Wieder etwas mehr Fleisch am Kochen:
"Es ist schwer, keine Eifersucht zu empfinden, wenn einem jemand anderer vorgezogen wird. Sogar die Erinnerung daran tut weh. Wie zäh die alleinigen Minuten verstreichen. Keinen Augenblick lang wollte man daran denken, tolerant und verstehend wollte man sein und tat doch nichts anderes, als sich ununterbrochen vorzustellen, wie er oder sie in den Armen des anderen jubilierte. Diese Hilflosigkeit, gegen die kein Kino oder Schnaps oder Buch hilft. Jeder weiss, dass es jedem anderen auch schon so ergangen ist, und trotzdem trifft es einen wie der Schlag einer Urzeitkeule. Bei manchen bricht dann tatsächlich alles auseinander, und das Leben nimmt mit einem jähen Ruck eine neue Richtung; zuweilen vernarben die Wunden nur, ohne richtig zu verheilen; manchmal aber gehen wir herzensklüger aus unserm Wahn hervor."
(Urs Widmer: Liebesnacht, 1982 (copyright), S. 93 ff)