Freundschaft oder Poly? Oder einfach alles doof?
Ich brauche Hilfe beim Sortieren und Fragen, die mich weiterbringen und zum Denken anregen. Denn der einzige Mensch, mit dem ich sonst ernsthaft darüber reden kann, ist Teil des Chaos. Was bei ihm ist, kann ich nicht beeinflussen, aber ich kann zumindest versuchen, mein eigenes System ein wenig zu ordnen. *
VORGESCHICHTE
Mein bester Freund hat eine langjährige Beziehung mit einer Frau, die er sehr liebt und mit der er zusammenlebt. Zwischen den beiden war aber immer mal wieder die Idee einer offenen Beziehung aufgekeimt. Es ist eine gute Beziehung, in der fair und ehrlich miteinander geredet wird. Deswegen war sie einverstanden, dass er und ich auf Basis der tiefen Freundschaft danach suchen können, was sich sexuell und im Bereich BDSM zwischen uns entwickelt.
Tatsächlich wurde es so besser als alles, was ich mir hätte zusammenfantasieren können. Hier und da spürte ich noch eine leichte Unsicherheit, weil es für ihn komplett neu war, aber es war, wie einer Blume beim Aufblühen zuzusehen. Mein langjähriger bester Freund war der absolut perfekte Dom für mich, bei dem ich mich fallen lassen, fliegen und hemmungslos ich selbst sein konnte.
Die einzige von ihm mir gegenüber ausformulierte Grenze war: Er bleibt mit ihr zusammen, weil er sie liebt.
Damit war ich einverstanden, das war ja von Anfang an klar gewesen. Ich bin ja auch nicht mono, und es gibt in meinem Solo-Poly-Leben noch andere Herzmenschen. Allerdings niemanden, mit dem ich im Moment BDSM teile.
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DAS GEGENWÄRTIGE CHAOS, TEIL 1: LIEBE ODER FREUNDSCHAFT?
Neben all den anderen Elementen unserer Freundschaft, BDSM und Sex wurde das Band zwischen uns so tief, dass ich mich verliebte. Es fühlte sich natürlich an.
Ich hatte unsere Absprache nicht so verstanden, als sei Liebe etwas, wovor ich mich schützen müsste und was zu vermeiden sei. Für mich als poly war ein Verbot zu lieben irgendwie nicht in der ausformulierten Grenze enthalten gewesen. Natürlich bleibt er mit ihr zusammen und liebt sie weiterhin ... Aber das heißt doch nicht, dass Liebe zu mir ausgeschlossen ist? Bei all den vielen Dingen, die uns verbinden!
Er schien das völlig anders zu sehen, und das überforderte mich. Mein Herz war ganz weit offen, ich bot ihm ganz viel von mir an, und ... Später hat er sich dafür entschuldigt, aber seine erste Reaktion war ein Vorwurf, dass ich Sex und BDSM benutzt hätte, um ihn in eine Falle zu locken.
Das hat wehgetan.
Ich hatte auch echt Schwierigkeiten, zu verstehen, was er meinte, worum es ihm ging. Warum es für ihn so wichtig war, dass es "freundschaftlich" blieb. Wie soll man ein Band wie das unsere künstlich auf ein Level runterpressen, wo man es weiterhin als "Freundschaft" und nicht als "Beziehung" bezeichnen kann?
Das war für mich schwierig und ist schwierig.
Und es wird noch schwieriger, denn es mischt sich mit etwas anderem:
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DAS GEGENWÄRTIGE CHAOS Teil 2: ALLTAGS-MACHTGEFÄLLE
Im Lauf des vergangenen Jahres hat sich zwischen uns herausgestellt, dass sich unser BDSM nicht, wie ursprünglich vermutet, primär auf Sessions mit Anfang und Ende konzentriert. Stattdessen formte sich schrittweise etwas, für das wir keinen richtigen Namen hatten, was ich auf abstrakter Ebene aber als softes 24/7 beschreiben würde. Da, wo es wirklich in den Alltag hineingreift. Wo kleine Symbole wie ein Armband als Zeichen des Besitzes und der Hingabe permanent spürbar werden, wo er das Recht hat, auf das Wort "bitte" zu verzichten und ich das Recht habe, es zu verwenden ...
Es hat Dynamiken entwickelt, die ihn und mich überrascht und stellenweise überfordert haben. Es geht bei beiden tief und fühlt sich auf eine Weise richtig an, der wir beide oft misstrauen. Winzig kleine Dinge gehen unglaublich tief. Das Grundgefühl ist völlig anders als in einer Session mit Anfang und Ende.
Mein Herz sagt: Das ist die Art, wie ich diesen Mann lieben und von ihm geliebt werden möchte.
Mein Herz sagt aber auch: So zu fühlen ist gefährlich, böse, bedrohlich, du hast schon mal erlebt, wohin so was führt bei diesen bösen Männern, als du viel jünger warst. Fühl nicht so, hör auf damit!
Und immer, wenn das passiert, wenn ich auf diese Weise Angst bekomme und von dieser Alltags-Hingabeform überfordert bin und damit Schutz und Halt und Trost bei ihm suche, dann endet das damit, dass er alles beenden will. Weil er mir nicht 'real' wehtun will, weil seine eigene dominante Seite vielleicht ja doch böse ist, weil er mir in diesem Arrangement nicht gerecht genug wird und es vielleicht doch ein riesiger Fehler war, so etwas ausleben zu wollen.
Was dazu führt, dass ich dann noch mehr Angst bekomme, weil ich mit meiner Unsicherheit nicht im Stich gelassen werden will, aber er mir in dem Moment nicht genug Sicherheit geben kann und/oder will.
Teufelskreis.
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WIE GEHT ES WEITER?
Ich habe keine Ahnung. Ich bin überfordert. Er ist überfordert. Trotzdem sagt mein Herz, dass irgendwo in diesem Chaos ein schöner Weg existiert. Ich weiß nur nicht mehr, wie ich ihn finden kann, oder wie er und ich ihn gemeinsam finden können.
Hilfe beim Sortieren wäre schön