Ist BDSM gesellschaftsfähig?
(Hatte ich irgendwann mal für die Zeitung geschrieben und jetzt wieder gefunden. Vielleicht fällt euch ja dazu noch etwas ein)In der heutigen Zeit wird gleichgeschlechtliche Liebe nicht mehr als Krankheit oder Abartigkeit angesehen. Es wird von der Gesellschaft zum größten Teil akzeptiert und toleriert.
Wie sieht es aber mit der Neigung zum BDSM aus?
B = Bondage (Fesselung)
D = Disziplin und Dominanz
S = Submission (Unterwerfung) und Sadismus
M = Masochismus
Es gibt Paare, die vielleicht nur auf Fesselspiele stehen. Dann gibt es Leute, bei denen Unterwerfung und Dominanz im Vordergrund stehen. Wieder andere sind sado/ oder masochistisch veranlagt. Und wieder andere beziehen alle Komponenten mit ein.
Es ist ein sehr weitläufiges Feld der sexuellen Spielart, welches jeder anders definiert und handhabt. Kein BDSM Paar wird seine Neigung genau so ausleben, wie ein Anderes.
Sadomasochismus wird aber immer noch in der ICD Codeliste als Krankheiten geführt. Hier die entsprechenden Auszüge:
Sadomasochismus (F65.5)
Es werden sexuelle Aktivitäten mit Zufügung von Schmerzen, Erniedrigung oder Fesseln bevorzugt. Wenn die betroffene Person diese Art der Stimulation erleidet, handelt es sich um Masochismus; wenn sie sie jemand anderem zufügt, um Sadismus. Oft empfindet die betroffene Person sowohl bei masochistischen als auch sadistischen Aktivitäten sexuelle Erregung.
Masochismus Sadismus
Multiple Störungen der Sexualpräferenz (F65.6)
In manchen Fällen bestehen bei einer Person mehrere abnorme sexuelle Präferenzen, ohne dass eine im Vordergrund steht. Die häufigste Kombination ist Fetischismus, Transvestitismus und Sadomasochismus.
Rechtslage in Deutschland
Seit 1. Januar 2004 müssen gesetzlich vorgeschrieben auch im ambulanten Bereich Diagnosen nicht mehr fallbezogen, sondern personenbezogen an die gesetzlichen Krankenkassen für die Abrechnung weitergegeben werden. Dadurch besteht die Gefahr, dass die Neigungen von BDSMler bei deren Krankenkasse gespeichert werden.
Kritik an der ICD-10
Kritiker werfen der ICD vor, Sexualpräferenzen als Krankheit zu definieren (Sadomasochismus, Fetischismus, Transvestitismus) ohne dass sie überhaupt behandlungsbedürftig sind. Daneben besteht in Deutschland die Befürchtung, zum gläsernen Patienten zu werden und dass die individuellen sexuellen Neigungen gespeichert und weitergegeben werden.
Ein internationales Projekt, ReviseF65, setzt sich dafür ein, die Klassifikationen grundliegend zu ändern.
Im ersten Absatz wird von erleiden gesprochen und das ist genau der Irrglaube, der immer noch in den Köpfen der Menschen herum geistert.
Ist ein Mensch masochistisch veranlagt, dann leidet er in der Regel nicht unter den Handlungen. Ganz im Gegenteil. Es geschieht alles im gegenseitigen Einverständnis und es muss ein sehr großes Vertrauen zwischen den Handelnden herrschen. Man gibt seinen Körper und seine Seele in die Hand eines anderen Menschen, dem man blind vertraut und der mit diesem Vertrauen umzugehen weiß.
In der Regel werden vorher Absprachen getroffen über Grenzen und Tabus. An diese haben sich beide Seiten zu halten. Natürlich tastet man sich auch langsam an bestehende Grenzen heran, aber nur bei gegenseitigem Einverständnis und ohne Außenstehende mit einzubeziehen oder zu belästigen.
Dann ist die Rede von Multiple Störungen der Sexualpräferenz. Handelt es sich hierbei wirklich um eine Störung? Ist es nicht viel mehr die Intoleranz der Gesellschaft, die es so aussehen lässt?
Es gibt viele Paare, die erst im reifen Alter ihre Neigung zu dieser sexuellen Spielart feststellen und akzeptieren. Viele versuchen es zu unterdrücken, weil sie glauben, dass das nicht normal, pervers oder gar krankhaft ist. Diese Menschen werden allerdings immer das Gefühl haben, dass ihnen etwas Entscheidendes im Leben fehlt.
So ging es auch mir! Als mein Mann seine Dominanz vorsichtig zum Ausdruck brachte, begann ich an seinem Verstand zu zweifeln, bis ich sehr schnell merkte, dass es genau das war, was ich all die Jahre in unserer Beziehung vermisst hatte.
Im „normalen“ Leben war ich immer die Starke, Dominante und nun sollte ich die Schwache sein? Im ersten Moment unvorstellbar! Jahrelang hatten Frauen für die Emanzipierung gekämpft und mich erregte es mich ihm zu unterwerfen?
10 Jahre habe ich mit meinen Gefühlen gekämpft, aber immer noch werde ich/wir als krank eingestuft. Wann sind wir endlich gesellschaftsfähig?
Luna