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Die alte Kunst des Hörspiels

****42 Mann
4.911 Beiträge
Themenersteller 
Die alte Kunst des Hörspiels
Ich bin vor einigen Jahren auf die Welt der Hörspiele gestoßen. Der Hype der Hörbücher hat diese unglaublichen Schätze wieder ans Tageslicht und in die Ohren der Hörer von heute befördert. In den 50er und 60er Jahren war das der Abendkrimi, der später vom TV verdrängt worden ist. Bastian Pastewka ist einer der großen Liebhaber und bekennender Fan, der sich um dieses Erbe verdient macht. Mich persönlich haben die Sherlock Holmes Hörspiele mit Christian Rode und Peter Groeger und die Prof. van Dusen Reihe von Michael Koser Anfang der 2000er abgeholt. Ich liebe diese Art die Phantasie anzuregen, weil ohne optische Reize die Vorstellungen viel besser auf die Reise gehen können. Seitdem teile ich diese Leidenschaft. Ich bin gespannt, was ihr darüber denkt.

Hier als ein Beispiel Pastewkas Krimi Podcasts "Kein Mucks"
https://open.spotify.com/sho … nSXCqVxD?si=2c825b5267044d50

Hank
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Schönes Thema! *blumenschenk*
****42 Mann
4.911 Beiträge
Themenersteller 
Eine der spektakulärsten Hörspielreihen in Deutschland waren die Paul Temple Hörspiele von Francis Durbridge. Es waren Mehrteiler mit 4-5h Laufzeit. Echte Straßenfeger.

In GB waren es sogar 34 Hörspiele zwischen 1938 und 2013.

Hier die deutschen Hörspiele:

1949: Paul Temple und die Affäre Gregory (verschollen, 2014 durch Bastian Pastewka rekonstruiert)
1951: Paul Temple und der Fall Curzon
1953: Paul Temple und der Fall Vandyke
1954: Paul Temple und der Fall Jonathan
1955: Paul Temple und der Fall Madison
1956: Paul Temple und der Fall Gilbert
1958: Paul Temple und der Fall Lawrence
1959: Paul Temple und der Fall Spencer
1960: Paul Temple und der Fall Conrad
1962: Paul Temple und der Fall Margo
1966: Paul Temple und der Fall Genf
1967: Paul Temple und der Fall Alex

Der Aufwand der Produktion war erheblich und die Detailverliebtheit war enorm. Ein Ohrenschmaus.

Bastian Pastewka hat eine sehr humorige Rekonstruktion des ersten Hörspiels Der Fall Gregory aus den Resten wiedergefundener Manuskripte und den Fragmenten einer norwegischen Fassung nicht nur an den Hörer, sondern als Bühnenstück, mit dem kompletten Geräuscheequipment eines Hörspiels, auf die Bühne gebracht. Ich fand es sensationell.

Ich liebe sie einfach. Nur zum Einschlafen sind sie nichts, weil die Musik von Hans Jönsson am Beginn jeden Teils so unglaublich schräg und laut ist.
*******sima Frau
2.530 Beiträge
Ich teile Deine Begeisterung, @**nk, und kann Dir da nur zustimmen.

Für alle Hörspielliebhaber*innen hier ein Hinweis auf die ARD-Hörspieltage in Karlsruhe, die dieses Jahr - nach der Coronapause - wieder live stattfinden. Ein Besuch lohnt sich, da man dabei auch hinter die Kulissen der Produktion schauen kann, aber wer zu weit weg wohnt, kann die Hörspiele natürlich auch im Rundfunk und den entsprechenden Mediatheken hören.

https://www.swr.de/swr2/hoer … cht-und-begruessung-100.html
****42 Mann
4.911 Beiträge
Themenersteller 
Vielen Dank für den Tipp. Sehr spannend.

Hier noch ein kleiner Einblick in die Produktion vom Hund der Baskervilles.


*******eben Mann
534 Beiträge
Gruppen-Mod 
Etwa 1977 - im Alter von zwölf Jahren - bin ich Hörspiel-Fan geworden. Ich habe gerne Hörspiele und Features aufgenommen und immer wieder gehört. Auch Hörspiel-Manuskripte liebe ich, z.B. von Günter Eich etc. Aus den fünfziger Jahren gibt es da eine Menge Publikationen. Später kam ich dahinter, dass ich nicht nur Hörspiele, sondern auch Stummfilme liebe. Anscheinend mag ich es, mich auf nur einen Sinn zu konzentrieren. Ich mag es, wenn die Möglichkeiten dieses einen Sinnes voll ausgeschöpft werden.

Später wohnte übrigens der Betreiber einer der größten Hörspiel-Datenbanken Deutschlands bei mir quer gegenüber (in Berlin).

Allerdings bin ich in den letzten Jahren meiner Hörspiel- und und Stummfilm-Leidenschaft so gut wie gar nicht mehr nachgegangen.
****42 Mann
4.911 Beiträge
Themenersteller 
Dann möchte ich mich doch mal meiner Lieblingsreihe und damit Jacques Futrelle zuwenden.

Jacques Futrelle war ein amerikanischer Schriftsteller der am 9. April 1875 im Pike County, Georgia geboren wurde und am 15. April 1912 im Nordatlantik mit der Titanic unterging. Er hinterließ ab 1900 50 Kurzschichten um den genialen wie exzentrischen Wissenschaftler Prof. Dr. Dr. Dr. Augustus van Dusen. In seiner schier grenzenlosen Bescheidenheit?!, nannte er immer nur drei seiner 15 Doktortitel. Er war in nichts weniger als allen Gebieten der Wissenschaft bewandert. "2+2 ergibt 4 ... nicht zufällig, nicht einmal, sondern immer." Als Amateurkriminologe (man nenne ihn niemals Detektiv) löste er mit bestechender Logik Kriminalfälle, die die Polizei natürlich nicht auf die Reihe bekam. Sherlock Holmes nannte er verächtlich "überschätzter, aufgeblasener Wichtigtuer". An seiner Seite war immer sein Adlatus, Reporter des Daily New Yorker, Assistent, Mädchen für Alles, Zielscheibe seines Spottes und späterer Freund Hutchinson Hatch, den er gerne, ob seiner Neigung zum entspannten Leben mit Kubanischen Zigarren, Whisk(e)y und einem Schuss Naivität, mangelnder Intelligenz bezichtigt. "Ich nenne meinen Esel, wegen seines von keinerlei Intelligenz getrübtem Gesichtsausdruckes, Hutchinson".

Michael Koser hat 79 Skripte für diese Hörspielreihe, die im RIAS zwischen 1978 und 1999 ausgestrahlt wurde, geschrieben. Die ersten sechs basieren auf Kurzgeschichten von Jaques Futrelle. Alle anderen sind eigene Werke.
Friedrich W. Bauschulte sprach in allen Hörspielen den leicht arroganten, mit unter blasierten, umständlich formulierenden, gemeinhin humorlosen und trotzdem sympathischen Prof. van Dusen. Hutchinson Hatch wurde in allen Folgen von Klaus Herm lässig, locker, mit losem Mundwerk bestückt und leicht naiv gesprochen. Regisseur fast aller Folgen war Rainer Cute.
Diese Hörspielreihe hört sich unglaublich kurzweilig weg, ist aber nicht trivial. Ist aufwendig und detailverliebt, fantasievoll mit sehr viel Humor und damit sehr unterhaltsam produziert. Im Laufe einer Weltreise erleben die Protagonisten in allen Teilen der Welt Abenteuer mit sehr viel Geschichts-, Lokal- und Zeitbezug in der Zeit zwischen 1898 und 1912. Produziert wurden die Hörspiele meistens an Wochenenden in maximal 3 Tagen mit einer Vielzahl von Gastschauspielern von Berliner Theatern und Ensembles als Sprecher in der Unterhaltungsabteilung vom RIAS unter Leitung von Hans Rosenthal. Ein besonderer Ohrenschmaus ist die Musikauswahl von Rainer Cute. Ja ... manchmal sollte man sich die Schuhe fest zubinden, aber sie ist immer passend zum Szenario.

Mittlerweile gibt es eine Fortsetzung der Reihe mit neuen Fällen. Zum Teil unter Mitwirkung von Michael Koser. Diese sind auch gut produziert. Ihnen fehlt aber ein wenig die Spritzigkeit der alten Fälle. Auf Spotify werden zur Zeit nacheinander die alten Fälle (aktuell Fall 30) neu veröffentlich. Mit Kommentaren von Michael Koser und Rainer Cute zu jedem Fall, was wiederum sehr kurzweilig ist.

Hier der Link für Interessierte:
http://pirg.bplaced.net/pvd/kos2.htm
****42 Mann
4.911 Beiträge
Themenersteller 
Sherlock Holmes - Die Orignale
Die Sherlock Holmes Reihe von Maritim

Christan Rode als Sherlock Holmes und Peter Groeger als Dr. James H. Watson ... für mich ist diese Hörspielreihe die beste Vertonung des Sherlock Holmes Kanons. Vor allem gefällt mir das respektvolle Miteinander von Holmes und Watson. Obwohl Holmes immer eine gewissen Arroganz und Überlegenheit an den Tag legt, ist er der beste Freund von Watson. Andere Hörpieladaptionen stellen Watson oft als einen etwas naiven Trottel dar, was mir persönlich überhaupt nicht behagt. Es wurden 60 Fälle (also alle 56 Kurzgeschichten und die 4 Romane "Eine Studie in Scharlachrot", "Der Hund der Baskervilles", "Das Zeichen der Vier" und "Das Tal der Furcht") als Hörspiel umgesetzt. Zusätzlich wurden noch 5 Pastiches und der unten erwähnte Fall noch in dieser Reihe veröffentlicht. Sie endet mit "Der Tod zu Gast auf Mallory Manor".

Im Zuge dieser Serie ist auch ein kurioser Fall veröffentlicht worden. "Wie Watson den Trick lernte". Die Kurzgeschichte ist nur 3 Seiten lang. Von 1921 bis 1924 wurde vom Architekten Sir Edwin Lutyens im Auftrag von Prinzessin Marie Louise ein Puppenhaus für Königin Mary gebaut. Führende Künstler und Firmen der damaligen Zeit beteiligten sich an der Fertigstellung. Bedeutende Maler sowie Möbel-, Waffen- und Autohersteller erstellten Miniaturen ihrer Werke für die Einrichtung, und selbst der Weinkeller wurde befüllt. Zudem wurden verschiedene Autoren beauftragt, exklusive Kurzgeschichten zu schreiben, die in die Miniaturbücher der Bibliothek übertragen wurden. Unter ihnen Sir Arthur Conan Doyle mit einer neuen Sherlock-Holmes-Geschichte. Der Inhalt der Miniaturbücher wurde 1924 in The Book of the Queen's Dolls' House Library für die Allgemeinheit nachgedruckt. Viele kennen diese Geschichte gar nicht und es ist auch die einzige Hörspielbearbeitung.

Diese Reihe wurde dann später als Sherlock Holmes - Die neuen Fälle weitergeführt. Mit stark unterschiedlicher Qualität der Fälle. Beide Sprecher, Rode und Groeger, verkörpern für mich auch hier die ideale Besetzung. Obwohl beide bereits verstorben sind, ist die Reihe noch nicht vollständig veröffentlicht. Es werden immer noch neue Folgen mit diesen beiden veröffentlicht. Selbst der ebenfalls unvergessene Peter Pasetti kommt mit seiner Sherlock-Interpretation nicht an diese Qualität und den Wortwitz heran. Die Reihe mit Peter Pasetti krankt u.a. auch daran, dass die Fälle zum Teil absurde Namen bekommen haben und der Kanon unvollständig ist.
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