Dornröschens Missverständnis
"Mia Bella addormentata nel bosco! Mia Bella addormentata nel bosco!", hauchte er ihr immer wieder ins Ohr und kein Aphrotisiakum der Welt hätte eine grössere Wirkung auf Lilly haben können.Sie zerfloss förmlich unter diesen melodischen, leidenschaftlichen Worten. Was auch immer es bedeuten mochte, es scherte sie nicht.
Sie wollte ihn, jetzt und hier, oder woanders, egal. Hauptsache sie bekam ihn.
Wer so leidenschaftlich reden kann, der wird wohl ein noch leidenschaftlicherer Liebhaber sein, dachte sie sich und folgte ihm brav, wie ein verliebtes Elfchen, an der Hand.
Weg vom Strand, weg vom Club Tropicana, weg von all den anderen, sich amüsierenden Touristen, folgte sie ihm und liess dabei den Abend Revue passieren.
Wie er auf sie aufmerksam wurde, sie es kaum glauben wollte, daß jemand wie er, so eine wie sie zum Tanz bittet, wie sie den Strand liefen, er ihr all diese bezaubernden Worte hauchte, wovon sie so gut wie nichts verstand, sich aber sicher war, daß es Worte der Liebe waren, da seine Augen dabei soviel versprachen....
All das tanzte durch Lillys Kopf, im selben Takt wie die Schmetterlinge in ihrem Bauch.
Er blieb stehen und Lilly sah sich das erste Mal wieder richtig um. Sie hatte gar nicht bemerkt, daß sie soweit gelaufen waren, denn sie fand sich in einer dunklen Gasse wieder und hörte nichts, was sich auch im entferntesten der Musik vom Club ähneln könnte.
Genau genommen hörte sie gar nichts, ausser ihn.
"Doglia e libito.... Anima e corpo!", flüsterte er.
"Anima", erkannte Lilly als "Freundin" und freute sich unendlich, daß er sie als solche sah. Sie nickte und lächelte und er nickte und lächelte zurück.
Dann nahm er einen Seidenschal und band ihn um ihre Augen, ganz zärtlich streichelte er ihre Wangen und flüsterte noch einmal:" Mia Bella addormentata nel bosco!".
"Mia Bella", soviel wusste Lilly, bedeutete "Meine Schöne" und das gefiel ihr sehr.
Aufgeregt wartete sie darauf, was nun kommen würde.
Ehe sie sich versah, hatte er sie hochgehoben und trug sie auf seinen Armen davon. Lilly quitschte vor Vergnügen. Das hatte noch niemand mit ihr gemacht.
Obwohl sie nichts sehen konnte, spürte sie, wie er sie in ein Haus trug, einige Stufen ging es wohl hinab und es wurde kühler, bemerkte sie.
Er legte sie auf etwas hartem ab. Sie hätte schwören können, das es ein großer Stein war, jedenfalls fühlte es sich so an.
Lilly zappelte aufgeregt mit den Beinen. Sie wollte ihn nun endlich wieder sehen können. Ihn und den Ort, wo er sie hin gebracht hatte.
Er küsste sie, so leidenschaftlich, daß sie wieder alles um sich herum vergass. Sie lag blind in seinen Armen und hätte nirgendwo anders sein wollen.
Als er den Kuss beendete wurde ihr gewahr, daß sie nun gänzlich auf diesem harten, kalten Untergrund lag.
Lilly entschloss sich, sich wieder aufzurichten, doch noch ehe sie sich mit einer Hand abstützen konnte, machte es "Klick".
Sie erschrack, irgendetwas hielt ihr Handgelenk fest.
"Klick", auch das zweite Gelenk war fixiert.
"Klick...Klick", die Füße waren bewegungsunfähig.
Lilli bekam Panik. Sie zappelt wie ein Fisch im Netz und schrie sich furienhaft die Seele aus dem Leib.
"Schhhhhhhh!", versuchte er sie zu beruhigen und legte dabei einen Finger auf ihren Mund.
"Schhhhhhhh! Mia Bella addormentata nel bosco!".
"Ich geb dir gleich mia bella! Mach mich verdammt nochmal los, hörst du?", Lilly war ausser sich vor Wut und Angst.
Er nahm ihr den Seidenschal ab und einige Augenblinzeleien später und nachdem Lilly erkannt hatte in welcher Lage sie sich befand, schrie sie so laut sie konnte, ihren letzten hörbaren Hilfeschrei.
Dann steckte er ihr den Schal in den Mund, zerriss ihr Strandkleid und zückte einen Strauss Rosen, mit denen er zum ersten Schlag ansetzte......
LG Ivy