Diese Möglichkeit hatte ich irgendwie...
... gar nicht in Erwägung gezogen.
Chaosfortsetzung...
: Nächster Morgen. Irgendwie die Nacht überlebt. Alle Fenster und Türen sperrangelweit offen. Drückende Hitze in der Nacht. Jeder Schritt hallt über den Flur. Alle halbe Stunde auf Klo wanken. Wasser aus dem Hahn tanken und unten wieder rauslassen.
Nächster Morgen. Frugales Frühstück Teil zwei. Kein Unterschied zu Tag 1. Anschließend Visite. Laber Rabarber. Ich versteh nix. Ich will hier raus. Außer der Visite kommt eh kein Mensch den Tag über. Wenn ich neu verbunden werden möchte ist auf einmal kein Verbandmull mehr da, oder keine Schwester, oder kein Pflaster. ich bin doch in Uganda.
Versuche mich verständlich zu machen scheitern an der unüberwindlichen Sprachbarriere. Wieso spricht hier keiner Englisch? Ich dachte, ich sei in Europa???
Der Student ist meine Rettung. Radebrechende Verständigung in Rudimentärenglisch, aber es klappt. Termin beim Prof, oder Oberguru. Wer weiß dass schon. Er legt mir einen blütenweißen Zettel hin. Was soll ich damit??? Er zeigt mir an, ich müsse unterschreiben. Kaskadenartig schießen mir abstruse Ideen in mein Nachgeplagtes Hirn. 15 Waschmaschinen, eine Order über 1000 Tonnen Wassermelonen oder 17 bunte Zeitungen auf italienisch, die mich täglich erreichen... Egal. Ich will raus. also mit links irgend etwas unleserliches auf das Papier gemalt, was aussieht wie ein verdorrter Drache, aber nicht wie meine Unterschrift. So leicht mache ich es euch nicht.
Nächstes Projekt. Wo ist der Ausgang. Ganz einfach. Immer den neongrünen Notausgangsschildern folgen, mögen einige denken. So dachte ich auch 20 Minuten. Grober Fehler. Es gibt keine Notausgangsschilder. Naja, aber zumindest ein Labyrint an Treppen. Kann ja nicht so schwer sein. Geht ja nur treppab.
35 Minuten später eine Tür aus Eisen mit Sperriegel. Wurscht. Raus. Nur raus. Irtgendeine Kellertür, so scheint es. Ausgang auf die örtliche Deponie. Oder ist es der Rasen? Nach intensivem Studium der Sonne und zerschrammten Unterschenkeln der Parkplatz. Ein Wunder!!! Meine Kiste ist noch da. War wohl selbst für die Spinosies zu schäbig. (Später habe ich erfahren, dass ich, wenn ich den richtigen Ausgang gefunden hätte, auch noch für das Martyrium hätte fett abtacken müssen. Seht zu, wie ihr an euer Geld kommt. aber nicht von mir!!!)
Fluchtplan ausgeheckt. Über Frankreich zurück nach Deutschland. Ich will noch Wein im Elsass kaufen. Losgefahren. Nach 45 Minuten abartige Schmerzen. Man, die Blase muss übervoll sein, oder die Schmerzmittel lassen nach. Ran an den Straßenrand. Das geschundene Teil rausgeholt, den Stöpsel aus dem Katheter gezogen. Und es läuft. Etwa 10 Sekunden. Dann kommt nix mehr. Aber der Fülledruck ist weg. Rein ins Auto. Alle 45 Minuten das gleiche Spiel. Egal. Nur raus aus Italien. Zwischendurch eine Literflasche Cola mit großer Öffnung gekauft. Cola getrunken, Rest ausgegossen. Mein Ersatzklo für die Autobahn. Sehr spannend, bei Tempo 80 in so ein Ding zu pullern während 40-Tonner hupend an einem vorbeidonnern.. Aber auf italienischen Autobahnen anzuhalten bedeutet den sicheren Tod! Also Augen auf und durch...
Französische Grenze, irgend wo ein Campingplatz. Übernachten - weiter ins Elsass. Zweite Übernachtung. Immer noch alle 45 Minuten das glühende Eisen im Pillemann. Über die Grenze nächste Uniklinik Freiburg. Notaufnahme. Die Dame dort (wieso eigentlich immer Ärztinnen, die mich retten???) schlägt bei der Geschichte und dem Anblick die Hände über dem Kopf zusammen. "Wieso haben sie denn einen geblockten Zugang? Wer hat das verbrochen? So ein Wahnsinn. Der Katheter reizt doch den gebrochenen Harnleiter an der Stelle zur Narbenbildung. Und dann noch geblockt. So ein Schwachsinn. Haben sie was dagegen, wenn ich den ziehe?" Ich verneine. Deswegen bin ich doch da. Irgend ein Kunstgriff, es läuft gefühlt ein Liter Flüssigkeit aus dem Schlauch in meinem besten Stück, ein kühner Ruck, ein kurzes Röcheln des sich komischerweise zusammenkrümmenden Patienten - und - der ständige Schmerz ist weg. Gerettet. Man versteht mich und ich kann auch länger als eine 3/4 Stunde ohne Platzangst in der Blase leben. Juhuuuuuu...
Überleben kann so einfach sein...