„Wie ist das bei dir? Vorstellbar, dass du ihn liebst und er dich nicht? Oder er seine Gefühle zumindest so nicht ausdrückt?
Nach diesem Satz habe ich eben eigentlich die ganze Zeit gesucht, bevor ich mich habe ablenken lassen
Das geht tatsächlich viel eher in die Richtung, an der ich suche und wo es für mich in den Bereich geht, wo es schwer zu greifen wird. Es ist eine ganz unerwartete Stelle:
"er es zumindest nicht so ausdrückt"
Ich habe beim Lesen an dieser Stelle gestolpert und heute im Lauf meines Tages immer wieder neu darüber gestolpert. Über die bloße Vorstellung, dass so etwas okay sein könnte. Über den Zorn, den es in mir auslöst, wenn so etwas nicht klar ausgedrückt wird. Und ich habe gemerkt, dass das tatsächlich eine der Stellen sein könnte, an denen es hakt. Etwas an einer so verqueren Stelle, dass man es von selbst einfach nicht sieht.
Wenn ich ihn liebe und er mich nicht: Wenn das so klar ausformuliert ist, komme ich damit klar. Vielleicht bin ich dann ein wenig traurig, aber ... früher oder später kann ich dann aus dem, was ist und aus dem, was nicht ist, den passenden Namen für das Band zwischen uns formen. Ich mag es sehr, wenn das Band zu jedem meiner Herzmenschen den passenden Namen hat (egal, ob Herzmensch = verpartnert, befreundet, verliebt, oder anders).
Ich brauche das sogar, einen solchen Namen für das jeweilige Band, um die Individualität und Besonderheit davon spüren zu können. Wenn ich für das Band zu zwei Menschen einen gleichlautenden Namen hätte ("Freundschaft"), dann wären sie austauschbar. Dann bräuchte man nur einen davon. Für mich muss es die "Sandkastenfreundin" sein, die "Wolfsfreundin", der "Nachbar-und-Katzensitter", die "Lieblingskollegin" etc.
Ist doch jedes Mal ein anderer Mensch! Also braucht das Band auch jedes Mal einen anderen Namen, aber einen, der passt, das ist doch sonst respektlos gegen den Menschen!
Ja, das klingt vermutlich für viele etwas seltsam. Aber ich bin alt genug, um manchmal auch etwas seltsam sein zu dürfen.
Für mich ist es wichtig, dass dieses Band zu anderen Menschen nicht im Vorfeld definiert wird und sich die reale Entwicklung dann an im Vorfeld definierte Grenzen anlehnen muss. (dabei ging es ja bei dem gerade stattgefundenen Quasi-Dialog). Mein Herz braucht dieses Recht, solange suchen, prüfen, formen und herumprobieren zu dürfen, bis es die aus beiden Richtungen passende Form eines Bandes zu anderen Menschen erkannt hat. Ergebnisoffen (bis auf harte Grenzen wie "Die andere Beziehung bleibt in jedem Fall bestehen", so was ist dann ja bereits als klarer Teil des Bandes definiert).
Das, was dann gefunden wird, muss etwas sein, was für beide Seiten passt, sonst ist es noch kein gutes Band. Es darf nichts sein, was einer dem anderen überstülpt, weder in die eine noch in die andere Richtung.
Beispiele für Menschen in meinem Leben im Spannungsfeld zwischen Beziehung und Freundschaft, wo das Band im Lauf der Jahre die (im Moment) richtige Form gefunden hat:
Mein Exfreund-der-jetzt-wie-ein-großer-Bruder-für-mich-ist = Gutes Band, Name existiert, fühlt sich passend an für das was da ist, es war ein langer Weg dahin.
Mein Künstlerfreund-mit-dem-ich-keine-Beziehung-habe-den-ich-aber-voller-Freiheit-liebe = Gutes Band, Name existiert, fühlt sich passend für das an, was da ist, es war ein schöner Weg dahin.
Mein Little-Buddha-Flirtfreund-mit-dem-leuchtenden-Herzen = hach, wie hübsch ist die Welt, weil er darin lebt!
Für mich besteht mein soziales Netz aus Bändern zu den Menschen, die mir wichtig sind. Und für mich ist es stressig, wenn ein Band nicht richtig deklariert werden kann. Das ist für mich irgendwie so wie für Monk, wenn ein Buch falschrum im Bücherregal steht. Man kann es aushalten, aber es ist stressig und unangenehm, und der Zustand sollte richtiggestellt werden.
Wenn er also für mich etwas fühlt, das aber aus was-auch-immer-für-Gründen nicht ausspricht, dann ist das für mich wie für Monk ein falsch stehendes Buch im Regal. Hundertmal schlimmer als ein klar ausgesprochenes "Tut mir leid, was ich für dich fühle, ist keine Liebe, es fühlt sich primär freundschaftlich an".
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Wie wichtig das mit diesem Suchen nach der richtigen Form des Bandes für mich ist, war mir bis zum Dialog eben gerade tatsächlich nicht klar. Ich hatte das Recht auf weiches, offenes Suchen meinem Freund/Dom/Buddy/was-immer-wir-sind als harte Grenze genannt, als wir das Band von Künstler-Unternehmer-Flirtfreundschaft transformierten. Ich dachte, wir würden jetzt gemeinsam so lange suchen, bis es eine neue Form hat, für die wir dann einen neuen Namen finden, der für beide passt.
Irgendwie dachte ich instinktiv wohl, dass das das Normale ist. Weil es das ist, wozu ich instinktiv neige und was sich für mich am richtigsten anfühlt.
Mir ist gerade eben erst klar geworden, dass es wohl nicht die Norm ist, aber eben etwas, was ich selbst gern mag und was sich für mich gut anfühlt. Ich habe es gerade auch das erste Mal so verbalisiert und ausformuliert.
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Daraus folgt, dass für mich ein Zustand, in dem etwas in einer bestimmten Form benannt ist, obwohl es sich darunter wie etwas anderes anfühlt, was aber systembedingt nicht ausgesprochen werden soll, keine Option ist. Er fühlt sich für mich einfach nur ganz schrecklich falsch an. Ich fühle mich nicht sicher. Mein innerer Monk schiebt Stress und will Klarstellung, in welcher Form auch immer.
Aber ich glaube, es bietet einen guten neuen Impuls für Gespräche. Dafür, was ich brauche, um mich sicher zu fühlen. Ein
Namen bzw. eine namenhafte Beschreibung für das Band zwischen ihm und mir, die sich für beide Beteiligte sicher, richtig und wie eine adäquate Beschreibung der tatsächlichen Realität zwischen ihm und mir anfühlt.
So formuliert ist das ein viel klarerer und zielorientierterer Wunsch, oder?