Der Weg als Ziel
In meinem Weltbild gab es einst nur Schwarz und Weiß, gut und böse, richtig und falsch.
Von klein auf wollte ich immer stark sein (innerlich wie äußerlich), den Schwachen helfen, und selbstverständlich nur Gutes tun.
Als pubertierender Jugendlicher kam ich dann das erste Mal mit einem Porno in Kontakt, der einen sadomasochistischen Einschlag hatte und das Thema "Lederfetisch" verband. Der Französische Streifen hieß "Schwarzes Leder" - und ich könnte heute noch jedes Detail seiner Handlung erzählen, obwohl ich ihn nur ein einziges Mal sah, und das auch noch vor 25 Jahren...
Seit dem fiel es mir immer mehr auf, dass mir besonders die Pornos in Erinnerung blieben, die in Richtung D/s gingen. Aber was hatte das mit meinem Real-Leben zu tun?
Ich wollte doch selbst immer nur Gutes tun, und Frauen zu schlagen schloss sich da von vorn herein aus - selbst wenn sie es gewollt hätten, ich hätte es nie und nimmer machen können. "Nur psychopathische Brutalos ohne Hirn und Schwanz müssen sich so abreagieren", dachte ich.
Erst seit ca. 2 Jahren wandelt sich mein Selbst- und damit auch mein Weltbild. Durch die Nachricht des Todes meines Vaters, den ich 20 Jahre nicht mehr gesehen oder gesprochen hatte, brachen innerliche Konflikte aus, die bis dahin in mir gegoren hatten, die ich aber sorgsam in ein tiefes emotionales Kellergewölbe eingesperrt hatte, um ja nichts davon meine "heile Welt" kaputt machen zu lassen.
Und dann kam alles zum Vorschein...
Ich bemerkte, dass ich mich die ganze Zeit selbst belogen hatte. Ja, ich war "gut", aber es gab auch etwas aggressives, dunkles in mir, ein zutiefst sexuelles Tier, dessen Existenz ich deswegen vor allem vor mir selbst leugnete, weil es meine nicht eben soziakompatible Gelüste offen zu Tage förderte und sie auch unbedingt ausleben wollte.
Ich begann nun, eine Geschichte der Weltliteratur plötzlich mit ganz anderen Augen zu sehen: Jekyll und Hyde waren plötzlich zum greifen nah. Und ich begriff, dass der Autor - R.L. Stevenson - GANZ genau wusste, worüber er schrieb - über das Tier in ihm selbst, welches drohte, seine heile Welt zu zerstören, wenn er nicht lernt, es zu beherrschen.
Doch musste ich das überhaupt? 40 Jahre lang habe ich es beherrscht, es weggesperrt, es geleugnet - mit dem Resultat, dass es heute deutlicher und präsenter ist als jemals zuvor.
Seit dem ich es ganz bewusst an die Leine nehme und mit ihm "Gassi" gehe, befinde ich mich auf einem immer noch andauernden Prozess der Selbstfindung, der mich zu einem freien, erfüllteren Leben führt.
Und ich begreife etwas eigentlich unbegreifliches: Es ist keineswegs NICHT sozialkompatibel, eine aggressive Sexualität mit sadistischem Einschlag zu haben. Im Gegenteil: Dieser mir zuvor von Kirchen und der Gesellschaft als "Defekt" verkaufte persönliche Charakterzug ist eine Quelle für absolut außergewöhnliche Lust bei devot-masochistischen Frauen!
Seit dieser überraschenden Erfahrung lebe ich meine Passionen - und möchte sie nicht mehr missen. Denn ich weiß, dass dies nicht nur mich selbst erfüllt, sondern auch andere glücklich macht.
Und das ist schließlich das, was ich schon immer wollte....
Fahrenheit 451