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Hannah Arendt und die Banalität des Bösen

**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Hannah Arendt und die Banalität des Bösen
In ihrem Buch „Eichmann in Jerusalem“ berichtet Hannah Arendt von dem Prozess gegen Adolf Eichmann. Er war verantwortlich für die Organisation des Holocaust (= die systematische Vernichtung der Juden im Dritten Reich).

Hannah Arendt bezeichnete sich selbst nicht als Philosophin, sondern als Politikwissenschaftlerin. Sie musste im Zweiten Weltkrieg flüchten, weil sie jüdischer Herkunft war, und lehrte dann an der New School for Social Research in New York City.

Anlässlich des Gerichtsprozesses gegen Eichmann in Jerusalem verfasste Arendt einen Bericht darüber, in dem sie der Frage nachgeht, ob und wie sich Formen des Bösen gerade auch in modernen Gesellschaften zeigen.

Hier ein kurzer Ausschnitt:

„Eichmann war nicht Jago und nicht Macbeth, und nichts hätte ihm ferner gelegen, als mit Richard III. zu beschließen. „ein Bösewicht zu werden“. Außer einer ganz gewöhnlichen Beflissenheit, alles zu tun, was deinem Fortkommen dienlich sein konnte, hatte er überhaupt keine Motive; und auch diese Beflissenheit war an sich keineswegs kriminell, er hätte bestimmt niemals seinen Vorgesetzten umgebracht, um an dessen Stelle zu rücken.

Er hat sich nur, um in der Alltagssprache zu bleiben, *niemals vorgestellt, was er eigentlich anstellte*. Es war genau das gleiche mangelnde Vorstellungsvermögen, das es ihm ermöglichte, viele Monate hindurch einem deutschen Juden im Polizeiverhör gegenüberzusitzen, ihm sein Herz auszuschütten und ihm wieder und wieder zu erklären, wie es dazu kam, dass er es in der SS nur bis zum Obersturmbannführer gebracht hat und dass es nicht an ihm gelegen habe, dass er nicht vorankam.

Er hat prinzipiell ganz gut gewusst, worum es ging, und in seinem Schlusswort vor Gericht von der „staatlicherseits verordneten Umwertung der Werte“ gesprochen; er war nicht dumm. Es war gewissermaßen schiere Gedankenlosigkeit - etwas, was mit Dummheit keineswegs identisch ist - , die ihn dafür prädisponierte, zu einem der größten Verbrecher seiner Zeit zu werden.“ (S.56 f)
*******enig Mann
10.063 Beiträge
Erinnerung ist notwendig, kann ich nur sagen. Auch wenn die Verdrängung oft genug als der bequemere Weg erscheinen mag.
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
@*******enig

Ja, und vom Erinnern ist es nicht weit zu der Frage: Wo liegt das Potenzial des Bösen in unserer Zeit?
**********hylen Mann
1.142 Beiträge
Ja, und vom Erinnern ist es nicht weit zu der Frage: Wo liegt das Potenzial des Bösen in unserer Zeit?
Nun- es scheint, dass das Böse -im Gegensatz zu den dunklen Zeiten des letzten Jhdts.- mittlerweile zu einem fast unverzichtbaren Bestandteil einer regelrechten Eventkultur geworden ist ("fear sells").
Die doch zuweilen recht leicht von der Hand zu gehende Neigung, die Banalität des Bösen (selbst-)gefällig in den Orkus der Geschichte zu verorten, täuscht über die Tatsache hinweg, das sich nach wie vor unzählige ethikfreie Zonen über diesen Globus ausdehnen.
Es war gewissermaßen schiere Gedankenlosigkeit - etwas, was mit Dummheit keineswegs identisch ist - , die ihn dafür prädisponierte, zu einem der größten Verbrecher seiner Zeit zu werden.“ (S.56 f)
Ist halt die Frage: Insbesondere in H.Kipphardts "Bruder Eichmann" wird m.E. recht deutlich pointiert, dass solche Kreaturen wie Eichmann weniger gedankenlos als denn gewissenlos handelten und (wie nicht wenige andere) ihren ethischen Kompass nach dem Wind des seinerzeitigen Zeitgeistes ausrichteten...
Das Böse scheint untrennbar mit dem Menschsein verflochten zu sein- und regelmäßig aufzuzeigen, dass Menschsein und Menschlichkeit oftmals diametrale Wege gehen...
******nci Mann
445 Beiträge
Wo das Potenzial des Bösen in unserer Zeit liegt? Potenzial beschreibt ein hypothetisches Eintreten.

Aus meiner Sicht sind die Eichmänner von heute bereits seit einiger Zeit wieder aktiv. Nur wie in vergangenen Zeiten, will sie niemand erkennen.

Um so wichtiger ist Arendts Feststellung: Niemand hat das Recht zu gehorchen!
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Da hast du sicher recht, lieber @******nci! Die potenziellen Eichmänner sind ganz durchschnittliche Biedermänner, die aber bereits auf ihre Karrierechance lauern.

In meinem Dorf findet gerade das dreitägige Dorffest statt. Und was hat gestern den frühen Freitagabend gekrönt? Ein Fackelzug! So werden den Kindern positive Erinnerungen verschafft. Natürlich eine Idee der AfD. Die Rechten sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen! 🙈
*******enig Mann
10.063 Beiträge
Die Rechte ist genauso Bestandteil der Bevölkerung wie die Linke. Die Art der Auseinandersetzung mit diesem Umstand ist in meinen Augen definitiv ausbaufähig...
******nci Mann
445 Beiträge
Liebe @**********gosto anscheinend habe ich mich ein wenig missverständlich ausgedrückt.
Wir befinden uns in Zeiten, in denen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln versucht wird die Gesellschaft in alle möglichen Richtungen zu spalten. Wie @*******enig schon sagt: „Die Rechte ist genauso Bestandteil der Bevölkerung wie die Linke.“ Wir müssen wieder zum gemeinsamen Dialog zurückfinden - gerade mit denen, die vermeidlich die falsche politische Meinung vertreten - und das sind inzwischen sehr breite Bevölkerungsschichten. Und das liegt aus meiner Sicht, nicht daran, dass immer mehr Bürger nach recht abgedriftet sind, sondern der zulässige Meinungskorridor ist sehr drastisch verengt worden.
Das, was heute in die Naziecke gestellt wird, war vor Jahren noch Kern der konservativen politischen Landschaft. Man muss konservative, im Neusprech „rechte“ Meinungen, nicht teilen, aber einander zuhören und miteinander sprechen sollte man schon. Das macht man in einer Demokratie so! Ausgrenzung führt zu nichts Gutem. Sich allein auf Sekundärmeinungen zu verlassen, verschafft kein umfassendes Bild.
Kurz, die Eichmänner, auf die ich hinaus wollte, befinden sich nicht in diesem Bereich...
******nci Mann
445 Beiträge
Liebe @**********gosto es scheint, als würde der letzte Post nicht deiner Sicht der Dinge entsprechen und auch nicht zu einem Austausch darüber animieren, oder täusche ich mich?
**********gosto Frau
16.056 Beiträge
Themenersteller 
Ich denke, lieber @******nci, wir sollten die Frage nach dem Bösen nochmal grundsätzlicher stellen, weg von politischen Standorten.

Vielleicht sollten wir bei den alten Griechen anfangen. *les*
Das ist wirklich ein interessantes Thema. Wenn man so richtig 'böse' Verbrecher persönlich kennt, dann haben die auch sehr sympathische Seiten. An den Herrn Unterweger damals haben die Damen sogar Liebesbriefe geschrieben statt sich schaudernd abzuwenden (wer ihn nicht kennt: Berühmter Serienkiller).

Sogar die Personifikation des Bösen (für die Katholiken jedenfalls) ist eigentlich ein Engel, der lediglich von Gott einen Arschtritt bekommen hat weil er ... ja, was hat er eigentlich angestellt? Die einen sagen er hat den Menschen das Licht gebracht (daher der Name Luzifer, Lichtbringer), die anderen sagen Gott war eifersüchtig weil der Luzi so ein Showtyp war statt demütig im Hintergrund rumzuschweben wie die meisten anderen auch.

Wie auch immer, ich persönlich glaube, es gibt nur sehr, sehr wenig WIRKLICH böse Menschen und die sind einfach psychisch dermaßen abnorm, daß es sich ein Gesunder nicht vorstellen kann. Aber ist das böse, wenn jemand einfach so krank konstruiert ist, daß er es nicht als schlimm empfindet, wenn er einer Katze den Schwanz abschneidet weil es ihn interessiert was dann passiert - und später ... äh ... bei Leuten weitermacht? Böse setzt ja eine Absicht voraus. Die Absicht, zu verletzen und vor allem zu genießen, wie die Verletzten leiden. So wie wenn beispielsweise jemand Rache nimmt.

Wohingegen der Rächer auch nicht wirklich böse ist per se, sondern nur in diesem bestimmten Fall das Bedürfnis hat, Erlittenes zurückzuzahlen. Wie wenn man am Schulhof in die Fresse kriegt und zurückhaut. Nur daß halt Rache was Langwieriges ist weil man oft ein Zeitl braucht, bis man alt genug oder stark genug ist, sich zu rächen.
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