Rant - die BDSM-Polizei
Google übersetzt "rant" mit schimpfen, toben, schwadronieren, poltern, irrereden:Es war eines der härtesten Einstellungsgespräche überhaupt. Die Fremdenlegion ist ein Witz dagegen. Er dauerte Monate. Nicht nur Liegestütze, Cooper-Test und Schwimmen standen auf dem Programm, auch Knotenkunde und die Analyse von Wunden waren gefragt. Schliesslich ging es unter Beweis zu stellen, dass ich die Qualität dieser Knoten in kürzester Zeit analysieren und genau erkennen kann, ob ein Schlag richtig sass. Peitsche, Gerte, Paddel, Flogger - Ihr könnt Euch vorstellen, wie intensiv die Vorbereitung war um nicht nur zu erkennen, mit welchem Werkzeug geschlagen wurde, sondern auch ob der Schlag gut oder Schlecht war.
Die Anzugordnung war die nächste Wissensherausforderung. Was darf wer wann tragen und zu welcher Rolle passt welche Kleidung genau? In Sekundenbruchteilen mussten wir Verstösse gegen die härteste Anzugordnung der Welt erkennen - doch selbst wenn keine Kleidung vorhanden war, gab es komplizierteste Regeln auswendig zu kennen: Die Gor-Positionen im Detail, bis zur Stellung der Zehen und der exakten Position der Ohrläppchen lernte ich über Nächte hinweg kennen, erkennen und zu (dis-)qualifizieren.
Der psychologische Test war die nächste Hürde. Würde ich es schaffen, objektiv das Verhalten meiner Umwelt zu erkennen, mich nicht von Testosteron oder schönen Augen ablenken zu lassen? Höflichkeit und Offenheit, die mir entgegengebracht werden, dürfen mich nicht irritieren! Der Mut, den jemand aufbringt, die Courage - all das sind innere Vorgänge, die für mein Urteil keine Rolle spielen dürfen. Ich musste lernen, die detailliertesten Verstösse gegen den Verhaltenskodex zu erkennen und ohne Gnade zu benennen. Ich las’ wochenlang die gesamte BDSM-Literatur, angefangen bei den Gangbang-Szenen der Bibel bis hin zu Fifty Shades of Grey. Vor der Prüfung hatte ich den gesamten Literaturschatz des BDSM im Kopf und konnte auswendig das den jeweiligen Rollen zugeschriebene Verhalten aufzählen, vor allem aber erkennen.
Am Tag der Prüfung wurde ich dann wirklich auf die Prüfung gestellt. Meine eigene Frau war das Testobjekt. Sie wurde vorgeführt, während ich hinter Glas sass und zuschaute. Gor-Positionen wurden ihr gezeigt, die sie einnehmen sollte. Später der Rollenwechsel - jetzt war sie die Dominante und schlug zu. Mittelmässig bis schlecht, muss ich sagen. Sie war einfach nicht qualifiziert. Weder Sub noch Top, noch Dom noch Kinkster. Das Feedback zerbrach sie, in Tränen aufgelöst erkannte sie, dass sie meinen Ansprüchen nicht mehr, nie mehr genügen könnte. Zu perfekt waren meine Erwartungen geworden!
Doch ich hatte die Prüfung bestanden. Endlich war ich Teil der BDSM-Polizei, die nun das Internet durchstreift und gnadenlos jeden Verstoss gegen die Vorschriften (hört Ihr, DIE VORSCHRIFTEN) brandmarkt und die Täterinnen und Täter blossstellt. Ok, ich gebe zu - meistens fallen mir die Verstösse auf, wenn eine Frau nicht nach der ersten Nachricht bereit ist, sich von mir ficken zu lassen, oder wenn ein Mann offensichtlich das Glück und die Fähigkeit hat, eine Frau (oder gar mehrere!) für sich einzunehmen, was natürlich nur daran liegt, dass seine Ansprüche zu niedrig sind.
Aber auch dann erkennen mein geschultes Auge und mein geschärfter Geist gnadenlos, warum das Weib oder der “Möchtegern”-Dom eben genau das nicht erreicht, was sie erreichen möchten. Sie verdienen den Titel nicht. Und mein Urteil posaune ich in die Welt hinaus, auf das alle wissen und erkennen, dass ich jetzt dabei bin, bei der BDSM-Polizei.