Helas alle zusammen,
so, als "Betroffene" möchte ich mich auch noch einmal in dieser Diskussion zu Wort melden.
Zunächst möchte ich allerdings sagen, dass ich es ziemlich schade finde, dass ich in einer Gruppe, wo ich gehofft hatte mich mit Gleichgesinnten austauschen zu können, auf die immer gleichen Vorurteile und verbalen Zeigefingertiraden stoße, wie ich sie schon von anderen Mainstream-BDSMlern wirklich zur Genüge kenne. ich erinnere mich daran, dass vor nicht allzulanger Zeit eine sklavin aus diesem Grund nach einem kurzen Stelldichein diese Gruppe verlassen hat. Vielleicht wäre es besser, die Gruppe würde sich umbenennen.
Bei aller Individualität ist es natürlich zweckmäßig, sich auf gewisse Begriffe zur Differenzierung zu einigen.
Daher eben auch die Unterscheidung zwischen 24/7 und TPE in solch einer Diskussion.
meine Ausführungen beschränken sich auf meine Lebensform, die ich am ehesten in die Schublade TPE stecken würde.
###_Vorurteil Nummer 1: Die Beziehung eines Herrn zu seiner sklavin "darf" nicht von Fürsorge und Liebe geprägt sein.
ich greife an dieser Stelle mal zu einem drastischen Vergleich: Ist ein Automobil weniger Eigentum, nur weil es sorgsam gehegt und gepflegt wird? Ist ein Haustier weniger Eigentum, nur weil man sich gut darum kümmert und es gern hat? Beide Fragen lassen sich ja mit einem eindeutigen Nein beantworten.
Zuneigung und Fürsorglichkeit müssen nicht automatisch ein Mangel an Konsequenz bedeuten. Aber an mangelnder Konsequenz seitens des Herren habe ich schon viele Konstellationen mit dauerhaft angelegtem Machtgefälle scheitern sehen. Insofern stellt dies sicherlich ein wichtiges Kriterium dar. Liebe in Kombination mit konsequentem Handeln verträgt sich also wirklich prima mit dieser Lebensform.
###_Vorurteil Nummer 2: Wenn ein Herr auf etwas Rücksicht nimmt, ist es ja kein TPE mehr.
Nicht die Tatsache, dass der Herr etwas bei seinem Handeln berücksichtigt ist hier ausschlaggebend - nein, viel mehr sind es die Motive, warum er dies tut. Wenn ein Herr seine sklavin nicht mitten auf dem Marktplatz nackt auspeitscht hat dies nicht mit mangelnder "Dominanz" zu tun - es ist schlicht und ergreifend einfach klug, so einen Schmarrn nicht zu tun, wenn der Herr die Konsequenzen dieser Situation nicht zu tragen vermag. Wenn der Herr über diese Motive, deretwegen er sein eigentliches Handeln einschränkt, immer noch nach eigenem Gusto entscheiden kann (und sich dabei nicht etwa von Stino-Gesellschaftsregeln à la "aber XY tut man doch nicht" oder der Tatsache, dass seine sklavin aufgrund der Entscheidung eine schlechte Laune haben könnte, einschränken lässt) seh ich seine Macht über die sklavin kein Stück weit beschnitten.
###_Vorurteil Nummer 3: Wenn man sich dazu entschließt, voll und ganz Eigentum zu sein, gibt man ja seinen Verstand automatisch an der Garderobe ab und wird zum unzurechnungsfähigen armen Hascherl.
Ähja, genau.
augenroll - Ganz im Gegenteil, die Tatsache dass man somit nicht mehr nach dem allgemeine Beziehungsschema F lebt und seinen inneren Impulsen nicht mehr einfach so nachgeben darf erfordern ein Vielfaches an Reflexion. Auch erfordert es ein Vielfaches an bewusstem, aufmerksamem Wahrnehmen des eigenen Handelns, um es ggf. immer wieder neu "zu justieren", wenn man sich als sklavin im Geiste wieder zu sehr in alte Stino-Fahrwasser hat drängen lassen. (Das heißt z.B. - in einer Stino-Beziehung geht man ja als Partner davon aus, dass man einen Anspruch darauf hat, zu wissen, wo und mit wem sich der eigene Partner aufhält - in einer Herr/sklavin-Konstellation hingegen hat man als sklavin keinerlei irgendwie geartete "Ansprüche", muss also den Herrn um gewünschte Informationen bitten und gegebenenfalls damit zurechtkommen, wenn man auch mal auf eine Bitte hin keine Antwort erhält)
ich trage sehr oft Kämpfe mit meinem inneren Schweinehund aus - und da mein Herr durchaus sehr zufrieden mit mir ist, scheine ich bei diesen Kämpfen auch sehr erfolgreich zu sein. Ein bewusstes Auseinandersetzen mit den eigenen Bedürfnissen und den Vorgaben des Herrn sowie Disziplin sind unabdingbar für eine sklavin - wäre ich ein armes Hascherl ohne Verstand, würde das alles gar nicht so reibungslos und harmonisch funktionieren, wie es das seit einigen Jahren bereits tut.
Natürlich muss man sich als sklavin darum Gedanken machen, wem man sich da so entgültig unterwerfen möchte - bei den weitreichenden Konsequenzen (wie z.B. bereits angesprochen das Thema Finanzen) die diese Entscheidung für das eigene Leben hat. Dass man sich aber in der Regel nicht leichtfertig jedem dahergelaufenen arbeitslosen Vollhonk vor die Füße wirft dürfte doch dabei aber bitte selbstverständlich sein...
###_Vorurteil Nummer 4: Ihr spielt das alles ja nur! Tut doch nicht so wichtig!
Tu ich wichtig? Ne, ich will eigentlich nur so sein dürfen, wie ich bin. Die sklavin meines Herrn. Ohne andauernd die immer gleichen nervigen Fragen beantworten zu müssen ("Und was wenn dein Herr von dir verlangt, von der Brücke zu springen/dir ein Bein zu amputieren/nur noch nackt und angekettet im Keller zu leben? Machst du das dann auch???") und mit den immer gleichen Vorwürfen konfrontiert zu werden ("Du hast bestimmt 'nen Vaterkomplex.", "Dein Herr hat ja sicher voll das schwache Ego wenn der dich so unterdrücken muss.", "Ihr denkt wohl, ihr wärt was besseres und besonders elitär, weil ihr so rumtut, ihr arroganten Spinner!"). ich lege keinen Wert darauf, dass andere das nachvollziehen können müssen - ich muss ja auch nicht nachvollziehen können warum Leute, die wiederum ganz anders leben als ich es zu tun pflege damit so glücklich sind.
Aber, nur so als Tipp: Es fällt wesentlich leichter sich auf etwas einzulassen und es zu verstehen, wenn man einfach mal zuhört und sich erzählen lässt und nicht irgendwelche Vorwürfe und Vorurteile herumplärrt.
Zumindest hier - der Titel "24/7 BDSM als Lebensstil" suggeriert es mir jedenfalls - möchte ich mich jedoch ein wenig "geschützt" vor solchen Angriffen fühlen. Vielleicht sollten Leute, die der Meinung sind, es sei doch alles "nur" ein großes, inszeniertes Spiel, sich überlegen ob das die richtige Gruppe für sie ist. Das nur als nett gemeinter Denkanstoß.
Warum es für mich kein Spiel ist? Nun, das individuelle mind set ist entscheidend, wie man sich wahrnimmt. Natürlich bin ich mir über die rechtliche Situation in der BRD im Klaren - aber: ich weiß auch, dass es Paragraphen gibt, die eine Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe, des Alters, der sexuellen Orientierung und des Geschlechtes sanktionieren. Nichtsdestotrotz gibt es diese Diskriminierungen real und tatsächlich, weil in den Menschen teils bewusst, größtenteils aber unbewusst nicht die Überzeugungen liegen, dass alle Menschen prinzipiell gleich sind. Nein, auch da tragen die Menschen hierzulande, ganz gleich ob sie es wollen und ob sie wissen, dass es gegen gängige moralische Prinzipien verstößt, Einstellungen mit sich herum, mit denen sie beispielsweise Menschen mit dunkler Hautfarbe oder homosexueller Orientierung benachteiligen.
Übertragen auf meine Situation: Natürlich bin ich mir objektiv bewusst darüber, dass niemand mich einfach so festhalten darf, dass ich jemanden anzeigen kann, wenn er mich schlägt. Aber als sklavin bin ich der tiefen und festen Überzeugung, dass mein Herr mich sehr wohl auch gegen meinen Willen festhalten darf und dass Er mit mir sowieso anstellen kann, was immer Er möchte. Auch in einer möglichen Extremsituation. Punkt. Wo wir schon beim nächsten Vorurteil wären.
###_Vorurteil Nummer 5: Extreme Eingriffe in das Leben des Untergebenen sind
das Kriterium für TPE.
Klar. Woran erkennt man eine "richtige sklavin" (TM)? Natürlich an den amputierten Gliedmaßen, dem abgebrochenen Studium und den Narben an der Seite des Kopfes von der kürzlich durchgeführten Lobotomie.
Klingt lustig? So einen Käse habe ich schon desöfteren gehört. Dabei weiß jeder, der in so einem dauerhaften Machtgefälle lebt, dass das Entscheidende in dieser Lebensform die vielen kleinen alltäglichen Dinge sind, die den Herrn so erfreuen, die aber auch Kraft kosten.
ich hatte gerade den Kampf mit dem inneren Schweinehund angesprochen - nach einer kurzen Nacht, die man auf dem Boden geschlafen hat, sehr früh aufzustehen, in die Kälte hinauszutreten und frische Brötchen zu holen, ein Frühstück zubereiten und egal wie hungrig man gerade ist zu warten, bis der Herr an den Tisch gekommen ist und selbst mit dem Essen begonnen hat, Knien zu bleiben auch wenns grad sakrisch wehtut und man viel lieber herumspringen möcht, auch bei kleinen Dingen immer noch demütig zu fragen und nicht zu fordern...alle diese kleinen Dinge sind es, die das Machtverhältnis zeigen, die die innere Haltung der sklavin nach außen tragen.
Ein großer teurer Titanreif mit Gedöhns um den Hals einer Sub ist's hingegen ganz sicher nicht, auch wenn viele das leider irrtümlich zu glauben scheinen und diese schöne Symbolik für eine bedeutungsschwangere semiotische Anreicherung ihrer Spielbeziehung meinen zu brauchen. (Viel mehr auch, seitdem durch die weltweite Vernetzung solcherlei "Devotionalien" sehr leicht auch der Allgemeinheit zugänglich sind; da muss ich zustimmen dass das dazu beigetragen hat, dass viele solcher Zeichen an Bedeutung verloren haben und zur Requisite verkommen)
###_Vorurteil Nummer 6: Sowas lässt sich ja gar nicht mit dem Alltag vereinbaren. Ha! Es ist halt doch nur ein Spiel, was ihr da betreibt.
Woher auch immer diese komische Vorstellung herkommt, dass TPE eine einzige große lebenslange BDSM-Session wär. Natürlich renn ich nicht im O-Kleid einkaufen und werde jeden Tag mit Kerzenwachs beträufelt. Wie schon unter #5 erklärt, macht das sklavinnensein vor allem eine innere Haltung aus, die durch bestimmte Handlungen Ausdruck findet. Handlungen, die darauf abzielen, das Leben des Herrn so angenehm wie möglich zu machen und Ihm stets zu zeigen, dass Sein Wille wichtiger ist als der eigene und dass der eigene Herr eben immer an erster Stelle der Prioritätenliste steht.
ich sehe da durchaus viele Parallelen zu eher konservativen Beziehungsformen die unter dem Betriff 1950s Houshold subsummiert werden.
ich kenne übrigens mittlerweile eine ganze Reihe solcher Konstellationen mit einem absoluten Machtgefälle, die seit Jahren ganz hervorragend funktionieren - und jaaa, auch mit Kindern (weiß der Geier warum manche Überbesorgten da gleich wieder mit Worst-Case-Szenarien daherkommen müssen...). Diese Leute haben einfach nur keine Lust mehr auf irgendeine Form von Austausch innerhalb der "BDSM-Szene" weil sie den immer gleichen, nervigen Vorurteilen und Angriffen einfach überdrüssig geworden sind. Also ziehen sie sich zurück - und man hört nix mehr von ihnen ...und könnte dann dem Fehlschluss erliegen, dass es solche glücklichen, funktionierenden Konstellationen ja am Ende gar nicht gäb.
Beste Grüße,
nana
//Offtopic: Egal ob E-Mail, Forenbeitrag, Mailingliste oder sonstiges - im Internet gibt es eine gewisse Netiquette, die jedermann dazu aufruft, auf die Lesbarkeit seiner schriftlichen Ergüsse zu achten. Das schließt eine ordentliche Groß- und Kleinschreibung, Rechtschreibung und korrekte Grammatik sowie den sinnvollen Einsatz von Elementen zur Textgliederung mitein. Wer das aus irgendeinem Grund nicht ad hoc beherrscht, der kann prima seinen Text erst einmal in ein Textverarbeitungsprogramm einfügen und da einmal durch die Rechtschreibprüfung laufen lassen. Daneben gibt es für verschiedene Browser auch noch zusätzliche Programme, die das direkt im eigentlichen Fenster erledigen. Wer diese technischen Möglichkeiten nicht nutzt muss sich den Vorwurf eben gefallen lassen, dass er eine Rechtschreibung hat, vor der's, wie man so schön sagt, einer Sau graust.