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Verantwortung - Die Diskussion zum Kalenderblatt vom 2. Juni

*****011 Frau
2.467 Beiträge
*******_DA:
An dieser Radikalisierung und an dem folgenden Terror trägt alleine die damalige deutsche Staatsmacht die Verantwortung. Und sonst niemand.

Hier muss ich Widerspruch einlegen: Die Verantwortung für dir Taten der RAF tragen die Personen, die sie ausgeführt haben.
Ja, für die einzelnen Taten tragen die Täter die Verantwortung. Dass es zu der Radikalisierung und den Taten überhaupt kam, liegt alleine in der Verantwortung der Staatsmacht und der Springer-Presse mit ihrem unsäglichen Lügen- und Hetzblatt. Diese Leute waren irgendwann mal an einem Punkt, dass sie glaubten, sich wehren zu müssen. Und sie mussten sich auch wehren, denn keiner half ihnen, sie waren dem, mit alten Nazis durchsetzten Staat hilflos ausgeliefert.
1977 kam ich mit drei Freunden in eine Polizeikontrolle. Wir hatten lange Haare, trugen zum Teil Parkas und Palästinensertücher. Das reichte aus, um uns über 1 Stunde lang festzuhalten, mit scharfen Waffen im Anschlag. Keiner hätte uns damals geholfen. Bei wem hätten wir unschuldige Schüler uns beschweren sollen?
Für meinen Vater waren langhaarige Gammler gleich Terroristen. Ich war ein langhaariger Gammler.
*******ster Mann
1.980 Beiträge
Me too
Ein Zufall verhinderte das ich am 5.3.81 ein Opfer der Massenverhaftung im damaligen Komm in Nürnberg wurde. Ich war mit Freunden damals bei der spontan Demo dabei welche sich nach einer Doku über die holländische Hausbesetzerszene durch Nürnberg bewegte. Wir haben uns nach der Demo etwas abgesetzt um noch einen durch zu ziehen. Als wir dann am Komm ankamen war es schon von den Straußknechten umstellt. Der Rest sollte bekannt sein, es ging als die Massenverhaftung von Nürnberg in die "Rechts"geschichte ein.
Wieder und wieder wurden Menschen, welche für ihr Recht kämpften, radikalisiert und kriminalisiert. Dass diese sich wehrten war verursacht durch die Staatsmacht und ihre reaktionären Schergen.
Zwischen 78 und 83 wurde ich 9 mal ohne Begründung auf offener Straße angehalten, gefilzt, provoziert und viermal zur "Befragung" gleich mitgenommen. Mein Erscheinungsbild glich dem Tatis.
Bis heute traue ich keinem Polizisten. Die meisten sind frustrierte selbstherrliche a....
Man darf die Polizei von heute nicht mit der Polizei von damals vergleichen.
Der allergrößte Teil der Polizisten verhält sich absolut korrekt. Die Bundesrepublik Deutschland ist inzwischen zu einem demokratischen Staat geworden und ohne Polizei geht es nicht. Anhänger und Wähler von Gauland & Co sehen das wahrscheinlich anders. Ohne Staatsmacht hätten wir schon längst wieder SA-Horden auf den Straßen.
Verantwortung - Die Diskussion zum Kalenderblatt vom 2. Juni
Da so ein "Kalenderblatt" nicht den nötigen Platz für eine ausführliche Diskussion bietet, habe ich die Diskussionsbeiträge dazu hierher verschoben.
Ich hoffe auf eine weiterhin angeregte Diskussion und zitiere zum schnellen Überblick meinen Kalenderblatt-Beitrag vom 2. Juni 2018:

Heute vor 51 Jahren, am 2. Juni 1967, wurde in Berlin der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten ermordet.
Auch sonst war dieser 2. Juni der unrühmlichste Tag der Bundesrepublik Deutschland.
Man empfing den brutalen Diktator Reza Pahlewi, Schah von Persien mit seiner Frau in Deutschland mit allen Ehren.
Die jungen Leute, die vollkommen zurecht gegen diesen Massenmörder demonstrierten und protestierten, wurden auf Befehl des Berliner Senats (Hauptverantwortlicher der Reg. Bürgermeister Pastor Heinrich Albertz) und der Bundesrepublik Deutschland von der Polizei brutal nieder geknüppelt. Das Schändlichste daran war, dass die Polizei gemeinsame Sache machte, mit Mitgliedern des Geheimdienstes des persischen Terror-Regimes, die die Erlaubnis hatten, auf deutschem Boden auf wehrlose Demonstranten einzuprügeln.
Der traurige Höhepunkt war dann der Mord an Benno Ohnesorg.
Dieser Tag war der Start der zunehmenden Radikalisierung der künftigen Terroristen der RAF. An dieser Radikalisierung und an dem folgenden Terror trägt alleine die damalige deutsche Staatsmacht die Verantwortung. Und sonst niemand.

*******ster Mann
1.980 Beiträge
Das war einmal
*******_DA:
Man darf die Polizei von heute nicht mit der Polizei von damals vergleichen.
Der allergrößte Teil der Polizisten verhält sich absolut korrekt
Der gleiche Rechtsruck welcher in der Gesellschaft herrscht ist ebenso in der Polizei verbreitet, sogar mehr.
Vermeintliche Ausländer (Nummernschild, dunkler Teint...) werden ohne Auffälligkeit kontrolliert, persönlich schon mehrfach erlebt da ich ab und zu mit entsprechenden Fahrzeugen unterwegs bin.
Der Anteil der Reichsbürger ist prozentual in der Polizei sogar noch höher als in der Gesellschaft.
Eben diese Polizisten bestimmen was verdächtig ist, was verfolgt wird. Provokation durch die Polizei habe ich ebenfalls in naher Vergangenheit wieder erlebt.
Schaut mal genau hin.
Das stimmt so ganz einfach nicht.
Über solche Pauschalisierungen möchte ich auch nicht weiter diskutieren.
Schwarze (braune) Schafe gibt es leider überall. Und natürlich muss mehr gegen die rechtsradikalen Tendenzen in unserer Gesellschaft getan werden, aber insgesamt gegen jede Art von Extremismus und Terror.

Mir geht es in diesem Thread darum, inwiefern die Staatsmacht Verantwortung trägt für kriminelle Taten anderer.
Ist es überhaupt möglich, Verantwortung zu übertragen.
Mir geht es in diesem Thread darum, inwiefern die Staatsmacht Verantwortung trägt für kriminelle Taten anderer.
Ist es überhaupt möglich, Verantwortung zu übertragen.

In meinem Augen ist jeder für sich selbst verantwortlich. Jeder muss für seine Taten selbst gerade stehen . Da jemand anders verantwortlich zu machen ist Blödsinn....
*******ster Mann
1.980 Beiträge
Bedingt ja
Jeder ist für sich verantwortlich, richtig. Aber hat nicht auch jeder Verantwortung für die Gesellschaft?
Wenn nun ein Machtapparat das Recht nach seinem Gutdünken beugt und missachtet hat der Bürger das Recht, sogar die Pflicht, sich zu wehren. Dass man dafür ebenso das Recht missachten muss ist unter Umständen legitim.
Nehmen wir doch mal an, es hätte sich keine APO und daraus die RAF gebildet. Wo würden wir heute stehen?
Wenn die Studentenbewegung und folgend die Arbeiterbewegung nie gewesen wäre, hätten wir heute die Freiheit die wir haben? §218, §175, Frauenrechte und und und Hätten die konservativen Kräfte von damals dies je zugelassen?
Die Gesellschaft hatte die damaligen "Terroristen" dringend nötig. Die Verantwortung dafür trägt die damalige Regierung. Die RAF musste sich für ihre Taten verantworten und das war ihnen bewusst. Die Verantwortlichen der Regierung hatten und haben diese Courage nicht.
**********hylen Mann
1.142 Beiträge
Die Gesellschaft hatte die damaligen "Terroristen" dringend nötig.
Mit Verlaub, beastmaster und bei aller Wertschätzung- Verbrechen rechtfertigen sich nicht durch sich selbst und insbesondere nicht durch gesellschaftliche Fehlentwicklungen oder Verwerfungen.
Man kann sicherlich über die grundlegenden und auch positiven Impulse der SDS etc. votieren, indes läuft die Beweihräucherung oder Idealisierung von menschenverachteten Verbrechen Gefahr, auch als ideologische Rechtfertigung u.a. des Holocaust oder des Anschlages des Weihnachtsmarktes von Berlin als Steilvorlage zu dienen. Mord beinhaltet immer einer irgend geartete Rechtfertigungsmaschine, indes den vollkommenen Verlust einer Ethik.
Das (vordringlich ethisch) begründete Recht auf Widerstand gegen staatliche Willkür ist im Übrigen fest in der hiesigen Verfassung niedergeschrieben- die Ethik gebietet indes auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Diese Auffassung beinhaltet selbstredend auch eine fehlende ethische Rechtfertigung des Mordes an Benno Ohnesorg, Peter Fechter oder...die unzähligen Toten an der Berliner Mauer.
Jeder ist für sich verantwortlich, richtig. Aber hat nicht auch jeder Verantwortung für die Gesellschaft?
wer ist die Gesellschaft ?

Wenn nun ein Machtapparat das Recht nach seinem Gutdünken beugt und missachtet hat der Bürger das Recht, sogar die Pflicht, sich zu wehren.
2nd amendment?

Dann müsste man Recht erstmal definieren.

Ich kann es einfach nicht gutheißen, unrecht mit unrecht zu bekämpfen um irgendwie Recht zu bekommen...
*******enig Mann
9.864 Beiträge
zuersteinmal
möchte ich ganz dringend diesem Kalenderblattspruch widersprechen: der 2.6.67 war der Tag der Ermordung von Benno Ohnesorg, eines völlig unpolitischen Studenten, der an diesem Tag zum ersten Mal in seinem Leben an einer Demonstration teilgenommen hatte. Und zwar durch einen, soweit das bis heute aufgeklärt werden konnte, zwar Westberliner Polizisten, der aber eigentlich SED Mitglied war und offenbar vom Osten zur Störung politischer Abläufe eingesetzt worden war. Sein Mörder wurde selbstverständlich freigesprochen, das entsprach dem Rechtsverständnis der damaligen Zeit. Immerhin sollte es noch fast 10 lange Jahre dauern, bis Frauen tatsächlich ohne die Genehmigung ihres Eheherren einer eigenen Erwerbstätigkeit nachgehen konnten. Und JA, selbstverständlich war die damalige Bundesrepublik durchsetzt von lauter Alt-Nazis.

ABER:
Nein, der 2.6.67 war NICHT der schlimmste Tag in der Geschichte der Bundesrepublik, dafür könnte man auch beliebige andere Daten hernehmen.

Und nein, selbstverständlich haben die westdeutschen Bullen nicht gemeinsame Sache mit den Savak-Schlägertrupps gemacht, oder wer auch immer die als "Prügelperser" zu trauriger Berühmtheit gekommenen Geheimdienstmitarbeiter gewesen sein sollten.

Und nein, selbstverständlich trägt die damalige deutsche Staatsmacht NICHT die Verantwortung für den von einzelnen Politik-Kaputtniks ins Werk gesetzten pseudo-politischen Terror der RAF.

Und nein, dieses Kalenderblatt entspricht nicht meinem Anspruch an einen halbwegs politisch neutralen Chronisten, der einer halbwegs interessierten Nachkommenschaft nach über 50 Jahren die Ereignisse von damals schildern soll. Für mich liest sich das ganze extrem tendenziös, weshalb ich persönlich mir zu dem Thema auf jeden Fall eine zweite Meinung einholen würde, bevor ich diese Räuberpistole verinnerliche und sie eines Tages vielleicht sogar nachplappere.

Und ja, es hat sich viel geändert bei der Polizei. Aber eines bleibt immer gleich, egal, ob man diese Leute "Straußknechte", "Bullen" oder was auch immer nennen mag: es sind im Zweifelsfall immer die selben Menschen wie die, gegen die sie vorgehen. Bloß halt anders ausgerüstet und vermutlich auch anders aussehend.

Aber ja, Polizisten können beängstigend wirken und es auch sein. Aber deshalb, oder weil einzelne Einsätze vielleicht aus dem Ruder gelaufen sein mögen, werde ich die Polizei oder gar den Staatsapparat insgesamt nicht in Frage stellen.
*******ster Mann
1.980 Beiträge
*******s65:
Verbrechen rechtfertigen sich nicht durch sich selbst und insbesondere nicht durch gesellschaftliche Fehlentwicklungen oder Verwerfungen.
Verbrechen sind nie gerechtfertigt. Was jedoch ein Verbrechen ist, definiert die Geschichte.
Wären die, leider missglückten, Attentate auf Hitler aus heutiger Sicht Verbrechen wenn sie gelungen wären?
Ist die Tötung Osama bin Laden nun ein Verbrechen oder nicht? Wenn ja aus welcher Sicht?
Meine Sicht ist abgewandt von einzelnen Schicksalen und nur auf das Ganze gerichtet.
Wann sind "Radikale" radikal und wer entscheidet dies wann?
Natürlich bleiben Verbrechen gegen die Menschenrechte Verbrechen und müssen verfolgt werden.
Hat die Operation 2. Juni dies getan? Mangels Macht bzw. demokratischen Auftrag, nein. Auf Grund dieses Mangels war diese Aktion ein Racheakt gegen Dritte.
Die Verantwortung für die Eskalation trägt die Seite, welche die Macht gehabt hat durch Aufrichtigkeit zu deeskalieren.
Chien:
Auf undefinierte und unbegründete Fragen reagiere ich nicht, oder hast du hier im jc schon mal ne Antwort auf ein "Hi, wie geht's?" bekommen?
******e_n:
In meinem Augen ist jeder für sich selbst verantwortlich. Jeder muss für seine Taten selbst gerade stehen . Da jemand anders verantwortlich zu machen ist Blödsinn....

Ich schrieb ja bereits, die Taten selbst hat der Täter zu verantworten. Aber dass es zu diesen Taten kam, dass es eine Baader-Meinhof-Gruppe, bzw. Baader-Ensslin-Gruppe (Ulrike Meinhof war innerhalb der Gruppe unbedeutend, sie war halt durch ihre journalistische Tätigkeit bekannt), bzw. eine RAF gab, liegt in der Verantwortung der BRD. Die deutsche Staatsmacht hat den Krieg angefangen und zwar am 2.Juni 1967.

Smartkoenig:
Und nein, selbstverständlich haben die westdeutschen Bullen nicht gemeinsame Sache mit den Savak-Schlägertrupps gemacht, oder wer auch immer die als "Prügelperser" zu trauriger Berühmtheit gekommenen Geheimdienstmitarbeiter gewesen sein sollten.

Die "Jubelperser" standen mit Stöcken bewaffnet VOR der Absperrung, zusammen mit der deutschen Polizei. Die Demonstranten mussten hinter der Absperrung bleiben.
Als nun einige Demonstranten anfingen Eier in Richtung des persischen Diktators warfen, der so weit entfernt war, dass nicht einmal der Weltmeister im Eierwerfen ihn hätte treffen können, begannen die Jubelperser, unter denen sich eine Anzahl Geheimdienstler befanden, mit Stöcken und Knüppeln auf die Demonstranten einzuschlagen. Und die deutsche Polizei sah tatenlos zu!
Da wurden unbewaffnete, wehrlose Menschen vor den Augen der Polizei zusammengeknüppelt und die Polizei schritt nicht ein! Das nenne ich "gemeinsame Sache machen".

Und nein, dieses Kalenderblatt entspricht nicht meinem Anspruch an einen halbwegs politisch neutralen Chronisten, der einer halbwegs interessierten Nachkommenschaft nach über 50 Jahren die Ereignisse von damals schildern soll. Für mich liest sich das ganze extrem tendenziös, weshalb ich persönlich mir zu dem Thema auf jeden Fall eine zweite Meinung einholen würde, bevor ich diese Räuberpistole verinnerliche und sie eines Tages vielleicht sogar nachplappere.

Natürlich bin ich in diesem Fall nicht neutral.
Allerdings entsprechen meine Schilderungen den nachweisbaren Tatsachen, ob es dir nun passt oder nicht.
Den Begriff "Räuberpistole" nehme ich dir übel.
**********hylen Mann
1.142 Beiträge
Verbrechen sind nie gerechtfertigt. Was jedoch ein Verbrechen ist, definiert die Geschichte.
Hinsichtlich der Auslegungsregeln sicher nicht von der Hand zu weisen, sofern man auf die bisherigen zivilisatorischen Auslegungsregeln seit Aufzeichnung geschichtlicher Vorgänge abstellt und Geschichtlichkeit (-> Historizismus) unter Berücksichtigung aller Tatsachen deutet, dass alle menschliche Realität ihre Geschichte hat.
Indes: Was ein Verbrechen ist, definiert die Tat in erster Linie an sich. Und nicht irgendwelche historische Zeitpunktbetrachtung. Ansonsten (jetzt einmal wieder kontextbezogen), so denke ich, kommt man aus dem überkommenen Stilpluralismus zwischen "Rechten" und "Linken" wohl kaum heraus...
Hinreichende Geschichtlichkeit sollte sich nicht in transluzenter Betrachtungweise erschöpfen...
Wären die, leider missglückten, Attentate auf Hitler aus heutiger Sicht Verbrechen wenn sie gelungen wären?
Ist die Tötung Osama bin Laden nun ein Verbrechen oder nicht? Wenn ja aus welcher Sicht?
Das bekannte Theorem/Motiv des -> Tyrannenmordes ...sicher eine weitergehende Erörterung (oder einen eigene threat) wert, indes wohl in diesem Zusammenhang OT. (Ok,zugegeben hab´ich den Stein in den Teich geworfen,sorry).
Aber mal kontextbezogen eine Gegenfrage: War die Tötung (bzw. genauer: der Mord) am (unbewaffneten) Fahrer H.M. Schleyers, an dem "Landshut"kapitän Schumann, den Botschaftsangehörigen der Stockholmer Botschaft allein nur nach historischer Betrachtung verwerflich?
Ich will einräumen, dass es nicht einer gewissen Eitelkeit entbehrt, (wenn ich) heute über das Verhalten der Vorgängergeneration(en) zu Gericht zu sitzen, so wenn ich an das Schweigen meines Vaters denke, als ich ihn über seine Wehrmachtzeit befragte...
Hat die Operation 2. Juni dies getan?
Meinst du nun die Demonstration am 2. Juni 1967 (diese fiel dem Grunde nach bereits 1967 in den Schutzbereich des Art.8 GG) oder die sog. "Bewegung 2.Juni"?
Hierzu vermag ich mich den (fundierten) Ausführungen von Smartkoenig anschließen *top*
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
*******s65:
Hinreichende Geschichtlichkeit sollte sich nicht in transluzenter Betrachtungweise erschöpfen...

Lieber Äneaserzeuger und Liebhaber der Venus, ich kann bisweilen deinen sicherlich klugen und fundierten Äußerungen nicht folgen. Was zum Henker ist eine hinreichende Geschichtlichkeit und eine transluzente Betrachtungsweise? *nixweiss*

Trotz eines Lateinstudiums und hinreichender Griechischkenntnisse bleiben mir die Feinheiten deiner Formulierungen oft ein Buch mit sieben Siegeln. *sorry*
**********hylen Mann
1.142 Beiträge
@Tatjana_DA
Die deutsche Staatsmacht hat den Krieg angefangen und zwar am 2.Juni 1967.
Meine liebe Tati, verzeih...das kann man wohl nicht so ohne Weiteres stehenlassen:
Wenn man den eigenen Quellen der RAF Glauben schenken mag (-> „Das Konzept Stadtguerilla“ – April 1971), spielten nicht die Vorgänge vom 2.Juni 1967 eine Rolle, sondern die Vorgänge im Zusammenhang mit der "Befreiung" Baaders und der Erschießung Petra Schelms/G.v. Rauch.
Die RAF war sich mehr als darüber bewusst, dass sie sich deutlich von den Zielen der APO und der SDS absetzte.
"Ich betrachte mich immer noch als Marxisten. Der Marxismus lehnt den Terror … individuellen Terror und Terror kleiner Gruppen ohne Massenbasis als revolutionäre Waffe ab … Subjektiv ist anzunehmen, dass sie ihre Aktion für eine politische Aktion halten und gehalten haben. Objektiv ist das nicht der Fall. Wenn politische Aktion willentlich zum Opfer von Unschuldigen führt, dann ist das genau der Punkt, wo politische Aktion, subjektiv politische Aktion, in Verbrechen umschlägt.“ (Herbert Marcuse /Interview In: diskus. Frankfurter Studentenzeitung, Heft 1, Frankfurt 2. Juni 1975, S. 14.)
Auch gerade Rudi Dutschke lehnte den "bewaffneten Kampf" der RAF ausdrücklich ab, was u.a. U.Meinhof zu der Feststellung geraten lies: „Die intellektuelle Linke hat die Aktion im großen und ganzen abgelehnt.“
Historische Tatsache dürfte indes wohl auch sein, dass Rudi Dutschke von einem durch ein rechtskonservatives Blatt aus Hamburg Aufgehetzten über den Haufen (und zum Krüppel) geschossen wurde. Mir ist- ungeachtet der zu verzeichneten Anteile dieser Journaille- nicht bekannt, dass gegen Verantwortliche diese Blatts ein (eigentlich gebotenes) Verfahren wegen Anstiftung zu einem versuchten Mord eingeleitet wurde...
*******ster Mann
1.980 Beiträge
Danke luccio
**********gosto:
Trotz eines Lateinstudiums und hinreichender Griechischkenntnisse bleiben mir die Feinheiten deiner Formulierungen oft ein Buch mit sieben Siegeln.
Und ich dachte schon meine Fragezeichen wären doch den, etwas häufigen, Fehlzeiten von damals geschuldet. *kopfklatsch*
*offtopic*
Meine Beispiele sollten nicht Mord rechtfertigen, sondern den Fokus der Verantwortung verdeutlichen.
**********hylen Mann
1.142 Beiträge
Meine liebe Luccio,
ich...muss um Verzeihung bitten...
Der von Beastmaster aufgeworfenen Fragestellung wollte ich einen hermeneutischen Ansatz entnehmen bzgl. der Geschichtlichkeit. Dinge geschehen ggf. aus sich heraus, ohne die Bedeutung und die Konsequenzen für das Zukünftige erfassen zu können. Die geschichtliche Bewertung von Handlungen und Entwicklungen, (namentlich von Verbrechen) erfolgt oftmals vor den selbst errichteten Feldherrnhügeln derjenigen, welche am Ende einer Entwicklung zurückblicken und...bewerten können. (da nehme ich mich nicht heraus!)
Transluzent...-> mögen Vorgänge, Ereignisse und vor allem Motive aus der Sicht eines neutralen Beobachters sein in einer geschichtlichen Betrachtung erscheinen.
Um es mal anders zu formulieren: Ausgehend vom Historismusbegriff Jaspers´ und dem Unaussprechlichen aus dem Schwarzwald (dessen Ausführungen ein Pfund für sich sind -> "Sein und Zeit") zur Geschichtlichkeit stellt sich zum einen die Frage, ob Wahrheiten nur in der Rückwärtsbetrachtung einer möglichst umfassenden (wenn nicht objektiven) Bewertung zugänglich sind oder aber man sich auch nicht der Frage stellt:
Was hätte ich damals getan...?
Ich muss es immer wieder betonen, Mord ist kein politisches Ziel und die Morde und sonstigen Verbrechen haben die Täter alleine zu verantworten.
Darum geht es hier ja gar nicht. Es geht um die Frage, wer eine Mitverantwortung für den Terror trägt, bzw. war die BRD verantwortlich, dass es zu dieser Radikalisierung kam. Und einen Teil der Verantwortung trägt natürlich auch das Hamburger Hetzblatt, ich erwähnte es bereits.

Natürlich war der 2.Juni 1967 nicht der Anlass zur Gründung der RAF, aber er war der Auslöser der Radikalisierung der späteren RAF-Gründer und Mitglieder.

Auch ich lehne den bewaffneten Kampf ab. Der bewaffnete Kampf der RAF schadete dem ursprünglichen Ziel der APO und SDS.
Aber ich kann nachvollziehen, wie es zu dieser Radikalisierung kam. Ich kann die Ohnmacht dieser jungen Leute dem mächtige Staat (mit seinen faschistischen Tendenzen) gegenüber nachvollziehen.
Sie mussten erleben, wie ein Massenmörder (Schah) in Deutschland hofiert und unterstützt wurde, sie mussten erleben, wie in Vietnam Männer, Frauen und Kinder bestialisch ermordet wurden und die Mörder saßen mitten im Land als Freunde. Und so weiter.
Es soll jetzt nur keiner behaupten, dass der Vietnam-Krieg irgendeinen Sinn gehabt hat.

Sie haben es erdulden müssen, dass Alt-Nazis nicht nur ungestraft davon kamen, sondern sogar Machtpositionen inne hatten. Die Nazi-Täter wurden belohnt, die Opfer verdrängt und diejenigen, die dagegen protestierten wurden kriminalisiert und verfolgt.
Auch Schleyer war SS-Führer, also Mitglied einer verbrecherischen Organisation, und musste sich nie dafür verantworten. Nein, er durfte Karriere machen.
**********hylen Mann
1.142 Beiträge
Es geht um die Frage, wer eine Mitverantwortung für den Terror trägt, bzw. war die BRD verantwortlich, dass es zu dieser Radikalisierung kam.
Die grausame Gewissheit dürfte m.E. sein: Verantwortlich war(en) nicht ein abstraktes (Staats)gebilde, sondern...Menschen...
Es soll jetzt nur keiner behaupten, dass der Vietnam-Krieg irgendeinen Sinn gehabt hat.
Das erste Opfer eines Krieges ist die Unschuld...
Auch Schleyer war SS-Führer, also Mitglied einer verbrecherischen Organisation, und musste sich nie dafür verantworten. Nein, er durfte Karriere machen.
Nun,Tati- die Liste derer, welche sich bzgl. ihrer Beteiligung im nahezu dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte zu verantworten haben, ist so lang: Der dritte Bundeskanzler der BRD (welcher in einen Akt des zivilen Widerstandsrechts dann von Beate Klarsfeld eine Watschen bekam), Heidegger undundund...u.a. auch ein blechtrommelnder Literaturnobelpreisträger, welcher erst im Spätherbst seines schöpferischen Lebens den Mut fand, sich zu seiner Schuld zu bekennen (immerhin einer...)
*******ster Mann
1.980 Beiträge
Die Lehre für die Zukunft
Ein Wiederstand welcher nicht wehrhaft ist wird niedergeschlagen.
Ich denke schon dass der Staat, durch das Handeln der RAF, die Bedeutung des Wiederstands ernster genommen hat, als es ohne der Fall gewesen wäre.
Aber dies nur als Hypothese.
Was haben wir aus dieser wunderbaren Diskussion mitgenommen? Danke an alle die sich beteiligt haben *top*
Unsere, so hart erkämpfte, Freiheit (so beschränkt sie auch sein mag) ist akut gefährdet.
Nicht durch die reaktionären Kräfte der Vergangenheit, obwohl davon auch ein paar Überbleibsel mitmischen, sondern durch die neuen reaktionären Bestrebungen.
Wie würde heute der Wiederstand aussehen?
Durch das Vorgaukeln einer immensen Bedrohung durch den Islam hat man begonnen die lückenlose Überwachung der Bürger einzuführen.
Die großen Parteien überschlagen sich in ihrer Anbiederung zur Wählerschaft der afd.
Die Digitalisierung des Einzelnen und der Gesellschaft zeigt erste Auswüchse in Z. B. China.
Die künstliche Intelligenz steht in den Startlöchern.
Wie soll die Bürgerschaft des 21ten Jahrhunderts aussehen?
Hierzu war eine Kolumne im Spiegel zu lesen.
http://m.spiegel.de/kultur/g … lumne-a-1209567.html#ref=rss
Ich habe diese Frage auch schon im Philosophieforum gestellt, aber ausser einer dumpfen Nachfrage zur Begrifflichkeit "Bürgerschaft" und einer Nachfrage was denn eigentlich beantwortet werden soll kam keine Reaktion. Ja nun meine Frage lässt sich nicht einfach mit ollen Zitaten noch ollerer Philosophen beantworten.
Wer sich zur Bürgerschaft nichts vorstellen kann darf gerne Gesellschaft verwenden.
Bürgerschaft gliedert sich aber definierter (siehe Wikipedia) auf in

Großbürgertum
Kleinbürgertum
Besitzbürgertum
Bildungsbürgertum

Wie muss also die Grundlage aussehen auf der sich eine Bürgerschaft bilden kann in der ein Miteinander in dieser globalisierten Welt möglich ist?

Tati- Wenn du meinst das dieser Fred nicht hierher passt, dann mach gerne einen neuen auf.
Beasty, weißt du nicht, wie man einen Fred aufmacht?
Da wir ansonsten weit weg vom eigentlichen Thema kommen, würde ich dich bitten, dieses spannende Thema separat zu eröffnen.
*******enig Mann
9.864 Beiträge
unsere Freiheit wird durch ganz andere Umstände bedroht,
wenn mir diese Feststellung hier noch erlaubt sei. Wir sind nämlich aktuell damit beschäftigt, sie abzuschaffen. Und zwar ganz von selbst, für uns selbst, weil hey: fehlt ja nix, wennse wech iss...

Ich kann mich nur wundern, wenn man so rumfragt, vor was die Leute am meisten Angst haben. Während wir Kinder der 1950er und 60er Jahre uns wenigstens noch zu Recht vor dem Ausbruch eines 3. Weltkrieges fürchten durften, ist das Schlimmste, was die heutige Generation Doof fürchten muss, dass sie mal keinen Händi-Empfang hat, oder dass das monatliche Datenvolumen aufgebraucht ist. Und wenn man sich schon davor nicht fürchtet, dann redet man sich eben wenigstens ein, dass uns die Horden von Ausländern, die uns im Rahmen der Flüchtlingswelle seit 2015 besuchen, alle Haare vom Kopf fressen und uns unser schönes Land ruinieren werden. Außerdem unsere Frauen vergewaltigen und die Sozialsysteme leerplündern. Jawollja.

Ich möchte in dem Zusammenhang zu Protokoll geben, dass mich viele der Reden von AfD Abgeordneten, vor allem die heute auszugsweise vom DLF zitierte, inzwischen total annerven. Nicht wegen ihrer provokanten Wortwahl, sondern wegen ihrer bestürzenden Blödheit. Ich will mir einfach nicht vorstellen müssen, dass der Steuerzahler Tausende von Euros pro Nase jeden Monat zum Fenster rausschmeißt, um diese verblödete Brut zu alimentieren. Und dass diese Möchtegerns sich mit ihren leeren Sprechblasen tatsächlich zu ungeahnter Größe aufplustern.

Am meisten leid tun mir jedoch deren Wähler: angetreten zum Protest und beseelt vom Willen, einer anderen Kraft Geltung zu verschaffen, müssen sie früher oder später ernüchtert feststellen, dass die sogenannte Alternative, die sie gewählt haben, keine Alternative, sondern einfach nur der Bodensatz aus maximaler Blödheit und Dreistigkeit ist und tatsächliche Taten von diesem Verein nicht zu erwarten sind.

Sowas ist in meinen Augen Verschwendung von Wählerpotential.

Die reaktionären Bestrebungen, welche beastmaster als aktuelle Bedrohung ausmacht, sind in Deutschland aus meiner Sicht hauptsächlich aus Personalgründen nicht erkennbar: die aktuelle Truppe, welche den rechten Rand Deutschlands ausmacht, ist dafür einfach zu schnarchnasig. Gefährlicher würde es allenfalls, wenn AfD & Co. junge, schicke und attraktive Gesichter zu bieten hätten, dann könnte ich mir in der Tat vorstellen, dass deren Prozentzahlen weiter nach oben schießen werden.

Nachdem dieses gesagt ist, zurück zu Tatis Räuberpistole, die er mir persönlich übel nimmt, und die vielleicht nicht der richtige Begriff ist für das, was ich eigentlich gemeint habe: nämlich eine zutiefst subjektive, persönliche Sicht von Tati auf den 2.6.67: da bin ich nach wie vor der Meinung, dass man die Dinge so nicht zusammenfassen kann. Der deutsche Staat mag für vieles die Verantwortung tragen, die meisten Staaten tragen Verantwortung für alles mögliche, die Absenz dieses Umstandes nennt sich u.a. "laissez faire Politik", aber ich bin schon der Meinung, dass die RAF die von ihr begangen Morde selbst zu verantworten hat und nicht andere Leute oder Institutionen in diese Verantwortung hinein ziehen kann.

Und dass die Frage, ob eine Ermordung von Adolf Hitler Segen oder Verbrechen wäre und ob die Ermordung von Osama bin Laden als Tyrannenmord durchgeht und damit akzeptabel wäre, wurde schon vorhin an den Club der Philosophen verwiesen. Ich persönlich stehe auf dem Standpunkt, dass jede Tötung ein Verbrechen ist, weshalb die Todesstrafe niemals legal sein kann. Aber damit kommen wir wie gesagt weit in die philosophische Ecke hinein und danach war hier glaube ich nicht gefragt.
**********hylen Mann
1.142 Beiträge
Ein Wiederstand welcher nicht wehrhaft ist wird niedergeschlagen.
Nun ja- jede Form von Widerstand löst eine Gegenbewegung aus. Ein gesellschaftliches Perpendikel.
So wie die Entwicklung Anfang der 70´er hernach zu dieser Entwicklung der sog. "wehrhaften Demokratie" geführt hat...und das dann auch gerade in die Regierungszeit einer Koalition, welche auch gewillt war, die Transformationskräfte der 68´er-Bewegung in die Gestaltung einer neuen Gesellschaft einzubringen...
Eine Ironie des Schicksals, könnte man denken...
Indes: Die Beispiele des Indischen Unabhängigkeitskampfes oder (aktueller) in Myanmar zeitigt auch die Erkenntnis, dass sich Widerstand nicht im bewaffneten Kampf erschöpft, sondern im...Widerstehen der Aufrechten...
Unsere, so hart erkämpfte, Freiheit (so beschränkt sie auch sein mag) ist akut gefährdet.
Wie recht Du hast..auch stimme ich mit dir überein, dass wieder eine rechtskonservative Strömung- nicht nur- durch dieses Land marondiert...
Wohl auch resultierend aus einem Zeitgeist kommerzialisierter Angstpotenzierung...

Das Thema der Zukunft der Bürgerschaft scheint mir ein sehr lohnenswertes zu sein. Ich bin gespannt!
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