Hannah Arendt und die Banalität des Bösen
In ihrem Buch „Eichmann in Jerusalem“ berichtet Hannah Arendt von dem Prozess gegen Adolf Eichmann. Er war verantwortlich für die Organisation des Holocaust (= die systematische Vernichtung der Juden im Dritten Reich).Hannah Arendt bezeichnete sich selbst nicht als Philosophin, sondern als Politikwissenschaftlerin. Sie musste im Zweiten Weltkrieg flüchten, weil sie jüdischer Herkunft war, und lehrte dann an der New School for Social Research in New York City.
Anlässlich des Gerichtsprozesses gegen Eichmann in Jerusalem verfasste Arendt einen Bericht darüber, in dem sie der Frage nachgeht, ob und wie sich Formen des Bösen gerade auch in modernen Gesellschaften zeigen.
Hier ein kurzer Ausschnitt:
„Eichmann war nicht Jago und nicht Macbeth, und nichts hätte ihm ferner gelegen, als mit Richard III. zu beschließen. „ein Bösewicht zu werden“. Außer einer ganz gewöhnlichen Beflissenheit, alles zu tun, was deinem Fortkommen dienlich sein konnte, hatte er überhaupt keine Motive; und auch diese Beflissenheit war an sich keineswegs kriminell, er hätte bestimmt niemals seinen Vorgesetzten umgebracht, um an dessen Stelle zu rücken.
Er hat sich nur, um in der Alltagssprache zu bleiben, *niemals vorgestellt, was er eigentlich anstellte*. Es war genau das gleiche mangelnde Vorstellungsvermögen, das es ihm ermöglichte, viele Monate hindurch einem deutschen Juden im Polizeiverhör gegenüberzusitzen, ihm sein Herz auszuschütten und ihm wieder und wieder zu erklären, wie es dazu kam, dass er es in der SS nur bis zum Obersturmbannführer gebracht hat und dass es nicht an ihm gelegen habe, dass er nicht vorankam.
Er hat prinzipiell ganz gut gewusst, worum es ging, und in seinem Schlusswort vor Gericht von der „staatlicherseits verordneten Umwertung der Werte“ gesprochen; er war nicht dumm. Es war gewissermaßen schiere Gedankenlosigkeit - etwas, was mit Dummheit keineswegs identisch ist - , die ihn dafür prädisponierte, zu einem der größten Verbrecher seiner Zeit zu werden.“ (S.56 f)