Ich lese gerade seine "Philosophie im Boudoir". Über weite Strecken ist mir das zu viel redundantes Geschwafel, wenngleich man natürlich die Sprache der Zeit nicht mit heute vergleichen kann. Dennoch finde ich es geistig anregend, wenn man es auf den Punkt bringt, aber sexuell nicht.
Bemerkenswert, dass Simone de Beauvoir ihn als wahrhaft emanzipierten Menschen bezeichnet hat. Weil sein Begehren, seine Fantasien und seine Neigungen nicht nur auf die Benutzung von frauen durch Männer ausgerichtet waren, sondern auch umgekehrt und gleichgeschlechtlich. Gleiches Recht für alle. Das ist auch seine Forderung an die junge Republik Frankreich gewesen.
Im Grunde zerrt er in seinen Schriften all das, was zu seiner Zeit, aber auch vorher und bis heute noch unter dem Deckmantel der Kultiviertheit versteckt und nur heimlich gelebt wird, ans Licht und wirft die Frage auf: Warum tun wir so moralisch und verdammen öffentlich die Amoralischen, wenn wir doch im Grunde das, was wir öffentlich verdammen, heimlich gerne selbst leben. Seine Schriften sind letzlich Anklagen der Bigotterie, besonders in einer Gesellschaft, die sich politisch (die Revolutionszeit) durch Morden neu konstituiert hat, in der in allen Gesellschaftschichten, besonders in den "höheren", Ehebruch an der Tagesordnung ist und Männer Jünglinge sexuell begehren, in der man Gottesglaube und christliche Werte hoch hält, aber selten danach handelt.
De Sade mag ein psychisch kranker/krankhafter Mensch gewesen sein, und ganz sicher ist er in seinem Hochhalten des "Das Schlechte siegt immer, nicht weil es schlecht ist, sondern weil die, die es tun, einfach mehr Energie und Willenskraft besitzen oder aufbringen". ersetzen wir schlecht durch rücksichtslos, brauchen wir nur in die Zeitungen unserer heutigen Zeit zu blicken. Hat sich wenig geändert.
Literarisch finde ich de Sade eintönig, monoton. Sexuell finde ich ihn zu einseitign zerstörerisch. Aber philosophisch finde ich seine Position reizvoll.