Eckstein, Eckstein ...
Entgeistert starrte sie ihn an. „Versteck Dich!“ wiederholte er, und ließ die Weidenrute erneut durch die Luft pfeifen. Sie stolperte zurück, auf ihrem Oberschenkel bildete sich ein weiteres brennendes Mal. Die Holzkugel in ihrem Mund ließ weder einen Protest noch eine artikulierte Bitte zu, nur einen erschrockenen, tierähnlichen Laut. Sie hatte natürlich gehorcht, als er ihr befohlen hatte, sich auf der Waldlichtung auszuziehen. Sie stellte seine Anordnungen nur noch selten in Frage, und wenn ihm danach war, sie hier in der untergehenden Abendsonne nackt zu sehen, fügte sie sich selbstverständlich. Dass er ihr dann die Hände mit einem Lederriemen auf den Rücken fesselte, war ein Anzeichen dafür, dass es nicht bei einer einfachen Präsentation bleiben würde. Die Weidenrute hatte er sich bereits am Waldrand geschnitten und ihren Körper damit schon auf dem Weg zu ihrer Lichtung durch das dünne Sommerkleid hindurch immer wieder spielerisch berührt. Er wusste, dass sie den Holzknebel mit der dünnen Kordel, die in ihre Mundwinkel einschnitt, hasste, und als er ihn anlegte, entwickelte sich das Szenario in Richtung einer Bestrafung. Der erste Schlag mit der Weidenrute war jedoch unvermittelt und ohne jegliches Zeremoniell erfolgt, ein reiner Willkürakt ohne die Nennung eines Vergehens. Sie konnte an dem Blitzen in seinen Augen sehen, dass dies keine Erziehungsmaßnahme war, sondern er lediglich ihre Empörung und Hilflosigkeit genießen wollte. Beim dritten Schlag gewann ihr Fluchtinstinkt die Oberhand und sie stolperte zwischen den hohen Tannenstämmen in die Dunkelheit hinein. Nach ein paar Schritten schaute sie zurück. Er stand immer noch auf der Lichtung und begann laut zu zählen: „Eins!Zweei!Dreei!... Sie fügte sich in die Spielregeln und hastete weiter in den Wald hinein. Die auf den Rücken gefesselten Hände beeinträchtigten ihr Gleichgewicht und der Knebel erschwerte das Atmen – sie würde ihm also kaum durch Wegrennen entkommen können. Sie kniete sich hinter einen umgestürzten Baumstamm und spähte in die Richtung, aus der sie gekommen war. Die Sonne strahlte nun blutrot durch die Bäume und würde bald der Dunkelheit weichen. Sie konnte spüren, wie ihr Herz vor Aufregung pochte. Es war ein wenig wie das Spiel aus Kindertagen, mit dem Unterschied, dass sie ihrem Verfolger nackt und stumm ausgeliefert sein würde, wenn er sie aufspürte.
Ihr ganzer Körper war angespannt, bereit aufzuspringen und ins Dunkel zu stürzen, sobald seine Schritte ihr näher kommen würden. Sie war sich nicht klar, ob es ein Regelverstoß wäre, sich von den Handfesseln zu befreien und bewegte ihre Handgelenke zaghaft in entgegengesetzter Richtung, um die Festigkeit der Lederriemen zu prüfen. Mit einer gewissen Dankbarkeit stellte sie fest, dass die Riemen dadurch nur schmerzhaft in ihr Fleisch einschnitten, ohne ihr mehr Bewegungsfreiheit zu gewähren – diese Entscheidung würde sie also nicht treffen müssen – er würde sie so wieder einfangen, wie er sie in den Wald gejagt hatte. Sie hob den Kopf ein wenig über den Baumstamm, konnte aber um sich herum keine Bewegung erkennen. Bald würde es so dunkel sein, dass sie nicht mehr zu sehen wäre. Dieser Gedanke löste Unbehagen in ihr aus. Wieso rief er nicht nach ihr, wieso drohte er nicht, dass die Strafe um so schlimmer sein würde, je länger er suchen musste? Sie beschloss, aufzustehen und spähte in die Richtung, aus der sie seine Stimme zuletzt gehört hatte. Dann setzte sie sich vorsichtig dorthin in Bewegung. Sicher würde ihre gehorsame Rückkehr ihn milde stimmen. Oder brachte sie ihn damit gerade um sein Jagdvergnügen? Unschlüssig blieb sie stehen. Nein, es war wohl am besten, geräuschvoll zu flüchten, um dann verfolgt und zu Boden geworfen zu werden. Sie stolperte also wieder in die entgegengesetzte Richtung, trat auf Äste und versuchte trotz des Knebels keuchende Laute von sich zu geben. Schließlich hielt sie vor einem Brombeergestrüpp an – hier ging es nicht weiter. Sie dreht den Kopf, konnte aber immer noch keinen Verfolger erkennen. Aber war da nicht ein Geräusch? Und hatte sich dort nicht gerade etwas zwischen den Bäumen bewegt? Sie beschloss, jetzt aus diesem Spiel auszusteigen und sank erschöpft in die Knie. Mit gesenktem Kopf wartete sie darauf, dass er der Qual seiner Beute ein Ende machen würde.
Sie spürte noch eine leichte Erschütterung des Waldbodens, dann prallte auch schon von hinten ein Körper auf sie und riss sie zu Boden. Wozu diese Vehemenz? Sie hatte doch schon aufgegeben. Diese Ungerechtigkeit mobilisierte noch einmal ihre Widerstandskräfte, und sie versuchte, sich unter ihm herauszuwinden, was nur dazu führte, dass ihr Gesicht in den Boden gedrückt und ein Sack über ihren Kopf gestülpt wurde. Mit einer Grobheit, die sie bisher bei ihm noch nicht erlebt hatte, wurde der Sack mit einem Strick um ihren Hals verknotet. Dann fing er ihre zappelnden Beine ein und band ihre über Kreuz gelegten Knöchel zusammen. Schnell fand sie heraus, dass ihre angewinkelten Beine nun mit ihrem Hals verbunden waren und alle weiteren Befreiungsversuche ihre Atemnot nur noch verschlimmern würden. Es war warm und feucht in ihrem Kopfsack, an ihrer Haut klebten Tannennadeln und um den Knebel herum lief ein stetiges Speichelrinnsal über ihre Lippen. Dies war nun bis auf weiteres ihre Welt, und sie stellte fest, wie sich nun dieser tranceähnliche Zustand einstellte, den solche ausweglosen Situationen in ihr hervorriefen. Sie merkte, wie sie abdriftete, in den Waldboden hinein, sie würde hier liegen bleiben und sich von Pflanzen umranken und von Tieren beschnuppern lassen. Ihr geschundener Körper würde Ruhe finden. War er noch da? Sein Körpergewicht lastete nicht mehr auf ihr. Betrachtete er sie? Fand er Gefallen an seinem Werk? Sie streckte die Beine ein wenig aus, um ihre Luftzufuhr zu reduzieren. Das war gefährlich, wenn er nicht mehr da war, um einzugreifen. G-E-F-A-H-R leuchtete es in roter Leuchtschrift in ihrem Gehirn auf. Zwischen ihren Schenkeln wurde es feucht. Wie vorhersehbar sie doch war.