Disco Lady
„Die kleine Kneipe in unserer Straße…“ Ich verdrehe die Augen, während ich die ersten Takte des altbekannten Schlagers vernehme. Was hat mich nochmal dazu bewogen, den Besuch bei meinen Eltern mit einem Gang in die Kellerdisco von damals zu verbinden? Sicher, noch fühle ich mich jung, trotzdem ist mir dieser Schuppen jetzt fast peinlich. Als Teenager habe ich hier oft gefeiert, oftmals mit den Nachbarn, die deutlich älter waren als ich und deshalb eine willkommene Fahrgelegenheit für mich darstellten. Aber diese Zeiten sind auch vorbei, denn die ehemaligen Nachbarn reisen jetzt lieber mit dem Wohnmobil durch die Gegend und besuchen spektakuläre Orte, die ich niemals sehen will. Ödelsheim, Kleinlangweilsdorf, Schnarchenhausen – keine Ahnung, wo die sich gerade herumtreiben. Ich will gedanklich eigentlich auch gar nicht abschweifen. Ich höre der Musik zu, nippe an meiner Cola und betrachte mich selbst in der verspiegelten Säule neben mir – so gut es geht jedenfalls. Braune Chelsea-Boots habe ich ausgewählt, dazu eine knallenge Hose aus schwarzem Kunstleder und ein weißes Hemd mit kurzen Ärmeln. Ob ich so auffalle? Sicher, aber das war ja auch so beabsichtigt. Wie gerne würde ich jetzt den fiesen Mitschülern von früher begegnen, die inzwischen längst zu spießigen Coachpotatoes geworden sind. Hier jedenfalls scheint niemand zu sein, den ich kenne. Noch im Spiegel erblicke ich dafür eine Dame, die mich offenkundig schon eine ganze Weile im Auge hat.Sie ist eine schlanke, schwarzhaarige Schönheit, die altersmäßig dichter an meiner Mutter als an mir sein dürfte. Ihre langen, glänzenden Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, der bis zu ihrem knackigen Po reicht. Dieser wiederum steckt in einem ledernen Minirock, der farblich perfekt mit dem Schwarz ihrer glänzenden Nylons spielt. Erkenne ich durch den Schwarzlichtnebel und die tanzenden Menschen etwa die Abschlussborte von halterlosen Strümpfen? Mich überkommt ein Gefühl der Lust. Ihre Füße stecken in atemberaubend hohen, schwarz glänzenden Stilettos. Kurz bleibt mein Blick dort hängen, gleitet dann aber nach oben und bewundert die Vorderseite der Dame. Sie trägt eine weiße Bluse, die zu meinem Hemd fast als Partnerlook durchgehen könnte. Jetzt kann ich auch ihr Gesicht sehen. Dunkel geschminkte, geheimnisvolle Augen, eine kleine Nase mit Brillantpiercing und feuerrote, sündige Lippen blicken mich an. Eindeutig, direkt, unmittelbar. Es ist kein Lächeln, aber es ist auch nicht bedrohlich. Sie schaut interessiert. Vielleicht wie eine professionelle Jägerin, die ihre Beute sondiert. Oder wie eine Hundefreundin, die beim Züchter soeben ihren neuen Liebling entdeckt hat. Mein Herz pocht. Ich kam als freier Mann hierher, jetzt hat mich diese Frau gefesselt. Es ist eindeutig, dass sie mich nicht wieder alleine die Treppe hinaufgehen lassen wird. Nervös nippe ich an meiner Cola, bevor ich das nun leere Glas auf den Bartisch neben mir stelle.
„Lass und schmutzig Liebe machen…“ Ausgerechnet jetzt muss der DJ diesen Song spielen! Ich wage es kaum, in die Richtung der Dame zu blicken, sondern suche fast verzweifelt nach einem anderen Fixpunkt. Dies ist allerdings nur schwer zu machen, da die gesamte Kellerdisco in eine undurchdringliche Wolke von Trockeneisnebel gehüllt wird. Neben mir ruckelt jemand einen Barhocker zurecht, um an dem Bartisch platznehmen zu können. Als sich der Nebel lichtet, bleibt mein Herz beinahe stehen: Die schwarzhaarige Dame hat es sich auf dem Barhocker bequem gemacht und schenkt mir einen Blick, der jeglichen Restwiderstand in mir schmelzen lässt wie Butter in der Sonne. Ich stehe in einer Entfernung zu ihr, dass sie mir ihren beschuhten Fuß in den Schritt treten kann. Meine Erektion hat sie definitiv bemerkt. Mit einer Geste fordert sie mich zu einem Kniefall auf, der mir jetzt wie selbstverständlich erscheint. Es ist, als seien alle anderen Gäste dieser Disco plötzlich verschwunden. Ich nehme um mich herum nichts mehr wahr, während ich mich dem nicht gerade sauberen Fliesenboden nähere. Darf ich es wagen, nach oben zu schauen? Nun streckt sich mir der Schuh so entgegen, dass ich ihn mit den Händen greifen und vorsichtig streicheln kann. Auch mit dem Mund berühre ich nun das schwarze, kühle Lackmaterial. Ich küsse es mit Lippen und Zunge und arbeite mich ganz subtil in Richtung des glänzenden Nylons vor. Tief atme ich ein und genieße den Duft des wahrscheinlich schönsten Fußes, den meine Lippen je liebkosen durften…