Feminismus und BDSM - Ein Kommentar zum Weltfrauentag
In meiner Überschrift benenne ich zwei Grundbegriffe, die nur selten in einem Atemzug genannt werden, weil sie inhaltlich so gar nicht zusammenzupassen scheinen. Ich bin eine submissive Frau. Und ich bin Feministin. Was bedeutet, dass ich mich offen und aktiv für die Gleichstellung und Gleichberechtigung der Frau in allen Lebensbereichen einsetze. Ich bin streitbar und offensiv, wenn es um diese Themen geht. Für viele - und zwar für andere devote und submissive Frauen ebenso wie für dominante Männer - scheint das in dieser Kombination nicht glaubwürdig zu sein. Das wurde mir durchaus auch schon in aller Deutlichkeit vorgeworfen. Etwa in der Form, dass ich meine "feministischen Ideale" verraten würde, wenn ich BDSM praktiziere.
Ich sehe das etwas anders. Ich denke, dass ich feministische Ideale lebe, wenn ich meine Art der Sexualität selbstbestimmt lebe. Ich denke auch, dass Feminismus gerade in einem Bereich wie BDSM immer wieder und immer deutlicher thematisiert werden muss. In den langen Jahren, in denen ich in der Szene aktiv bin, sind mir sehr viele Definitionen von "devot/submissiv" und "dominant" begegnet. Welche, denen ich zustimmen konnte und welche, die offensichtlich aus einer Ecke kamen, die ... nennen wir es mal problematisch... war.
Ich erlebe häufig, dass viele Aktive BDSM als eine Art "last resort" betrachten. Als eine letzte, übriggebliebene Ecke, in der ihr alte Welt noch in Ordnung ist. In der Frauen noch wissen, "wo ihr Platz" ist und die natürliche Dominanz des Mannes klaglos anerkennen. Das ist etwas, das sie "noch verstehen", worüber sie noch "den Überblick haben". Und wenn dann jemand wie ich kommt, der auch in diesen heiligen Hallen noch den Feminismus-Begriff diskutieren möchte, dann werden die Reaktionen schon mal etwas farbig.
Dabei ist die Diskussion meiner Ansicht nach genau hier besonders wichtig. Ich finde es immens wichtig, dass Frauen sich aus einer Position der inneren Stärke und des gesunden Selbstwerts in eine devote oder submissive Rolle begeben und ihre dominanten Partner nicht als Bestätiger ihrer eigenen, selbst empfundenen Minderwertigkeit instrumentalisieren. Und ich finde es immens wichtig, dass Männer sich klar machen, woher ihre dominanten Impulse kommen und dass sie sich auf ihre devoten Partnerinnen einlassen aus einer Position des vollumfänglichen Verantwortlichkeitsgefühls heraus. Damit meine ich, dass sie nicht nur ein Interesse an der spontanen Impuls- und Lustbefriedigung mitbringen sollten, sondern immer auch im Auge behalten sollten, dass das, was sich abspielt, irgendwo dem beiderseitigen Gewinn dient.
Wir alle wissen aus langen Diskussionen, dass wir eine große Verantwortung tragen für unser eigenes Wohl. Dass wir besonders darauf achten müssen, Grenzen zwischen Lustgewinn und missbräuchlichem Geschehen zu erkennen, zu ziehen und zu beherzigen. Diese Verantwortlichkeit trägt jeder Partner zunächst für sich selbst. Auch die devote Frau trägt diese Verantwortung selbst und gibt sie nicht an der Kasse ab, wenn sie sich auf BDSM-Terrain begibt. Die Verantwortung für sich selbst und das eigene Wohlergehen völlig jemand anderem zu übertragen, ist für mich einer der problematischsten Punkte im Bereich BDSM. Auch eine devote Frau ist kein Opfer. Niemals. Egal, wie extrem gespielt wird. Begibt sie sich völlig in die passive Opferposition, verschwimmen die bereits erwähnten Grenzen zwischen sexueller Praktik und missbräuchlichem Geschehen.
Auch diesen heiklen Bereich offen zu thematisieren ist die Aufgabe von Feminismus im BDSM. In einer Community, in der besonders gern und häufig abgewunken wird mit Statements wie "Feminismus? Ach, so ein Quatsch, den brauchen wir doch gar nicht mehr. Nenn mir doch mal was, was ich als Frau nicht darf?" Ich sage dann gern, dass diese Reaktion einer der Hauptgründe ist, wieso wir Feminismus in ALLEN Bereichen nach wie vor brauchen.
Noch einmal: Feminismus ist die radikale Idee von der Gleichstellung von Mann und Frau. Nicht mehr, nicht weniger. Feminismus ist keine Kriegserklärung, kein Vernichtungsversuch der Männlichkeit an sich. Feminismus will bereichern, nicht niederringen. Wir wollen einen Ausgleich schaffen, wo seit langer, langer Zeit eine Ungleichheit herrscht. Wir möchten hinweisen darauf, dass es eine Sache ist, was für Gesetze in den letzten Jahrzehnten geschaffen wurden, aber eine völlig andere Sache, wie die Struktur einer Gesellschaft funktioniert. Hier möchten wir auf gefährliche, veraltete und sexistische Dynamiken hinweisen und erhoffen uns von den vielen Hinweisen eine schrittweise Veränderung.
Ich möchte dies alles auch auf den BDSM-Bereich übertragen wissen. Ich möchte keinen Radikalangriff auf die männliche Dominanz starten. Ich genieße sie. Ich profitiere davon. Ich wäre ja schön blöd. Aber ich möchte, dass auch in unserer kuscheligen Ecke der Welt über das Frauenbild gesprochen wird. Und über das Männerbild. Denn man kann das eine nicht ohne das andere besprechen. Ich möchte weg von veralteten, toxischen Klischees und ich möchte hin zu einem neuen, selbstverantwortlichen, reflektierten BDSM.
Soweit zu meinen Überlegungen am heutigen Weltfrauentag. Vielleicht reden wir ein bisschen darüber. Ich würde mich freuen.