Ich habe den verlinkten Artikel gelesen.
Ich denke jedoch nicht, dass es durch "Suizid-Vorbilder" zu einem derart drastischen "generellen" Anstieg der Suizidrate kommt (z.B. die genannten 175 %).
Der Vergleich mit theoretisch sinkenden Suizid-Raten in den darauffolgenden 4 Monaten greift einfach zu kurz.
Die Beschäftigung mit dem Suizid geht häufig über viele Jahre, je nach Situation, Krankheitsbild, Intensität einer Depression, zufällige negative Geschehnisse, Erlebnisse. Da ist mir der Blick auf nur 4 Monate zu wenig wissenschaftlich fundiert.
Zweifelsfrei führen Vorbilder unter Umständen zu einer größeren Enthemmung, daher auch früherer Entscheidung den Suizid gerade jetzt durchzuführen. Man möchte so sein wie, ... was der kann, das kann ich auch, ... wenn ich es jetzt mache, dann bekommt mein Suizid mehr Aufmerksamkeit, ... wenn ich von der Golden Gate springe hat dies einen anderen Stellenwert, als "nur" von der Oakland zu springen, ... oder sich gerade Goethe unter den Kopf zu legen, als deutliches Signal ...
Aber ich kann mir vorstellen, dass es eine geringfügige Steigerung gibt und zwar diejenigen, die eben jetzt mit der Entscheidung ringen, aber eben noch nicht gefallen ist. Ein Vorbild kann diese Entscheidung beschleunigen. Wäre der Vorbild-Suizid nicht geschehen, hätte sich ein Gefährdeter möglicher Weise über dieses Tief gerettet und der Suizid wäre auch in Zukunft nicht passiert.
Ich denke jedoch nicht, dass Steigerungsraten von bis zu 175 % erklären, dass es deshalb eine generelle derart hohe Zunahme wegen des Vorbild-Suizids gibt. Verteilt man dies auf einen längeren Zeitraum - was ich für geboten erachte - ist der Werther-Effekt nicht mehr so hoch.
Grundsätzlich würde ich jedoch auch bejahen, dass es eine Zunahme von Suiziden durch Vorbilder gibt. Aber ob man deshalb die Berichterstattung verkürzen oder gar einstellen sollte, halte ich nicht für opportun.
In wie weit der Gedanke an eine der Suizidprävention angepasste Berichterstattung hilfreich sein könnte, halte ich im Zeitalter von Facebook, Whatsapp, Regenbogenpresse, Online-Medien, Paparazzi, ... für einen frommen Wunsch, abseits von jeglicher Realität.
Wir sollten auch nicht übersehen, dass Suizid-Gefährdete sich auch mit dem Gedanken tragen können, noch den einen oder anderen Ungeliebten, ja sogar Geliebten "mitnehmen" zu wollen. Es gibt genügend Beispiele, die dies belegen. Allerdings erachte ich in diesen Fällen die Nachahmerquote für deutlich höher, wie die vielen Schulmassaker in den vergangenen Jahren verdeutlichen, schließlich ist das "eine spektakuläre Idee" und "ein Abgang der in Erinnerung bleibt".
Am Ende ist ein Suizid immer ein vergeblicher Schrei nach Hilfe, die leider verweigert oder stillschweigend, ja auch unbewusst ignoriert wurde. Im Tod erreicht der Selbstmörder dann zumindest die Aufmerksamkeit, die er vor seinem Suizid benötigt hätte.
@ Dalarna
Danke für Deinen Anstoß zu dieser vielleicht interessant werdenden Diskussion