„Ist ein Gentleman ein besserer Mensch? Nein! Er ist, besonders in der heutigen Zeit, ein wenig anders. "Old School" beschreibt ihn ganz gut, denke ich.
Ein Gentleman begegnet einer Dame ohne Erwartungshaltung. Er genießt den Augenblick und arbeitet nicht auf (s)ein Ziel hin. Das unterscheidet ihn schon mal ganz grundsätzlich von anderen Männern. Die nämlich begegnen einer Frau mehrheitlich immer mit einer gewissen Erwartungshaltung. Das erzeugt Druck und vielfach herbe Enttäuschungen.
Ein Gentleman geleitet eine Frau nach Hause, um sie schlicht und einfach in Sicherheit zu wissen. Es geht nicht um ein Schäferstündchen. Als Frau sollte man sich in einer solchen Situation also nicht wundern, wenn ein Gentleman den angebotenen Kaffee oder Brandy höflich ablehnt, sich formvollendet verabschiedet und auf dem Bürgersteig wartet, bis die Dame in ihrer Wohnung das Licht eingeschaltet hat. In diesem Moment denkt kein wahrer Gentleman an eine verpasste Gelegenheit. Das liegt an der fehlenden Erwartungshaltung. Er muss nicht zwanghaft bis in ihr Schlafzimmer vordringen, er muss sie nicht in typisch männlicher Manier seiner Trophäensammlung einverleiben. Es geht ihm u. a. vielmehr darum, als Kavalier Respekt und Achtung zu zeigen, den Augenblick zu entschleunigen und für beide Seiten zum Genuss werden zu lassen. Vielleicht gibt es ein zweites Treffen, ein drittes ... Ein Gentleman kann warten und außerdem: ihr Schlafzimmer läuft ja nicht weg.
"Ein Gentleman genießt und schweigt." Das schreiben sich viele Männer auf die Fahne. Dabei ist Genuss eine Kunst und Schweigen eine Tugend. Das wissen nur wenige und beherrschen tun es noch weniger.
So weit, so gut. Die Sache hat nur leider einen entscheidenden Haken. Das alles funktioniert nur, wenn du wirklich eine Lady vor dir hast oder zumindest eine Frau mit einem ausgeprägten Sinn für Anstand und Etikette. Ansonsten verstehen viele Frauen solche Situationen vollkommen falsch, weil sie es nicht anders kennen. Sie lassen sich nicht in den Mantel helfen, sie nehmen dir den Mantel aus der Hand und wenn du Glück hast, bedanken sie sich fürs Bringen.
Als Gentleman degradierst du dich heute mit ziemlicher Sicherheit unfreiwillig zu einem reinen Butler. Aus Unwissenheit vieler Frauen.
Auch wenn zu deinem Beitrag schon weiter diskutiert wurde, möchte ich noch einen Punkt darin aufgreifen.
Grundsätzlich bin ich vollkommen bei dir und hätte den gesamten Beitrag unterschreiben können, wenn der Abschluss, meiner Meinung nach, dem Vorhergehenden nicht ein Stück weit wiedersprechen würde.
Ich sehe es auch so das Höflichkeit und versiertes Verhalten ohne Zielsetzung ist, und auch nicht aufgesetzt oder erzwungen sein sollte.
Aber aus genau diesem Grund degradiere ich mich nicht, wenn ich mich so verhalte, das ich meinen Prinzipien und meinem Innersten treu bleibe.
Ich tue das ja weil ich davon über bin, das es es richtige Verhalten in der Situation ist und das genügt sich ja schon von selbst als Genugtuung für mich.
Ich erwarte als weder Dank noch Anerkennung, wobei das natürlich dann eine Wertschätzung ist, die mein Verhalten ebenfalls als passend untermauert.
Dennoch fehlt mir nichts, wenn mein Verhalten als so selbstverständlich genommen wird, wie es für mich ist.
Erst wenn mein Verhalten kategorisch abgelehnt würde, würde ich mir Gedanken machen, ob es noch "richtig" und "angemessen" ist, denn auch diese Flexibilität sich an neue Konventionen anzupassen, ohne natürlich in blindes Mitläufertum zu verfallen, halte ich für moralisch wichtig.
Zum Glück kann ich mich an keinen Fall erinnern, in dem meine angebotene und angenommene Unterstützung im Nachhinein als übergriffig gewertet wurde.