr empfunden werden mögen, in Wirklichkeit aber unser Unterbewusstsein nicht nur die Gefühle, sondern auch ihre Wahrnehmung bzw. ihre vermeintlich logische Erklärung für unser Bewusstes steuert. Ich bin viel zu faul um gegen diese Einsicht aufzubegehren. Außerdem ist es doch viel wichtiger, dass immer was zu fressen, ficken und fernsehen da ist, gelle? *zwinker*

Die Diskussion darüber bzw. die Reflektionen empfinde ich als jedoch unglaublich bereichernd und als eine bzw. die Bestätigung, dass ich hier richtig aufgehoben bin. Mein Kompliment für eure tollen Beiträge!
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