Schwächen
Ich kenne beide Seiten, und für mich ist es wichtig, dass auch der Top zu seinen Schwächen steht, so wie ich das als Dom auch meinerseits tue. Ich denke, das, worauf Du ansprichst, kann ich in zwei Kategorien aufteilen:
Erstens gibt es Dinge, in denen ich bzw. Dom nicht erfahren bin, d.h. mir die Übung oder das Wissen fehlt. Das kann dazu führen, dass ich sie gar nicht vornehme, oder aber mich herantaste. Das kann ein bestimmtes Gerät (z.B. eine lange Bullwhip) sein, oder eine bestimmte Praktik (z.B. bestimmte Formen der Atemreduktion).
Zweitens gibt es Dinge, die mich bzw. Dom in einer konkreten Situation emotional überfordern. Das erste Mal, als ich einen weinenden Bottom hatte. Das erste Mal, als ich einen Absturz erlebte, und man sich Vorwürfe macht, auch wenn man nichts "dafür" kann, es ein Ergebnis der Umstände ist, nüchtern betrachtet. Das erste Mal, wenn eine Praktik zu einer unerwünschten Nebenwirkung führt, z.B. beim Fesseln, und man sich fragt, hat man etwas Falsches gemacht.
Letzteres beschäftigt mich sehr viel stärker, weil es mich überrascht, während auf ersteres ich mich bewusst einlasse bzw. eben nicht. In beiden Fällen kann ich jedoch darüber sprechen, auch mit meinen Spielpartnern und habe festgestellt, dass dies wiederum nicht als Schwäche, sondern als Stärke gewertet wird, und so tue ich dies auch. Nüchtern formuliert hat dies auch mit "expectation management" zu tun, und ich halte es für wichtig, gerade in einem Bereich, wo wir so intim miteinander spielen, so sehr an Grenzen gehen und auch "gefährliche" Dinge tun.
Reden hilft auch in der Zeit danach, in der Aufarbeitung. Wobei ich die Erfahrung gemacht habe, dass ich z.B. ein Problem, das ich im Spiel mit einem Bottom hatte, nicht unbedingt mit dieser/m besprechen muss, vor allem, wenn diese Person die Perspektive des Dom nicht kennt. Ich habe zum Beispiel schon sehr viele, sehr gute und mir weiterhelfende Gespräche mit meiner Domme gehabt, die ebenfalls beide Seiten des Spiels kennt, und wir uns über unsere Erfahrungen austauschen konnten.
Meine Domme hat mir übrigens von Beginn weg gesagt, dass sie Schwächen hat, nicht perfekt ist und ihr auch Fehler passieren werden. Und genau dasselbe sage ich auch zu meinen Bottoms. Das ist wichtig, und als Bottom hat dies mein Vertrauen nicht geschwächt, sondern gestärkt. Es war für mich wichtig, es machte sie auch authentisch, und gerade das halte ich für besonders wichtig. Ich will als Bottom nicht mit einer perfekten Maschine spielen oder jemand, der sich versteckt, ebenso wie ich keine solche Person sein will. Natürlich geht es darum, als Dom Führung und Stärke zu bieten, ich trage als Dom viel Verantwortung und darf nicht die Nerven verlieren, jedenfalls nicht während des Spiels, aber ich erlebe selbst, dass Dom(me) nicht an Stärke verliert, wenn sie mal einen Fehler macht und Schwächen zeigt.
Als Bottom wie als Dom habe ich allerdings auch die Erfahrung gemacht, dass ein "Fehler" dem Spiel auch nicht unbedingt einen Abbruch tut. Nehmen wir an ich fessle eine bestimmte Sache, und mache dabei einen Fehler, so dass es mit dem Seil in der angedachten Weise nicht aufgeht. In solchen Situationen ist entscheidend, dass ich mich darüber nicht ärgere, sondern improvisiere und weitermache. Die gefesselte Person wird dies möglicherweise gar nicht merken. Merken würde sie, wenn ich mich ärgere und aus dem Konzept bringen lasse.
-acqua