Begriff und Erfahrung
Der Erstbeittrag enthielt diese Vermutung:
Da kommt bei uns der Eindruck auf, dass viele Menschen nicht wissen oder wissen wollen, dass sie BDSM in ihrer Sexualität bereits leben ohne es zu benennen...
und diese zwei Fragen:
Welche Erfahrungen habt Ihr machen dürfen? Wie steht Ihr dazu?
Dazu ein paar Bemerkung vorab, ohne dies hier aber als Thema weiter diskutieren zu wollen:
Begriffe haben generell den Sinn, Verständigung, Verstehen, Begreifen zwischen Menschen mittels Sprache zu schaffen.
Wenn beim Begriff Auto, (von Automobil = Selbstbeweger) der eine Mensch wie es seit langem Konvention ist zumeist das Straßen-Rad-Kraftfahrzeug im überwiegenden Falle mit Hubkolben-Verbrennungsmotor meint, sein Gegenüber aber (wozu er sachlich und sinngemäß vom Begriff her das Recht hätte, da sich auch selbst bewegend) mit dem Wort Auto Schlitten bzw. Bobs meint, dann werden sich diese Menschen nicht verstehen, aneinander vorbeireden.
Insofern sind Definitionen jeder Art, Klärungen von Begrifflichkeiten grundsätzlich sinnvoll und notwendig.
Ebenfalls ist desweiteren eine zu große Relativierung (siehe oben die 2 m große Schublade - schöner Ausdruck) zu vermeiden, denn wir sind weder alle ein bisschen bluna noch überhaupt alle gleich.
Wenn Begriffe soweit gedehnt werden, dass sie Gummi, Brei werden, werden sie immer unschärfer und taugen nichts. Auch dann versteht wieder keiner den anderen
(ich klammer jetzt ganz bewusst die völlig sinnleeren und bewusst benutzen und konstruierten Begriffe aus, von denen wir medial überschwemmt werden, weil sie aus Industrie-Marketing, Werbung, Lobbyismus, Politik oder Medien mit Verkaufsinteresse kommen, denn das sind Worthülsen, keine eigentlichen Begriffe mehr (Promi-Entsorgungsparks quasi)
Zum Schluss noch etwas.
Obwohl Begriffe also sinnvoll und notwendig und nicht beliebig verwendbar oder austauschbar sind, wenn sie ihren Sinn behalten und Zweck erfüllen sollen, unterliegen sie historisch (teilweise rasch, teilweise lanhgsam) Wandlungen.
Beispiel: Geil war vor einigen Dekaden noch ein rein sexuelles Wort, heute längst nicht mehr allein.
Genug Intro. hinein ins BDSM.
Und schon geht es da los.
Die Sache BDSM gibt es schriftlich belegt seit dem Kamasutra, zu vermuten, seit es Menschen gibt, die Sex haben.
Den Begriff BDSM als Erweiterung und Fortentwicklung des alten Begriffs Sadomasochismus oder der populär-verächtlichen Abwandlung Sado-Maso gibt es erst seit Anfang der 1990er Jahre, verbreitet erst wie viele Kenntnisse zusammen mit dem Internet.
Nun lautete die Frage, ob ein Paar, dass sich auch mal fesselt oder die Augen verbindet, nicht schon BDSM ausübe.
Ich gehe dazu mal weg von Empirie, Untersuchungen oder Vermutungen, hin zu meiner eigenen Erfahrung.
Und daher lautet meine Antwort:
Klares Jein.
Ich selbst lebte nämlich, wie ich im Nachhinein merkte, BDSM-Anteile (eben u.a. ans Bett fesseln und Augen verbinden) als Aktiver mit einer Geliebten drei Jahre lang, ohne jemals, auch nicht hernach, auf den Gedanken zu kommen, ich sei BDSMler. Ich hätte damals angekreuzt: SM und Schmerzen mag ich nicht
.
Zuvor hatte ich relativ unglücklich in einer Beziehung gelebt, in der die Partnerin sexuell eher die sad-Dom Anteile lebte, ich den anderen Part hatte. Und auch da hatte ich (trotz Unglücklichsein) nie diese jetzt verwendeten Begrifflichkeiten gedacht oder benutzt, so wie ich es jetzt beschreibe und heute klar als wahr sehe.
Denn SMler oder BDSMler sein, denke ich, kann ich nur, wenn ich
a) weiß, was ich tue und will
es b) dann auch so wichtig wird, dass ich es eigens benenne
und c) dazu dann auch in irgendeiner Weise stehe. Und sei es heimlich gelebt. Es geht um die Haltung zu mir selbst.
Wer das nicht empfindet, kann sich zehnmal anbinden oder wie hieß es so schön oben: Poppes-Klatschen, das wird dann trotzdem kein BDSM.
(übrigens es geht auch sehr gut, ohne BDSM zu leben, ist also kein Urteil!
)
Dass es mit dem Begreifen (Begriff) zusammen hängt, merkte ich Jahre später:
Nach der Trennung von Langzeit-Gattin und Selbstaufklärung dank Joy, nach vielerlei Selbstfindungsversuchen lernte ich eine Frau (via Joy) kennen und verabredete mich mit ihr (das klassische Blind Date, welches ich auch zuvor bereits mehrmal hatte, mit Augenverbinden und in einen unbekannten Raum führen etc ... alles also, was man bloß nicht tun soll) Nie zuvor ein Gedanke von mir, das sei SM oder etwas ähnliches ...
Es war meine sexuelle Lust. Punkt.
Und nun sagte diese Frau mir erst drei Tage vorher:
"Ach noch etwas, ich bin übrigens devot, - und ich lebe gern diese BDSM-Ader aus."
Keine Ahnung, was devot war, keine Ahnung was BDSM.
Aber meine Ex-Partnerin hatte mir immer vorgeworfen, ich sei wohl Sadist (wenn die wüsste, wie recht sie hatte, nur anders gemeint).
Da schien also etwas zusammen zu passen
Drei Tage später traf ich sie, als Dom, als bekennder BDSMler, als zu mir selbst gefundener.
Binnen 48 Stunden hatte ich nicht mehr aufgehört zu lesen und zu denken, rund um die Uhr, alles über SM faszinierte mich.
Ich fand mich überall mit zig Facetten wieder und stellte fest, dass 1000 und eine Sache durch die Begrifflichkeiten des BDSM für mich erklärbar, zusammenfügbar wurden.
Ich war als BDSMler "geboren".
Und bin es geblieben
Nur war ich es eben vor jener klaren Selbstbezeichnung noch nicht, latent durchaus, schon sehr lange sogar.
Es wurde ein schönes Treffen, ein BDSM-Verhältnis folgte, dann -noch viel besser - traf ich meine Liebe. Und das ist nun auch schon ein glückliches BDSM-Paar-Jahr her.
Kurzum:
Saubere Benennungen und klares Denken hängen zusammen, Erkennntnis und Begriffe bedingen sich.
Ich bin dankbar für alle(s), (die)was zu meiner Erhellungen in all den Jahren beigetragen hat.
Eines aber sollte man in jedem Fall raus lasen: Wertungen.
Ob einer BDSMler ist oder nicht, Hauptsache er ist glücklich, Hauptsache zwei passen zueinander und ergänzen sich.
Ob BDSMler nun pervers sind oder eher die ganz nomalen Nach-Sportschau-Vögler ... lassen wir's doch.
Erkennen wir, was wahr ist und uns selbst.