Hallo zusammen,
das Thema ist komplex und beinhaltet verschiedene Facetten. Schon der Titel "Orgasmus-/Selbstbefriedigungsverbot" vermengt die Selbstbefriedigung mit dem Orgasmus. Im englischsprachigen Raum scheint das Thema länger und weiter verbreitet zu sein als bei uns. Orgasm Denial oder Tease & Denial sind gängige Spielarten im BDSM-Kontext. Das deutsche Wort Selbstbefriedigung beinhaltet aber beim "selbst" auch automatisch die Befriedigung. Ich rede daher lieber von Masturbation... die kann dann mit oder ohne Orgasmus erfolgen.
Man kann leicht vom Kern auf Randthemen kommen, wie Gehorsam/Ungehorsam etc. Diese Argumente sind alle relevant im personenbezogenen Kontext, denn jeder hat seine eigene Motivation gehorsam zu bleiben oder ungehorsam zu werden, wie z.B. eine Strafe provozieren zu wollen, oder auch weil man nicht wirklich dieser Spielart zustimmt. Hier hilft natürlich nur langes und tiefes Reden der Praktizierenden. Dies gilt aber für jedes(!) BDSM-Thema, ob Bondage, Gerten, Brennnesseln oder Kitzeln etc. Die Motivationen abzuklären sind grundsätzlich wichtig, um nicht irgendwelchen Missverständnissen aufzusitzen. Ich hatte mal eine Vanilla-Freundin, die mir auch jegliche Masturbation untersagen wollte, da sie dies als Fremdgehen empfindet. Wenn da entsprechende Urängste mitschwingen, ob mit oder ohne BDSM-Kontext, ist die spätere Enttäuschung natürlich vorprogrammiert. Ebenso das Thema einfach beim Akt in den Raum zu werfen, besonders wenn der Orgasmus ohnehin schwer zu erreichen ist, ist kontraproduktiv.
Um auch direkt beim Thema zu bleiben... da der Orgasmus der Höhepunkt des (körperlichen) sexuellen Erlebens ist, stellt eine Orgasmuskontrolle/verbot die ultimative Hingabe des Subs dar. Was Bondage für den Körper ist, ist das Nicht-Kommen-Dürfen für das Sexleben. Es gibt zahlreiche Gründe, dass als Sub zu wollen, ebenso viele, das als Dom zu wollen. Einige persönliche Eindrücke konnte ich auch als Single sammeln... beim Mann ist die Sache relativ klar, in der Regel ist mit einem Orgasmus die Lust erstmal weg. Böse gesagt ist der Orgasmus der Tod der Lust. Zurückhaltung zu praktizieren und den Orgasmus hinauszuzögern kann daher sehr interessant sein.
Ich stelle bei meinem Sexleben mittlerweile die Lust in den Vordergrund, und nicht mehr die Befriedigung der Lust. Die Lust hinauszuzögern, zu verlängern, zu intensivieren, sich ihr hinzugeben, aber auf Befriedigung zu verzichten. Dies kann sehr intensiv und schön sein. Im englischen nennt man es "edgen", wenn man kurz vor dem Orgasmus stoppt und erst dann wieder weitermacht, wenn man sich wieder unter Kontrolle hat. Der Sex oder die Masturbation kann damit fast beliebig ausgedehnt werden.
Da das Wort Keuschheitsgürtel gefallen ist, noch kurz dazu... Keuschhaltung ist nicht Orgasm Denial. Ganz einfach bedeutet Orgasmusverbot, dass man einfach nicht kommen darf - wohl aber onanieren darf, oder sogar soll! Die Keuschhaltung heisst ganz einfach, hier läuft jetzt gar nichts. Jedenfalls nicht körperlich, dafür aber im Geiste um so mehr. Auf meinen Entdeckungsreisen im mein sexuelles Inneres habe ich auch mal ein paar Tage einen Keuschheitsgürtel getragen, ein Erlebnis das ich von seiner Intensität so nicht eingeschätzt hätte. Ich bin eigentlich Switcher, mit Tendenz zu "eher dominant", aber mit diesem kleinen Ding mit Schloss wird einem die Subposition so vergegenwärtigt, dass es schwer ist, die Gedanken davon loszureißen. Motivation, das zu tun? Erkenntnis, Erfahren, Erleben, Erspüren und es ist ein Wahnsinn, wie intensiv man danach die Befreiung erlebt.
Im übrigen praktiziere ich auch als Dom eine gewisse Orgasmuszurückhaltung, da es mich sexuell präsenter macht. In meinem persönlichen BDSM-Verständnis sollte der Dom in einer Session nicht seiner Befriedigung oder seinem Orgasmus hinterherjagen, sondern voll präsent sich auf seine Partnerin einlassen. Ob diese dann kommt, oder nur in größere Höhen der Erregung steigt, ist dann Sache von beiden.
Liebe Grüße,
Explorer at Heart