Die Fragen wurden zwar tatsächlich schon zig mal gestellt, aber selten so strukturiert, also kann ich es (für meine Verhältnisse) kurz machen
1) Wo beginnt BDSM?
Für mich dort, wo allein aus "sexueller Experimentierfreude" heraus Lust entsteht / entstanden ist.
Will heißen dass auch ein reines Augen verbinden schon SM sein kann! Dann wenn nicht der Sex danach/dabei die Lust entstehen lässt sondern sich alleine durch das Verbinden der Augen schon Lust einstellt.
Wahlweise auch, dass aus einer Situation von Macht/Ohnmacht heraus Lust angefacht wird.
Das bedeutet dass auch schon das Zusammensein mit einem Macho vor dem Herrn im Kopf bereits BDSM sein kann: Wenn er im Wohnzimmer "hey Miststück, hol mir ein Bier, aber zackig!" sagt und dich das komischerweise geil macht, dann ist es für dich schon BDSM. Für ihn nicht zwingend ...
2) Wie definiere ich überhaupt BDSM?
Siehe Wikipedia. Ich selbst definiere es für mich so, dass beiderseits ein Machtgefälle in irgend einer Form spürbar und gewollt ist und erst dann BDSM reale Formen annimmt.
So kann Bondage dann prompt kein BDSM für mich sein, wenn es rein um die Ästhetik geht und darum, dass sich der/die Gefesselte in den Fesseln einfach nur wohl fühlt, erst recht wenn beide in jenem Moment auch gar keine Lust dabei empfinden.
3) Wann bin ich dominant? Wann bin ich devot?
Dominant: Dann wenn dich Macht anmacht und du diese jemandem in sexuellem Kontext aufdrücken möchtest, bzw. kannst.
Bedeutet dass ein machtgeiler Chef nicht im BDSM-Sinne dominant ist. Er ist dann vielleicht alltagsdominant, falls er aber nicht auch spitz wird, ist's für ihn dann kein BDSM im Kopf. Es fehlt der sexuelle Kontext.
Devot: Dasselbe, nur umgekehrt
3a) Und was sind eigentlich "Switcher"? Ist das wie im bisexuellen Bereich die Leute, von denen die, die sich für eine "Seite" entschieden haben dann sagen "Die können sich nicht entscheiden!"?
Kann man auch fast Bücher mit füllen, ich mache es kurz: Wie bisexuelle Leute entscheiden sie sich sehr wohl. Sie empfinden häufig gegenüber bestimmten Personen unterwürfige Gefühle und gegenüber anderen dominante. Frauen unter den Switchern geben häufig an dass sie sich gegenüber Männern unterwürfig fühlen, gegenüber Frauen das genaue Gegenteil. Da trifft dann bi auf Switcher.
4) Stehe ich auf BDSM, wenn ich nicht auf Schläge stehe?
Siehe oben, wenn ein Machtgefälle da ist ...
Wenn dich beispielsweise alleine ein Befehl von IHM dich schon spitz macht, reicht das dafür schon.
Gibt derer haufenweise anderer Beispiele
Lustschmerz wird von den Medien gerne als einzige Komponente von BDSM "verkauft". In Wirklichkeit ist der Anteil davon im "Haus BDSM" gar nicht mal so groß. Ich tippe mal auf "höchstens jeder Zweite".
5) Bin ich in der Gruppe richtig?
Alleine die Tatsache dass du dir um den Kram hier Gedanken machst zeigt doch bereits, dass du hier richtig bist. Gerade in einer Anfängergruppe sind nicht nur jene wichtig die Antworten haben sondern auch jene die neugierig sind und die Fragen stellen
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Und ganz kurz noch einmal zum Schluss: Die Grenzen sind tatsächlich sehr fließend. Mein Beispiel "Bondage braucht noch nicht SM zu sein" da oben etwa: Zwei treffen sich zum Knotenüben, es geht um reine Technik, da scheint SM so weit weg zu sein wie der Neptun im Sonnensystem von der Erde. Auf einmal entsteht Lust, weil ein Knoten durch die Klitoris gezogen wird und dies Lustgefühle weckt. Was ist es dann, schon BDSM oder noch nicht? Schwer zu sagen! Wenn dieser Moment
beide anmacht und der Fesselnde damit anfängt zu spielen, dann sind möglicherweise in nullkommanix beide in einer BDSM-Session, ohne es jemals vorgehabt zu haben ...
Die Kernfrage ist darum: Wo wohnt für dich die Lust? Macht dich ein Foto eines Mannes spitz weil er so einen schönen Körper hat oder weil er durch den Anzug in dem er steckt Macht ausstrahlt? Wird es dir ganz anders wenn dir nur mal die Hände kurz zusammengebunden werden?
Ich habe mal unbewusst mit einer Frau in einem Laden geflirtet (in dem auch SM-Utensilien rumhingen), mit ihr über eine Party geredet, die im Straßenzug direkt gegenüber stattfand. Sie sagte dann unvermittelt "Ok, ich habe um ... Uhr Feierabend, du holst mich dann ab.", als würden wir das schon jahrelang so machen. Da zog es bei mir zwischen den Beinen, ob dieses Machtanspruchs, den sie damit offenbarte: Ich sage was du tust, du machst es, basta.
Sie wusste es in dem Moment, ich wusste es was sie damit meint. Mit meinem "Ja, mache ich" waren wir schon mittendrin im "Spiel".
BDSM kann manchmal so einfach sein