Feierabend
Viele empfinden erst das Leben zu zweit samt BDSM mit Herz als eigentliche Erfüllung. Die Jahre des Zusammenwachsens, das gemeinsame Älterwerden und den gewohnten abendlichen Gedankenaustausch. Im entspannten Plauderton gewähren uns Sir (ruht gerne im Alter) und Sub (führt gerne im Alter) im wohlverdienten Ruhestand einen psychologisch hintergründigen Einblick in das Heim, Schaffen und Denken ihrer über die Jahrzehnte vertrauensvoll und harmonisch gewachsenen D/s-Beziehung.Es ist früh am Abend, bürgerliches Wohnzimmer, im Hintergrund ertönt leise Johann Strauss' "Geschichten aus dem Wiener Wald", der Sir sitzt im Sessel, das Sakko akkurat aufgehängt, die Krawatte abgelegt, trägt Pantöffelchen und döst vor sich hin ... Hinter ihm ist die Tür zum Spielzimmer einen Spaltbreit geöffnet. Dort geht die brave Sub emsig ihrer Hausarbeit nach und ihre Absätze verursachen ein lebhaftes, um nicht zu sagen sinnliches Geräusch auf dem Fliesenboden ...
Sub: "Sir?"
Sir: "Ja?"
Sub: "Was machst du da?"
Sir: "Nichts."
Sub: "Nichts? Wieso nichts?"
Sir: "Ich mache nichts."
Sub: "Gar nichts?"
Sir: "Nein."
(Pause)
Sub: "Überhaupt nichts?"
Sir: "Nein, ich sitze hier."
Sub: "Du sitzt da?"
Sir: "Ja."
Sub: "Aber irgendwas machst du doch."
Sir: "Nein."
(Pause)
Sub: "Denkst du irgendwas?"
Sir: "Nichts Besonderes."
Sub: "Es könnte ja nicht schaden, wenn du mal etwas spazieren gingest."
Sir: "Nein nein."
Sub: "Ich bringe dir deinen Mantel."
Sir: "Nein, danke."
Sub: "Aber es ist zu kalt ohne Mantel."
Sir: "Ich geh’ ja nicht spazieren."
Sub: "Aber eben wolltest du doch noch."
Sir: "Nein, du wolltest, dass ich spazieren gehe."
Sub: "Ich? Mir ist es doch völlig egal, ob du spazieren gehst."
Sir: "Gut."
Sub: "Ich meine nur, es könnte dir nicht schaden, wenn du mal spazieren gehen würdest."
Sir: "Nein, schaden könnte es nicht."
Sub: "Also was willst du denn nun?"
Sir: "Ich möchte hier sitzen."
Sub: "Du kannst einen ja wahnsinnig machen."
Sir: "Ach!"
Sub: "Erst willst du spazieren gehen, dann wieder nicht. Dann soll ich deinen Mantel holen, dann wieder nicht. Was denn nun?"
Sir: "Ich möchte hier sitzen."
Sub: "Und jetzt möchtest du plötzlich da sitzen."
Sir: "Gar nicht plötzlich. Ich wollte immer nur hier sitzen."
Sub: "Sitzen?"
Sir: "Ich möchte hier sitzen und mich entspannen."
Sub: "Wenn du dich wirklich entspannen wolltest, würdest du nicht dauernd auf mich einreden."
Sir: "Ich sag’ ja nichts mehr."
(Pause)
Sub: "Jetzt hättest du doch mal Zeit irgendwas zu tun, was dir Spaß macht."
Sir: "Ja."
Sub: "Schlägst du mich?"
Sir: "Im Moment nicht."
Sub: "Dann schlag mich doch."
Sir: "Nachher, nachher vielleicht."
Sub: "Hol dir doch die Gerte."
Sir: "Ich möchte erst noch etwas hier sitzen."
Sub: "Soll ich sie dir holen?"
Sir: "Nein nein, vielen Dank."
Sub: "Will der Herr sich auch noch bedienen lassen, was! Ich renne den ganzen Tag hin und her. Du könntest wohl einmal aufstehen und dir die Gerte holen."
Sir: "Ich möchte jetzt nicht schlagen."
Sub: "Mal möchtest du schlagen, mal nicht."
Sir: "Ich möchte einfach hier sitzen."
Sub: "Du kannst doch tun, was dir Spaß macht."
Sir: "Das tue ich ja."
Sub: "Dann quengel doch nicht dauernd so rum."
Sir: (schweigt)
Sub: "Sir?"
Sir: (schweigt)
Sub: "Bist du taub?"
Sir: "Nein nein."
Sub: "Du tust eben nicht, was dir Spaß macht. Stattdessen sitzt du da."
Sir: "Ich sitze hier, weil es mir Spaß macht."
Sub: "Sei doch nicht gleich so aggressiv."
Sir: "Ich bin doch nicht aggressiv."
Sub: "Warum schreist du mich dann so an?"
Sir: (schreit) "ICH SCHREIE DICH NICHT AN!"
(Loriot - Szenen einer Ehe)