BDSM = Gewaltverherrlichung ?
Als Aktfotograf und BDSMler schlugen mir vor längerer Zeit aus heiterem Himmel höchst denkwürdige Vorwürfe entgegen, die ich aber zunächst als haltlos verwarf.Vor kurzem wurde ich nun erneut mit dem Thema konfrontiert (wenngleich auch indirekt und nicht mich selbst betreffend), so daß ich das Thema jetzt mal aufgreife und hier öffentlich zur Diskussion stelle. Schließlich könnten diese Vorhaltungen jedem gemacht werden, der jemals BDSM-Fotos aufgenommen hat oder auch nur Gefallen an BDSM und seinen bildlichen Darstellungen findet.
Zur Sache:
Von einem früheren Modell, einer jungen Frau, wurde ich aufgrund meiner von ihr gefertigten Aktaufnahmen einem jungen Ehepaar (er 32, sie 28) empfohlen. Die beiden wollten die letzten Tage ihrer Schwangerschaft (sie war zu dem Zeitpunkt im 3. Trimester Ende der 38. Schwangerschaftswoche) auf ästhetischen Bildern festhalten, wozu ihr Babybauch gekonnt in Szene gesetzt und abgelichtet werden sollte. Im Anschluss daran sollte zudem auch eine Bauchabformung gemacht werden.
Im Vorgespräch legte ich den beiden zunächst mein umfassendes Bilderalbum mit ausgewählten Schwarzweiß-Aktbildern vor und ließ die beiden darin blättern, damit sie sich Anregungen holen und sich an dem einen oder anderen Bild oder an gewissen Posen orientieren zu können. Da sich auch einige stilvolle BDSM-Akte in dem Album befinden, von denen sich auch einige mit Erlaubnis der Modells in meinem Profilalbum finden, kamen zunächst einige neugierige und eher unverfängliche Fragen auf, die ich natürlich auch gern, offen und ungezwungen beantwortete.
Diese anfängliche Neugier wich nun aber nach kurzer Zeit ablehnendem Unverständnis und während die Darstellungen anfangs IHN offensichtlich noch fantasievoll beflügelten, nahm SIE sehr bald schon eine vorwurfsvolle Haltung ein, der sich nach einiger Zeit auch ER schließlich mehr oder weniger anschloss.
Aus ersten Fragen wie "und so was findet jemand toll?" oder "was begeistert dich nun eigentlich an solchen Bildern?" wurden im Verlauf weiterer Minuten mehr oder weniger Vorwürfe wie beispielsweise "eine Frau so zu zeigen, nackt, hilflos, gefesselt: Da ist doch alles andere als ästhetisch!" oder "Was soll denn daran 'schön' sein?" oder "mal ganz im Ernst: Das ist doch pure Gewaltverherrlichung!" und "eine total verächtliche Erniedrigung der Frau!"
Trotz dieser (für mich nicht wirklich nachvollziehbaren) Meinung kamen wenige Tage später – es ging ja von vornherein hier auch gar nicht um BDSM - wunderbare ästhetische Aufnahmen mit ihr als hochschwangerem Modell zustande, die dann auch BEIDEN ausgesprochen gut gefielen.
Was mich bei der von den beiden zuvor vertretenden Meinung verstörte, ist die Tatsache, daß es sich gerade bei diesen beiden um ein eigentlich sehr lockeres, offenes und aufgeschlossenes junges Paar handelt, SIE agierte auch nach einer gewissen Aufwärmzeit völlig locker vor der Kamera und auch irgendwelche etwaigen religiösen Aspekte dürften bei ihren Sichtweisen ganz sicher keine Rolle gespielt haben.
Verstörend wirkte ferner, daß sie Tage später, als ich ihnen die Hochglanz-Abzüge der Aufnahmen brachte, nochmals erklärten, daß das sehr gelungene Bilder von ihr seien, daß man aber dennoch oder gerade deswegen nicht verstehen könne, warum "jemand wie du ausgerechnet solche gewaltverherrlichenden Bilder" machen würde!
Ganz schön harter Tobak! Aber wie dem auch sei … soweit zum Ursprung.
Nachdem ich nun kürzlich Zeuge eines ähnlichen (sehr heftig geführten!) Gespräches wurde, werfe ich diese Vorwürfe als Frage nun einfach mal hier in die breite Runde:
Menschen, seien es Männer oder Frauen, halbnackt oder nackt, wehrlos gefesselt, womöglich noch geknebelt und/oder mit verbundenen Augen, obendrein vielleicht auch noch mit erkennbaren Striemen von Gerte oder Peitsche oder sogar die schlagende Hand mit im Bild… sind dies also Bilder, die Gewalt als solche "verherrlichen" ???
Propagieren also demzufolge BDSM-Bilder, wie sie ja auch hier in unserem JOYclub zu tausenden präsentiert werden, Gewalt?
Überwiegend sogar "Gewalt gegen Frauen"?
Oder handelt es sich hier eher um erotische Bilder einer "etwas anderen" Art?
Kunst?
Harmlos?
Erniedrigend?
Oder gar verwerflich?
Ganz ohne jeden Zweifel ist echte Gewalt verwerflich (zumindest wohl für die absolute Mehrzahl der zivilisierten Menschen) und reale Gewalt ist selbstverständlich auch überhaupt nicht mein persönliches Ding: Jede Form von tatsächlicher Gewalt, sei es physische oder auch psychische, lehne ich ebenso ab wie auch deren Verherrlichung.
Ganz gleich, in welcher Form.
Bei Bildern, die echte Gewalt dokumentieren, denke ich beispielsweise eher an forensische Tatortfotos oder an Fotos, die Szenen aus Kriegen, entsprechende Kampfhandlungen oder verwundete/verstümmelte oder getötete Opfer oder gar Folter zeigen. Und selbst hier kommt es meines Erachtens immer noch auf den Zusammenhang an, in dem sie wo und zu welchem Zweck von wem gezeigt werden. Schließlich kann ich auch in entsprechenden Pressefotos zu einer Kriegsberichterstattung keine "Gewaltverherrlichung" erkennen.
Sind aber nun Bilder aus dem BDSM-Bereich mit freiwillig agierenden Modells ebenfalls hierunter einzuordnen und in denselben Gewalt-Topf zu werfen???
Preisen BDSM-Bilder wirklich Gewalt als solche an???
Möglicherweise unbewusst, im Unterbewusstsein???
Auch wenn ich persönlich das ganz und gar nicht so sehe, kann ich mir doch gut vorstellen, daß viele Menschen aber eine solche oder eine vergleichbare Ansicht vertreten.
Demgegenüber wäre es gerade hier in diesem großen Kreis ( er heißt ja nicht umsonst BDSM MIT HERZ !) nun mal durchaus interessant, Meinungen und Ansichten vonseiten der BDSM-Freunde zu erfahren.
Und ich möchte gerade an Euch alle hier die gezielte Fragen richten:
Wie würdet Ihr mit solchen Vorwürfen zu Euren Bildern hinsichtlich [angeblicher] "Gewaltverherrlichung" und insbesondere "Verherrlichung von Gewalt gegen Frauen" im unmittelbaren Zusammenhang mit BDSM umgehen?
Wie wirken derartige Vorhaltungen auf Euch persönlich?
Was ist ganz allgemein von solchen Vorwürfen zu halten?
Würde mich über einen regen Meinungsaustausch freuen…
Herzlichst,
Sir Henry