Ich hatte auch nie so wirklich verstanden, was denn nun der Reiz beim Bondage sein soll. D/s ja, sehr gern; S/M zunehmend ebenfalls – nur zu B/D hatte ich nie einen echten Zugang gefunden. Zwar mag ich ebenfalls das Gefühl
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des Sinnesentzug und ausgeliefert sein (Augenbinde / Handschellen usw.)
– aber wieso unhandliche Seile, die man erst mühsam zu beherrschen lernen muss, da interessanter sein sollten als ein paar praktische Manschetten, hatte sich mir nicht erschlossen. Zumal die ersten Fesselversuche in die Richtung (u. a. ein Kurs mit meinem Ex zusammen, der zwar mich fesseln sollte, aber wo es darauf hinauslief, dass ich die Fesselung überwachte und anleitete) zu sehr auf der technischen Seite verblieben, um sie wirklich als erotisch zu erleben.
Trotzdem war ich willens und neugierig, es auszuprobieren.
Und ich fand tatsächlich einen Meister des Shibari und durfte erleben, wie es sich anfühlen kann.
Erotik von Anfang an. Von der Stimmung – Kerzenlicht und gedämpfte Musik – über seine Art, mich zu berühren – abwechselnd entschieden und zärtlich, mit viel Körperkontakt – hin zum Anlegen der Seile, die mich an unzähligen Stellen umschlossen, sich kratzend auf meine Haut legten, mir das Atmen erschwerten, die Bewegungsfreiheit raubten, mir Halt gaben, mich kontrollierten und mich zunehmend in Trance versetzten.
Nach ein paar Fesselsessions mehr kann ich feststellen, dass Bondage bzw. Shibari, auf diese Art eingesetzt, für mich tatsächlich BDSM ist – und zwar als Selbstzweck. Während das einfache Fixiertsein eher Mittel zum Zweck ist, gelingt es mir durch den Prozess des Fesselns allein, mich fallen zu lassen und mich auch mental hinzugeben und auszuliefern. Besonders, wenn mehrere Fesselungen aufeinander folgen, wird diese mentale Hingabe und Trance mit jedem Mal stärker, und es dauert immer länger, danach wieder "hochzutauchen". Auch reichen danach immer weniger Seile; nach einer Ganzkörperfesselung und evtl. Suspension kann auch ein Seil um die Handgelenke reichen, um mich in demselben Zustand zu bewahren.
Und während ich normalerweise starke psychische Dominanz vonseiten des Top brauche, damit meine masochistische Ader erwacht, habe ich festgestellt, dass die Seile die gleiche Macht haben: Gefesselt werde ich schmerzgeil und gehe deutlich über den Punkt hinaus, an dem ich unter anderen Umständen – z. B. bei "normaler" Fixierung ohne die starke mentale Dominanz – den Schmerz als so unangenehm empfinde, dass ich abbreche. Es ist eine ganz eigene Art von Hingabe, in fast völliger Passivität … aber dennoch oder gerade deswegen äußerst reizvoll, und ich bin sehr dankbar, diese Erfahrung zu kennen!
Übrigens bin ich mir sicher, dass dieses Fallenlassen in die Seile leicht konditioniert werden kann, so dass mit ein wenig Erfahrung der Trancezustand immer schneller eintritt und evtl. das gleiche oder ein ähnliches Gefühl auch bei Selbstfesselung entstehen kann – dabei fehlt zwar das Gegenüber, aber die Berührung durch die Seile ist dennoch gegeben.
Und natürlich darf man nicht vergessen, dass zum Shibari einfach sehr viel Technik gehört und diese durchaus auch des Öfteren als Selbstzweck praktiziert wird – einfach als Fingerübung, oder um sich an der Ästhetik des Resultats zu erfreuen. Das kann auch in einem Club vorgeführt werden, so wie du es beschreibst, gerade weil eine Hängebondage doch recht spektakulär aussehen kann