Erstmal danke für die Eröffnung des Themas, ich wollte es (etwas ähnlich) ja auch eröffnen, hatte es gestern aber nicht mehr geschafft ...
Und dann mal zum Thema: Mit einem Burnout ist ein Absturz nicht vergleichbar. Nicht, weil die Symptome sich nicht ähneln würden (das tun sie), sondern weil ein Burnout das Ergebnis eines langsamen, schleichenden Prozesses ist. Du hast nicht von heute auf morgen einen Burnout. Oder, um das Kind mal beim Namen zu nennen, eine Depression. Es baut sich auf, und wenn es zu spät ist, wenn die Psyche aus dem Gleichgewicht ist, und zwar nachhaltig, erst
dann ist es ein Burnout.
Ein Absturz ist etwas anderes! Er ist Ergebnis auf ein konkretes Ereignis. Das Wort gibt uns da bereits die richtige Richtung vor: Wo man abstürzen kann, muss man vorher weiter oben gewesen sein. Die meisten Abstürze geschehen tatsächlich nach Höhenflügen! Das Landen gelingt da nicht adäquat.
Dabei unterscheide ich selbst von verschiedenen Arten von Abstürzen:
1. Der schlimmste: Ein Trauma wird in der Session entdeckt oder aufgedeckt. Folge: (Meist) Sub stürzt ab. Zeigt sich in Heulattacken, in komplettem Zusammenbruch. Kann unabsichtlich geschehen, wenn etwas Neues ausprobiert wurde und dieses Neue beispielsweise etwas Verdrängtes offenlegt.
Geschieht so etwas, rate ich dringend, sich um einen Therapeuten zu bemühen! Nicht des Absturzes wegen, sondern um das Trauma aufzuarbeiten.
Wird eher selten vorkommen, ich hoffe dann doch, dass nicht so viele von uns verdrängte (!) traumatische Erlebnisse mit uns herumschleppen.
Verhindern lassen sich diese Abstürze übrigens nicht. Da Sub (oder auch Top) von dem Trauma gar nichts (mehr) weiß, kann auch nicht vorgewarnt werden.
2. Der Absturz nach einem Höhenflug. Der ist ziemlich alltäglich und kann immer mal passieren. Viele werden es kennen, dass sie nach einem richtig schönen Urlaub danach erstmal "leer" sind und gar nicht richtig im Alltag ankommen. Ähnlich dann nach einer richtig guten Session: Jetzt noch voller Glückshormone vollgepumpt, im nächsten Augenblick erfolgt der "Realitätsschock", der hauptsächlich in der Erkenntnis besteht, dass dieser Glücksmoment vorbei ist.
Dieser Moment wird oft als intensiver Moment der Einsamkeit empfunden.
Beheben lässt sich dies relativ einfach. Indem dem Abgestürzten dieses Gefühl genommen wird. Top (oder auch Sub) ist da für Sub in diesem Moment, ist fürsorglich, kümmert sich. Das gilt auch, falls dieser Absturz erst ein oder zwei Tage später geschieht. Man sollte genau deswegen für Sub so gut es denn geht erreichbar sein, um darüber noch einmal reden und Sub "erden" zu können. Ein "ich bin da, auch wenn ich gerade nicht physisch da bin" als Message kann bereits genügen.
Genau hier versagen viele Doms. Sie denken, einmal kurz in den Arm nehmen und gut ist. Da die Endorphine aber erst langsam wieder aus dem Körper verschwinden, kann diese Art von Absturz auch erst Stunden, oder gar Tage, später geschehen. Wenn Dom dann nicht da ist, ist es für Sub so grauenhaft, dass es auch als traumatisch empfunden werden kann. Das kann das D/s-Verhältnis nachhaltig beschädigen.
3. Absturz aus Überforderung. Will heißen: Ein "Overload", eine Reizüberflutung. Diese Art von Absturz geschieht nahezu immer spontan und sofort.
Es ist der am schwierigsten zu erkennende. Denn Tränen können auch kommen, weil alles so schön ist, so intensiv, Sub glücklich ist, endlich die eigenen Grenzen überwunden zu haben. Diese Tränen sind kaum von echten Tränen aus echter Überforderung zu unterscheiden. Und: Sub ist in der Regel in diesem Moment gar nicht mehr fähig, das Safewort zu nennen.
Da auch bei Glückstränen Top sein/e / ihre Sub danach meist auffängt, ist dies gleichzeitig aber auch der am wenigsten brisante. Es wird nur kritisch, wenn Dom diese Reaktionen komplett egal ist und so eine "stell dich nicht so an, das hier ist SM und kein Streichelzoo"-Attitüde hat. Dann folgt der zweite Absturz gleich auf dem Fuß, der aus 2., und dann ist gleich alles vorbei. Wenn Dom dann immer noch nicht merkt, dass gerade etwas gewaltig schief läuft, dann weiß ich auch nicht.
Allen Abstürzen ist gemein, dass ein intensives Auffangen sofort den akuten Schmerz mindert. Je nachdem, welcher Art der Absturz war, gilt es im Anschluss dann zu reagieren: Bei 1. wird es am aufwändigsten (Therapie suchen), bei 2. ist vor allem wichtig, der abgestürzten Person zu signalisieren, dass man für diese da ist, ihr beisteht, bei 3. ist ein sofortiger Abbruch und ein sich Kümmern um die abgestürzte Person das Effektivste.
Auf welche Art aufgefangen wird, ist dann auch noch sehr individuell. Das klärt man am besten vor der Session, wie Sub sich am besten aufgefangen fühlt. Manche möchten beispielsweise in diesen Momenten gar nicht berührt werden! Andere umso mehr. Die Möglichkeiten reichen von "Fenster aufreißen und erstmal eine gemeinsam rauchen" über "warmen Tee machen und in die heiße Badewanne packen" bis hin zu "Kuscheln extrem" ... und vieles mehr. Ein gemeinsamer Spaziergang (Bewegung!) kann genauso helfen wie Ablenkung aller Art, etwa alberne Witze reißen. Küssen kann genauso helfen wie (bei Entfernung) stundenlanges Telefonieren und reden über tausend Banalitäten.
Das ist genauso individuell, wie wir Menschen es sind.