Jetzt muss ich doch auch noch meine Meinung zu dem Buch loswerden, das hier sehr kontrovers diskutiert wird. Ich schicke mal vorweg, dass ich ein Mann in ziemlich fortgeschrittenem Alter bin, würde mich nie einen Dom nennen, habe aber durchaus ein paar Neigungen in dieser Richtung.
Ich habe alle drei Bände gelesen, kenne aber nicht die deutsche Version. Die wollte ich mir nicht antun. Erstens ist sie zu teuer und zweitens habe ich den Verdacht, dass das Buch in deutscher Übersetzung sehr viel von seinen Reizen verliert. Ich fürchte, das ist so wie wenn man im Western John Wayne in deutscher Synchronisation hört. Für mich schwer zu ertragen (ich habe das Glück, 27 Jahre im englischsprachigen Ausland gelebt zu haben).
Für mich lag der Reiz des Buchs nämlich zum grossen Teil in den sehr witzigen und geistreichen Dialogen und dem Emailaustausch zwischen den "Helden" Anastasia Steele und Christian Grey.
Genervt haben mich zunächst deutsche Rezensionen, manchmal von Kritikern, die nicht einmal den ersten deutschen Band zuende gelesen hatte, die nicht oft genug betonen konnten, dass das Buch literarisch minderwertig ist. OK. Stimmt auch. Aber wer hat schon einen Beitrag zur Weltliteratur erwartet?
Der Plot erinnert an den Film
Pretty Woman, eben ein reines Märchen, das unrealistischer nicht sein könnte. Die ewigen und repetitiven Mega-Orgasmen werden zum grössten Teil schnell langweilig und der dritte Band kann sich hauptsächlich durch seine Krimi-Effekte am Leben erhalten.
Wer vermutet oder hier behauptet, Christian Grey würde "geheilt" liegt aber falsch. Er lernt nur, seine SM-Neigungen in die grosse Liebe zu Anastasia einzufügen. Und sie haben beide weiter sehr viel Spass an ihrem nicht ganz vanilla-artigen Sex.
Das Buch ist ein absolut unrealistischer Liebesroman mit ein bisschen selbstgestrickter Psychologie - wahre Liebe heilt die seelischen Wunden, die dem Helden in seiner Kindheit zugefügt wurden.
Ich finde es aber immerhin positiv, dass das Buch BDSM-Neigungen nicht dämonisiert oder den moralischen Zeigefinger darauf richtet. Und dass die anfangs so naive und unerfahrene Heldin sich zu einer relativ emanzipierten und selbstsicher auftretenden Frau wandelt, ist ja auch kein Fehler, finde ich.
Der Reizfaktor beim Lesen der Sexszenen lässt schnell nach (zumindest bei mir). Aber trotzdem fand ich das Buch sehr unterhaltsam.