„Gleiches gilt uebrigens für die Schweine. Dieses Wegwerfprodukt der modernen Gesellschaft hat Delvoye mit seinen Tätowierungen zu einem kostbaren Kunstwerk erhoben.
Bitte erst informieren, bevor kritisieren.
Die Schweine wurden bei der Tätowierung in Narkose versetzt. So dass moeglich wenigSchmerzentsteht.
Sie wurden dann auf einer Farm in Thailand gehegt und gepflegt. Erst nach ihrem natürlichen Tod wurde ihreHaut zum Kunstwerk.
Es gingen ihnen tausend Mal besser, als der Wurst auf eurem Frühstückstisch.
Genau deshalb finde ich das mässig interessant. Weil es, sorry für den Ausdruck, postmodern abgelutscht ist. Irgendwas mit "Gesellschaftskritik" oder so, ganz genau weiss man nicht, ob es nun um Tierhaltung geht, oder um Veganismus, oder doch eher um die Frage des körperlichen Schmerzes, oder ums Ausgeliefertsein dem Künstler gegenüber, also eine Machtfrage, oder sonst irgendwas.
Und mehr Bedeutung ist dann leider doch nicht drin, insbesondere: noch mehr Konsequenz ist nicht drin. Was die postmodernen Künstler geschafft haben, ist die Form endgültig von ihrem Inhalt zu befreien. Das war bei Andy Warhol noch interessant und auch relevant. Und seither bloss noch oft kopiert. Und weil die Form von ihrem Inhalt befreit wurde, ist auch die Gesellschaftskritik (Inhalt) von ihrer Form (Kunst) befreit. Insofern ist Delvoyes Gesellschaftskritik völlig beliebig, weil die Form in keinem Zusammenhang zur Kritik mehr steht. Das heisst: Genausogut könnten die tätowierten Schweine also sehr schlicht als Eigenwerbung für Delvoye selbst ausgelegt werden, und Delvoye als einen narzisstischen Künstler, der gerne andere Lebewesen ausnutzt, um - unter dem Vorwand von irgendeiner angeblichen Gesellschaftskritik - in erster Linie sich selbst materiell oder immateriell zu bereichern.
Und natürlich weiss Delvoye das selbst sehr gut. Er ist ein cleverer Marketing-Künstler. Beispielsweise hier - bezeichnenderweise trägt der Artikel den Titel "Ein Schelm, der Böses dabei denkt":
https://www.artlog.net/de/kunstbulletin-9-2017/wim-delvoye-ein-schelm-der-boeses-dabei-denkt
Delvoye (lacht erneut): Ich gehöre nicht zu der Künstlergeneration, die sich selbst exponiert - ich verkaufe nicht meine eigene Scheisse wie Manzoni! Ich habe die Rolle des bösen Unternehmers, der sein Werk ausnutzt. Da geht es auch um Handwerk, zum Beispiel der Anwälte - ein echtes Meisterwerk der Gesetzesauslegung, was sie da als Vertrag zwischen mir und Tim ausgearbeitet haben! Meine Arbeit zeigt, wie übel Menschen sind, nicht wie übel ich bin.
Ach wat, so n Schmarrn. Das übliche Blabla: Der Künstler versucht, sich selbst in ein ganz bestimmtes Licht zu rücken, damit wir glauben würden, er sei irgendein böser Schelm. Psychologisch wirklich lahm: Böse muss es sein, weil nett ja keine Aufmerksakeit mehr erweckt. Und Schelm muss es sein, weil "einfach nur böse" ja eine eindeutige Zuordnung erlauben würde, was ebenfalls keine Aufmerksamkeit erlaubt heute. Das schliess sogar die Meta-Ebene mit ein, dass er vielleicht ja doch ein "böser Schelm" sein könnte. Denn ein Schelm kann ja im Prinzip alles sein. Postmoderne Beliebigkeit, eben.
Es ist ja, ähm, fast schon niedlich, dass er so weit geht, uns grad auch noch die Definition mitzuliefern, die wir bitte auf ihn anwenden sollten: den bösen Unternehmer.
Aha.
Da hab ich echt wenig Bewunderung für. Und, wie gesagt, ich find's auch bloss mässig spannend.
Inhaltlich ist seine Aussage übrigens auch nicht stimmig. Seine Arbeit zeigt eben gerade nicht, wie übel Menschen sind (aber nicht er). Aber um das aufzudecken muss man eben tiefer bohren als bis zur postmodernen Oberfläche.