Das ist ein unglaublich komplexes Thema,bei dem man nur Umstände anerkennen kann, wo man aber niemals eine einfache Antwort finden wird.
Das hat schon damit zutun, dass es keine klaren "Täter und Opfer" in diversen Kommunikationsdesaster gibt. Das ist jeweils von der Situation, dem Thema und den Beteiligten abhängig.
Was ich bemerke ist, dass das Covid-19-Lagerkoller die Diskussionskultur im Netz noch weiter heruntergezogen hat. Diverse Menschen sind scheinbar nur noch mit kurzer Lunte unterwegs und eskalieren bei jedem Funkenflug.
Die Kommunikation ist eingeschränkt
Wie man es dreht und wendet, die schriftliche Kommunikation ist die mangelhafteste von allen. Alles was normalerweise zur Sprache gehört fällt weg:
Gestik, Mimik, Intonation.
All das ist nicht gegeben. Daher interpretiert man viel mehr und basierend auf sich selbst. Die eigene Stimmung in der Diskussion reflektiert auf das Geschriebene. Der Sender wird von den Intentionen des Empfängers überlappt. Wenn man also sowieso schon angefressen ist versteht man Dinge noch viel schneller angreifend als man es in einer vis-a-vis-Unterhaltung täte. Man sieht mitunter auch Subtext und "Ton" wo gar keiner ist.
Das könnte sich umgehen lassen wenn Menschen sich die Mühe machen würden ausführlich zu schreiben. Das tut aber kaum jemand, da sich immer weniger Menschen Mühe machen aufmerksam zu lesen. Aktives Lesen ist ein großes Problem.
Die Anonymität des Internets gebiert Arroganz und Arschlochverhalten
Menschen die sich anonym wähnen verhalten sich oft - nicht immer - anders als sie es in Persona täten. Es gibt Menschen mit denen ich in Person super kommunizierte, die sich online aber plötzlich wie die arrogantesten Arschlöcher aufgeführt haben.
Hier kann man jetzt lange rätseln ob diese Menschen sich im direkten Gespräch nicht trauen so zu sein oder ob die Anonymität des geschriebenen Wortes sie eskalieren lässt. Das kann nur ein Psychologe entscheiden. Die bedauerliche Realität ist leider, dass viele Menschen sich online hinter einem Pseudonym beginnen wie Wildsäue zu verhalten.
Balzverhalten auf einer Dating-Plattform
Kann man gut finden oder nicht aber Plattformen wie diese laden zur Selbstdarstellung ein.
Bricht man den Joyclub sehr abstrakt herunter, dann ist das hier im Kern für viele eine Plattform zur Partnersuche (wie auch immer man "Partner" definiert und was auch immer man mit diesem/dieser anstellen will).
Die Ressource "Mann" ist hier häufiger vertreten als die Ressource "Frau" oder "Divers". Bei dem Männerüberschuss kommt es bei vielen zum typischen Platzhirsch-Balzverhalten. Bei Frauen kommt das auch vor, meiner Wahrnehmung nach aber deutlich seltener.
Und da in unserer Welt, egal worum es mittlerweile geht, Schein wichtiger ist als Sein - vor allem weil schöner Schein mehr Erfolg bringt - wird sich fröhlich mitunter sehr offensiv selbst dargestellt. Das beinhaltet, dass man sich möglichst laut in jedes Gespräch zu jedem Thema klugscheissernd reinwirft. Solange es eloquent wirkt(!), in schöne Worte geplackt ist und Selbstbewusst erscheint(!), am besten noch von jemandem mit guten Fotos und Likes, dann ist es egal was diese Person inhaltlich schreibt. Das ist das Diskussionsforumäquivalent zum freizügigen Instagram-Bild.
Da kommen auch die ganzen Leute her, die in ihrem Forum schreiben wie "besonders" sie seien. "Ganz anders als die anderen", das haben schließlich alle immer schon gesagt, oder?
Auch das kann wieder Unsicherheit sein oder wirklich Arroganz, vielleicht sogar Narzismus. Diese Spekulation und Laienpsychologie ist müssig und bringt nichts. Man muss mit diesen Personen aber umgehen ohne selbst zu beginnen diesen Pfad zu gehen.
Unterm Strich muss man die Intention anerkennen: Es gilt hier für sich zu werben wenn man Personen anziehen möchte die man sucht. Und was Erfolg bringt bringt eben Erfolg, auch wenn es zu Lasten der sachlichen Diskussion geht. Am Ende geht es diesen Menschen ja nicht darum die Diskussion zu bereichern, sondern im Forum wahrgenommen zu werden. Aufmerksamkeit ist eine Währung.
Diskussionstil: Ich muss alles kommentieren
Das ist was oft kritisiert wird:
Jemand der überall seinen Senf und seine Meinung als die einzig Richtige heraushauen muss.
Es kommt hier auf den Ton an. Wir sind hier in Diskussionsforen. Natürlich wird da diskutiert. Natürlich darf da auch jemand schreiben, dass er oder sie eine andere Meinung hat.
Das endet bei bestimmten Themen. Wenn bei Bildern oder zu veröffentlichten Geschichten kein Feedback gewünscht ist dann kann man sich das Feedback bitte auch klemmen.
Wenn jemand nur seine Erfahrungen mit etwas herunterschreiben möchte dann muss man diese nicht infrage stellen.
Die Trennlinie ist hier mitunter sehr schmal, denn wenn jemand nach Feedback zu Bildern und Geschichten fragt dann muss man Kritik akzeptieren, ansonsten bittet man nur um Komplimente. Auch wenn man eine Erfahrung herunterschreibt und um Meinungen bittet darf Kritik angebracht werden.
Auch da hat es aber wieder Grenzen. Wenn jemand Schwarzweißfotografie schätzt und Bilder in Schwarzweiß einstellt dann muss man mit dieser Person nicht über 12 Postings diskutieren, dass es doch besser wäre wenn er oder sie Farbfotos machte, gerade wenn der Schöpfer klar herausstellt, dass das alles so und nicht anders gewollt war.
Diskussionstil: Bitte niemals Kritik
Ebenso anstrengend wie den "ich kritisiere alles, selbst wenn ich nicht gefragt wurde" empfinde ich aber die Sicht man möge bitte gar nichts kritisieren.
Wir sind in einem Diskussionsforum. Wenn man seine eigene Meinung in eine Diskussion einbringt dann muss man damit leben, dass diese Meinung möglicherweise kommentiert wird.
Nein, man muss Meinungen zu einem Thema nicht wortlos stehen lassen. Wer das möchte möge einen Blog pflegen bei dem die Kommentarfunktion deaktiviert wurde.
Was man natürlich nicht akzeptieren muss sind aufgezwungene Diskussionen.
Beispiel:
Ich lasse mich nicht fesseln und bin nicht maso. Das ist nicht meine Rolle. Wenn ich das schreibe ist das keine Diskussionseinladung, sondern ein Umstandtsstatement, das meist in einem Kontext steht. Über den Kontext - das Thema der Diskussion - darf man dann gerne diskutieren, nicht jedoch über X Postings darüber, dass ich es nur mal "probieren" müsse, vielleicht würde ich es ja mögen.
Über Geschmack streitet man nicht, auch nicht über den persönlichen Geschmack im BDSM, bzw. im sexuellen Kontext allgemein.
Deshalb dürfen andere Dinge durchaus kritisiert und kommentiert werden.
Ganz schlimm: Beides auf einmal
In Onlinediskussionen haben sich diese beiden Extreme in den letzten Jahren massiv verstärkt:
Menschen wollen zu allem etwas sagen, selbst wenn sie nicht gefragt wurden und
Menschen wollen, dass ihre Aussagen in Diskussionen kommentarlos akzeptiert werden, ansonsten schreit man gleich "Hating", "Rant" oder "Shitstorm". Jede Form der Gegenkritik ist gleich destruktiv. Nein, ist sie nicht.
Am schlimmsten ist, dass ein und dieselbe Person gerne beides vertritt:
Man darf alles sagen aber bloss nicht selbst kritisiert werden.
Fazit:
Es gibt keinen klaren Grund warum Diskussionen aktuell so schnell sehr hitzig und teils unsachlich werden. Es gibt bestimmte Indikatoren, die aber nicht immer alle auf jeden Fall angewandt werden können.
Man kann nur schauen, dass man sich nicht mitreissen lässt, egal wie frustrierend der Gesprächspartner gerade zu sein scheint.