Toskanisches Gemäuer: Halte-Stelle
Mitten in der toskanischen Altstadt von Montepulciano, dessen Häuser rund um einen Hügel angelegt worden waren, liefen Eva und ich die sich beinahe kreisförmig immer weiter hochschraubenden und enger werdenden Gassen hoch. Sie führten zum zentralen Platz mit kleiner Kathedrale und dem Rathaus, Turm inklusive. Als würde sich eine Schlinge langsam um ein erotisches Opfer dunkler Machenschaften zuziehen, bis man am Ende die zentrale Macht vollends erobert hat und zum heiligen Gral der Begierde gelangt.So wirklich weit weg von der Realität war dieses Gleichnis gar nicht: Eine Besonderheit der Gassen bestand nämlich darin, dass sie eine grosse Anzahl in die Wände eingelassener Metallringe aufwiesen, an denen vor vielen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten Pferde festgemacht werden konnten. Und Eva war Reiterin. Die Gedanken, die Wärme, der Ort mit seinem leicht modrigen Duft von altem Gemäuer – all das nährte das Füllhorn meiner Fantasie, das sich nun über das Hier und Jetzt ergiessen sollte.
Immer, wenn es zu seriösem Spiel mit Eva kommen sollte, kam die Erinnerung an unser Kennenlernen hoch, ein Date mit Vorzeichen, die im Unterschied zu vielen anderen nur schemenhaft zu erkennen waren. Natürlich war der Kontext der speziellen Vorlieben im Raum, und es fand in einem labyrinthisch wirkenden Gastronomiebetrieb statt, bei dem man sich lebhaft vorstellen konnte, gleich um die Ecke eine dunkle Ecke zu finden, wo man dem inneren Herrscher der Finsternis freien Lauf lassen könnte. Wenn die anderen Gäste hätten ahnen können, was der Auslöser unseres Treffens war! Der Gedanke belustigte mich.
Dennoch: Unser Gespräch verlief harmlos. Aber dann kam dieser Moment, er konnte kaum mehr als zwei, drei Sekunden gedauert haben, in dem sich unsere Augen auf eine unvergessliche Art und Weise trafen. Als hätte sich mein Blick mit ihrem verhakt, einen tiefen Zugang zu ihrer Seele gefunden und diese hätte auf magische Weise geantwortet. Wie eine Insel war dieser Moment, nichts aus unserer Unterhaltung vorher oder nachher deutete darauf hin. So seltsam es war: Die Oberflächlichkeit unseres Gesprächs passte nicht zu dieser Tiefe, die diesem kurzen Moment innewohnte.
Meine Faszination für ihre grünlichen, kaleidoskop-artigen Augen blieb, und am Ende kam es mit uns so, wie ich es geahnt hatte. Nun war Eva hier mit mir, umgeben von toskanischem Gemäuer.
Ihr Sommerkleid, dunkelblau mit weissen, blumenförmigen Mustern, betonte ihre Figur perfekt. Sie hatte geschlossene, grauen Riemchen-Heels aus Wildleder an ihren Füssen. Eine modische Sonnenbrille verbarg ihre Gefühlslage, allerdings nur für andere: Zu gut kannte ich sie, um die leichte Unsicherheit nicht zu spüren, die an ihr nagte. Die Balance zwischen dem sicheren aufgehoben sein im Schutz ihres Herrn und seinen zuweilen hart zu verdauenden kleinen Perversitäten, die ihre Schamröte auf unkontrollierbare Weise ins Gesicht schiessen liessen, war ein ständiger Akt auf dem Tanzseil, den sie nicht kontrollierte. Wie sehr ich das genoss!
Eva musste ahnen – nein, ich bin sicher, sie wusste es -, dass ich mir auch für heute wieder etwas ausgedacht hatte. In einer der Gassen, die weniger frequentiert waren, stoppte ich unseren Spaziergang. „Es ist Zeit, dass Du die Sonnenbrille wechselst. Gib mir Deine.“ Verdutzt folgte sie meiner Anweisung und staunte nicht schlecht, als ich ihr einen Ersatz dafür präsentierte: Es handelte sich um eine sportliche Sonnenbrille in gebogener Form, mit sehr dunklen Gläsern. Doch erst, als sie sie aufgesetzt hatte, realisierte sie, wie dunkel: Sie blockierten nicht nur grelles Sonnenlicht, sondern jegliches Licht! Mit ihr war sie blind.
„Hier, halte Dich an diesem Metallring an der Wand fest, damit Du nicht fällst.“ Vorsichtig tastete sie danach. „Und nun: Zieh Deinen Slip aus und zieh das Kleid so hoch, dass ich Deine Brüste sehen kann.“
Evas Körper begann zu beben, ihr Puls raste so sehr, dass er auch ohne Berührung nicht zu verbergen war. Hier, in der Öffentlichkeit, ohne zu wissen, ob und wer zuschauen würde, sowas zu tun… wie dreist war diese Anforderung?
„Mein Herr, ich…“ stammelte sie. „Die Antwort auf Deinen Einwand ist: Nein.“ antwortete ich ruhig.
Die Überwindung, die Eva die Umsetzung des Befehls kostete, war augenscheinlich immens. Nicht genau zu lokalisierende Schritte von Bewohnern oder Touristen, ihre Ahnungslosigkeit, ob deren Blicke auf sie gerichtet sind, der fremde Ort – alles brachte meine wunderschöne Sub in eine seltsame Zwischenwelt: Ein Zustand, in dem die Vernunft von Lust langsam verdrängt wird, sich zwar noch tapfer wehrt, aber schliesslich immer mehr eingehüllt wird wie von einem dunklen, schwarzen Tuch, Schicht um Schicht, bis sie sich vollends ergibt und verstummt.
Plötzlich, als wäre sie von einem Blitz getroffen, ergab sie sich ihrem Schicksal, griff unter ihr Kleid, zog ihren Slip über Knie und Schuhe und warf ihn verächtlich weg, als wollte sie mich mit dieser Geste provozieren. Dann, ganz scheu, zeigte sie mir ihren blanken Busen.
„Brav!“ lobte ich sie.
Sie wusste genau, dass dies hier nicht das Ende meiner Aktion war, sondern erst der Beginn. Ich drehte ihren Körper gegen die Wand, nahm ihre beiden Handgelenke und Sekunden später klickten die durch das metallene O geführten Handschellen.
Es war das letzte, was sie von mir hörte. Denn jetzt liess ich sie warten.
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Fortsetzung folgt, wenn ihr brav seid
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gangleader / Oliver G. Wolff 2023