Ich kann verstehen und zustimmen, dass BDSM auch in gewisser Weise eine Stressbewältigung sein kann. Es kommt bei mir aber auf den Stress an.
Nun schreibe ich primär aus der aktiven Sicht und denke, dass es da noch einmal einen großen Unterschied zur passiven gibt, den ich nicht wertend meine.
Als aktiver Part ist von mir Kreativität verlangt.
Kreativ bin ich, wenn ich den Kopf frei habe und mich darauf einlassen kann. Das gilt für mich, der eine Zeit lang für ein Webzine schrieb, bei schreiberischen Tätigkeiten, das gilt auch bei den (wenigen) Geschichten, die ich hier in Joy gepostet habe, ebenso gilt es bei kreativen Tätigkeiten im Ehrenamt, wenn Designs, etc. erforderlich werden, Veranstaltungen ausgedacht und durchgeführt werden wollen und es gilt beim aktiven "den dominant-sadistischen Part in einer Session übernehmen".
Wenn ich den Kopf nicht dafür freihabe, dann wäre ich nicht nur nicht kreativ und würde, im Worst-Case, nach vorgedachter Reihenfolge vorgehen, sondern wäre gar belastet.
Dann ist für mich die Kreativarbeit genau das: Eine weitere Arbeit. Es entstresst mich nicht, es stresst mich, weil es etwas weiteres ist bei dem Erwartungen da sind: Eben die, dass ich als führende Person auch in einer Session kreativ zu führen vermag.
In solchen Momenten des Stresses kann ich vögeln, auch harten Sex haben, ich kann Überlassungsspiele durchziehen, mag auch Vorführungen, also gewisse Teilaspekte eines großen ganzen, ich gehe dann auch gerne mal raus, aber ich möchte vor allem meinen Kopf halbwegs "abschalten" um runter zu fahren. Das tue ich bei einer Session, die ich selbst kreativ füllen muss, nicht.
Distress und Eustress vermischen sich dann zu einfach nur Stress. Ähnlich ist es bei Burnout-Forschungen. Menschen wird geraten geistigen Stress durch körperliche Aktivität zu begegnen. Grundsätzlich tut das auch gut, weil es Adrenalin abbaut. Wenn man sich aber zwingt, ohnehin völlig auf einem Stresslimit ist und dann noch eigengenötigt hart trainiert, dann verschlimmbessert das die Situation noch.
Zusätzlich betreibe ich kein BDSM wenn eine Stresssituation schon auf die allgemeine zwischenmenschliche Beziehung ausstrahlt. Das habe ich einmal gemacht, weil ich dachte, dass das die Unstimmigkeiten beseitigen würde. Das Gegenteil war der Fall und ich war nie gehemmter in einer Session als bei diesem Versuch.
Mir sagten passive Partnerinnen bereits, dass sie BDSM durchaus als Stressventil nutzen.
Da bin ich wieder ganz oben: Wenn der Fokus dennoch das gemeinsame BDSM ist, dann ist das völlig okay. Wenn das BDSM aber "gebraucht" wird um psychologischen Stress zu reduzieren, dann ist BDSM nicht mehr das was es sein sollte: Der Selbstzweck. Dann wird es zu einem Werkzeug und gar "gebraucht".
Das halte ich an der Stelle nicht mehr für gesund, weil die Erwartungshaltung an den Partner dann nicht nur die nach einer guten Session ist, sondern auch nach der Bewältigung von psychischem Druck. In der Situation rede ich lieber mit meiner Partner, versuche als Mensch da zu sein und ihr zu helfen. Diese Hilfe kann aber niemals in Form eines Therapieersatzes erfolgen. Ich bin kein Psychotherapeut, ich bin ja nicht einmal Physiotherapeut. Die Gefahr dort Dinge zu verschlimmbessern ist mir viel zu hoch. Zudem ich die therapeutische Verantwortung als aktiver Part nicht tragen möchte, weil ich sie rein fachlich nicht tragen kann. Das würde mich selbst viel zu sehr belasten.