Tropfen, die vom Himmel fallen
Es beginnt zu regnen. Es tröpfelt auf die Dachfenster, erst vorsichtig und leise, dann immer lauter.
Ich liege auf meinem Bett, eingekuschelt in eine warme Decke, denn mir ist kalt. Es ist nicht die Kälte, die von außen in einen dringt, sondern mir ist innerlich kalt. Meine Seele ist kalt, denn ich bin gefallen. Von einem Gefühl, dass sich wie Fliegen anfühlt, völlig frei und wunderbar bin ich haltlos herabgefallen, wie ein Regentropfen, der vom Himmel fällt.
Mal kommt der Regen plötzlich und stark, mal kündigt er sich ganz leicht und vorsichtig an, manchmal dauert er länger, mal ist es nur ein kurzer Schauer, der schnell vorüber ist und dann wieder hält er tagelang an.
Aber immer verändert sich die Welt um uns herum.
Ich kann nicht greifen, wann mein Tropfen sich gelöst hat, wann dieses miese Gefühl des Zweifelns angefangen hat oder wodurch ausgelöst wurde, dass ich mich so unfassbar alleine fühle.
Eben noch war alles in Ordnung. Ich habe mich verbunden gefühlt, als ob alles möglich wäre und im nächsten Moment ist es, als würde sich eine dicke Wolke vor all diese schönen Erin-nerungen und Gefühle schieben und diese so verdecken, als wären sie nie dagewesen.
Es wird dunkel, es wird kalt und plötzlich fühle ich mich haltlos. Ohne die Verbindung, die mich hält, fange ich an zu straucheln und stürze in die Tiefe herab.
Tränen laufen mir über das Gesicht, während ich dem gleichmäßigen prasseln des Regens zuhöre, als würde er versuchen mich zu beruhigen und mir zu zeigen, dass ich nicht allein bin.
Du kannst nicht ewig im Himmel lachend in der Sonne auf Wolken tanzen, denke ich.
Regen gehört zum Leben dazu.
Aber warum ist es dann so schwer dieses Gefühl auszuhalten?
Weil eben noch alles in Ordnung war empfinde ich es als unfair, plötzlich Forderungen zu stellen, für die ich doch eigentlich keinen Grund habe.
Als wäre es etwas, das mir nicht zusteht. Mein Bedürfnis nach Nähe und Sicherheit ist echt, aber ich fühle mich falsch damit, als wäre es mein Problem, mit dem ich allein klarkommen muss.
Ich will mich nicht so fühlen. Ich hasse das, denn eigentlich gibt es keinen Grund das ich den Halt verliere und doch gibt es ohne Halt keinen anderen Weg als abwärts.
Ich ziehe mich zurück und verkrieche mich, denn in diesen Momenten bin ich unfassbar ver-letzlich, wie ein Tropfen, der nicht mehr da ist, wenn er erst auf dem Boden aufgekommen ist.
Als hätte er wieder mal eine Antenne für mein Gefühlschaos, klingelt mein Telefon. Ich versuche noch meine Stimme zu festigen, bevor ich "Hallo" flüstere, aber natürlich merkt er sofort, dass etwas nicht stimmt.
"Was ist los?"höre ich seine vertraute Stimme durchs Telefon sagen.
"Ich ... Ich weiß nicht. Ich... fühle mich allein und einsam und weiß nichts mehr. Alles fühlt sich falsch und nicht richtig an und... "
"Stopp!" sagt er nun harsch.
Ich wusste doch, ich habe etwas falsch gemacht denke ich noch kurz, bevor ich ihn sagen höre: "Du weißt doch, dass ich da bin. IMMER. Du bist gefallen und ich konnte dich nicht hal-ten, weil du nichts gesagt hast. Du musst mit mir reden, bevor du fällst, das weißt du doch. Ich glaube, wir müssen nächstes Mal früher miteinander sprechen und du musst lernen, mit mir über deine Gefühle zu reden, verdammt."
Ja, ich wusste das - irgendwie... Aber so einfach war es nicht. Es geht manchmal einfach so schnell und ich nahm mich und meine Bedürfnisse oft nicht wichtig genug, als das ich den Wetterumschwung bemerken würde oder gar kommunizieren könnte.
Wie ein Sonnenstrahl, der sich durch die dichte Wolkendecke kämpft und den Erdboden erreicht, wärmt seine Stimme mit den wenigen Worten meine Seele. Meine Tränen trocknen und ich höre, dass es aufhört zu regnen.
Mehr Worte braucht es für diesen Moment nicht. Das Gefühl, dass er da ist reicht aus, um mich aufzufangen, bevor ich auf dem Erdboden in viele Teile zerspringe.