Analog zu meinem Forenbeitrag „Vertrauen muss man sich verdienen“ empfinde ich auch den Gedanken „Respekt muss man sich verdienen", suspekt.
Echter Respekt hat für mich nichts mit der Position zu tun, die jemand innehat. Letztlich ist jedes System, jede Lebenskonstellation manipulierbar und so kann es schnell dazu kommen, dass wir Menschen kennenlernen, die uns vielleicht nicht „verdient“ haben. Was für ein abwertendes Wort….
Respekt ist für mich vielmehr ein tiefes Gefühl der Bewunderung für einen Menschen bzw. für etwas, das durch besondere Fähigkeiten, Qualitäten, Leistungen, aber vor allem durch besondere Charaktereigenschaften ausgelöst wird.
Jeder möchte respektiert werden - und das hat eben nichts mit verdienen zu tun - von den Kollegen, der Familie, Partner und in dem hiesigen Fall eben vom Top / Dom, oder von Sub / Bottom.
Das Problem ist aber, dass sich viele Menschen überhaupt nicht respektiert fühlen. Und das ist sodann unabhängig der Lebenskonstellation. Dabei zeigt eine Studie, dass Menschen, die sich respektiert fühlen, gesünder, belastbarer und konzentrierter sind, sich auf den anderen einzulassen. Sie verfügen über eine innere Kraftquelle, die sie vor Stress, Ängsten und Negativität schützt. Beziehungen, in denen sich Menschen vom anderen respektiert fühlen, scheitern wesentlich seltener. So zumindest mein persönliches Empfinden, wenn ich auf meinen Lebensweg und meinen persönlichen Erfahrungen zurückblicke.
Wenn ich mich aber so im Alltag umschaue, wie auch hier im Joy, dann sehe ich tatsächlich immer mehr, dass es als probates Mittel angesehen wird, durch Unwahrheiten / Vermutungen / Anmaßungen und Projektionen dem Gegenüber zu beschämen, bloßstellen, zu beschimpfen, zu diffamieren, zu manipulieren etc. Diese werden als Druckmittel an viel zu vielen Stellen immer noch angewandt und steht meiner Meinung nach nicht im Einklang mit den Werten wie ich Respekt interpretiere. Das widerspricht einfach meinen persönlichen Werten.
Ich will meinen Mitmenschen und natürlich auch meinem Partner / Sub / Bottom / Top immer mit Respekt begegnen – auch und gerade in Konflikten. Das sollte in meinen Augen immer das Ziel sein.
Ein Mensch (meine Kinder, ein Mitarbeiter, eine fremde Person im Bus…what ever) muss sich meinen Respekt nicht verdienen. Ich will mein Gegenüber grundsätzlich bedingungslos respektvoll behandeln.
Doch was ist dieser Respekt gerade in Konflikten wert, wenn er erst verdient werden muss, wenn er nicht mehr gilt, sobald ich zb. die Spielchen meines Gegenübers nicht mehr toleriere, was mir nicht gefällt? Wo ziehe ich die Grenze? Verliert mein Gegenüber meinen Respekt, wenn er oder sie mich unterbricht? Darf ich jemanden respektlos behandeln, wenn diese Person mich beschimpft, diffamiert anlügt, versucht zu manipulieren oder gar Gewalt (ob nun physisch oder psychisch) ausübt? Dies nicht zu verwechseln mit „Schlag mich bitte“ etc.
Ich bin da im Grundsatz sehr klar: Ich für mich will Menschen bedingungslos mit Respekt behandeln. Ich schreibe sehr bewusst nicht “Ich behandle Menschen bedingungslos mit Respekt.”. Denn das schaffe ich nicht. Doch es ist mein Anspruch an mich selbst. Michelle Obama hat das – damals im Bezug auf Trump – sehr gut auf den Punkt gebracht:
„If they go low, we go high.“
Gerade dann, wenn mein Gegenüber es grundlegend an Respekt mangeln lässt, will ich mich davon nicht auf das gleiche Niveau ziehen lassen. Für das Verhalten meines Gegenübers trägt diese Person selbst die Verantwortung. Doch wie ich darauf reagiere, ist meine Entscheidung. Dafür trage ich ganz allein die Verantwortung. Mein Wunsch ist es, diese Entscheidungen von Liebe und Aufrichtigkeit geprägt sein zu lassen, nicht von Angst. Ich muss nicht vor lauter Angst, selbst nicht mehr respektiert zu werden, selbst respektlos werden. Nein, ich will meinen Werten entsprechend handeln.
Bei einem erwachsenen Menschen erwarte ich ein gewisses Maß an Hirnreife und Bewältigungsstrategien. (Disclaimer: Ja, ich weiß, bei vielen, auch hier im Joy, gibt es oft einen gewissen “Nachreife-Bedarf”.)
Wer bis hier her aufmerksam gelesen hat, hat sicher schon bemerkt, dass ich eigentlich noch gar nichts darüber geschrieben habe, was Respekt denn eigentlich bedeutet. Das ist natürlich richtig. Ich habe nur über meine Überzeugung geschrieben, dass niemand sich meinen Respekt verdienen muss. Ich bin der Meinung, wenn wir diese grundlegende Überzeugung haben, dass sich das andere dann relativ automatisch ergibt. Wenn wir klar darüber sind, dass es sich niemand verdienen muss, respektvoll behandelt zu werden, dann klappt es auch mit dem Respekt.
Denn wenn wir ehrlich sind wissen wir alle, was Respekt bedeutet. Es ist nur manchmal schwer sich einzugestehen, dass Respekt zu allererst unsere Verantwortung ist – ob als Eltern, Kollege, Partner oder wie hier als Top / Sub.
Fazit
Respekt ist wie die Sonne für Pflanzen: Menschen brauchen es für ihren Wachstum und für ihre Gesundheit, dementsprechend essentiell.
Wir sind nicht perfekt. Niemand ist es. Aber wir können insoweit wachsen und lernen, sodass wir jede noch so schwierige Situation in den Griff zu bekommen. Und das fördert, dass uns andere (und wir uns selbst) respektieren. Insbesondere in der Konstellation Top vs. Bottom.
Wie immer, ist dies meine persönliche Meinung und hat wie immer keine allgemeine Gültigkeit!