Seelengrund
Sie wollen wissen, was mit Emily geschehen ist?
Nun, die Antwort darauf ist nicht so interessant, als das Warum.
Darum lassen sie mich erst auf das Letztere eingehen, bevor ich ihre Frage beantworte.
Emily, ein kleines Wildkätzchen, was einsam durch die Strassen tingelte und sehnsüchtig darauf wartete gezähmt zu werden.
So lernte ich sie kennen.
Ich traf sie das erste Mal in einer Bar und es dauerte nicht lange, bis wir ins Gespräch kamen. Genauso wenig dauerte es, bis sie in meinem Bett landete.
Ein bisschen Charme, ein wenig Verständnis für den ganzen seelischen Müll, den sie bei mir ablud und ein solch ausgehungertes Ding ist dankbar für jede Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wird.
Im Bett war sie übrigens nicht anders.
Bei dieser einen Nacht blieb es natürlich nicht. Sie wollte mehr und ich gab es ihr.
Aber ich wäre nicht ich, hätte ich dafür nicht eine gewisse Gegenleistung bekommen wollen.
Welche das war?
Sie! Ich wollte sie! Und zwar ganz! Nicht nur mit Haut und Haaren, nein, ich wollte auf ihren Seelengrund schauen können, mich daran ergötzen, mich daran laben, ihn in der Hand halten, wann immer mir danach war.
Und sie willigte ein.
Wahrscheinlich hat ihr unwissendes Hirn die ganze Tragweite dieses Paktes gar nicht erfassen können, oder wollen.
Ihr war es wichtig mehr zu bekommen. Mehr Liebe, mehr Aufmerksamkeiten, mehr Vertrauen, mehr Hingabe, mehr Sex....
Sie war wie ein ausgetrockneter Schwamm, dem es nach Wasser dürstet.Und ich besaß dieses Wasser.
Stück für Stück formte ich sie und ihr gefiel dieses Spiel um Lust und Macht.
Anfängliche kleine Klapse auf dem Po, das Anlegen des Halsbandes, Kleiderordnungen, rituelle Züchtigungen, auferlegte Regeln, alles entwickelte sich zu unser beider Zufriedenheit.
Wäre da nicht diese eine Tür zu ihrem innersten Ich, die mir bis dato immer noch verschlossen blieb.
Verstehen sie? Irgendwann will man das, was man gesäht hat, ernten, doch bei Zero, das war der Name, den sie für mich angenommen hatte, waren keine Früchte in Sicht.
Zero war mein, unbestritten. Sie tat nichts mehr, ohne meine Einwilligung. Reden, essen, trinken, ja auch ihr Toilettengang wurde von mir vorgegeben.
Wenn ich es wollte, atmete sie sogar so, wie ich es ihr vorgab.
Und doch, eines hatte ich noch nicht unter meiner absoluten Kontrolle: Ihren Geist.
Immer öfter erwischte ich sie, wie sie gedankenverloren an die Wand starrte und auf meine Frage, was sie grade denke, antwortete sie mit einem:"Nichts, mein Herr!".
Das machte mich wütend. Zero hielt sich nicht an die Vereinbarung.
Sie hatte mir ihre Seele versprochen, das Einzige, was mich wirklich an ihr interessierte und nun enthielt sie es mir vor.
Ich stellte ihr ein Ultimatum, entweder sie öffnete sich mir ganz, so wie sie es mir damals versprach, oder sie müsse gehen.
Was denken sie, wie Zero reagierte?
Nein, sie wollte nicht gehen. Wohin auch? Sie hatte keine Familie mehr, keinen Job, kein Zuhause. Ich war alles, was sie hatte und das wollte sie nicht wirklich verlieren.
Aber das geben, wonach ich verlangte, konnte sie anscheinend auch nicht.
Zero reagierte gar nicht auf mein Ultimatum. Sie nahm es hin, wie alles, was ich von ihr wollte. Und so wartete ich auf ihre Entscheidung. Eine Woche gab ich ihr Zeit.
Nun, gefunden habe ich sie, genauso wie sie jetzt ist, in der Badewanne.
Heute wäre das Ultimatum abgelaufen und ihre Entscheidung ist gefallen.
Beantwortet das ihre Frage, was mit Emily geschehn ist?
LG Ivy