Leben, was alle Beteiligten wollen und bereichert
Wie habt ihr festgestellt, dass Monogamie nicht die einzig in Frage kommende Beziehungsform für euch ist?
Ende 2006 löste ich mich aus meiner 2ten Ehe, zog nach Berlin und wollte meine Sexualität entdecken. Überraschend schnell fanden sich vier Frauen, und wir wollten die Begegnungen fortsetzen. Erfüllte Sexualität und die damit verbundene Kommunikation lösten damals Gefühle von Verliebtheit in mir aus. Damals trug mein Profil das Motto "Ich lebe schöner, als ich träumen kann".
Wie seid ihr mit dieser Erkenntnis zunächst umgegangen.
Von Anfang an schien es mir nicht fair, einer Frau zu verheimlichen, dass ich noch andere Frauen begegne, und, o Wunder: sie hatten kein Problem damit. Diese Art zu leben wollte ich nicht mehr aufgeben, weil mich die Vielfalt im sinnlichen, emotionalen und geistigen Miteinander sehr bereicherte. Was ich hier erlebte, schien mit in sexuell exklusiven Beziehungen nicht möglich.
Wie seid ihr auf mögliche Alternativen gestoßen,
Anlässlich der zunächst theoretischen Beschäftigung mit BDSM auf Wikipedia. Eine Frau, die mir damals begegnete, lebte das, und ich wollte eine Wissenslücke schließen. Da find ich den Link auf Polyamorie, und nachdem ich diese Seite gelesen hatte, glaubte ich zu wissen, was ich wollte. Was mich reizte, war der Gedanke von Verbindlichkeit und Lebensbegleitung, der mit dieser Beziehungsform kommuniziert wurde. Schnell wurde mir klar, dass ich das im Alter nicht würde leben können und wollen, wenn alle Lieben geografisch in der Welt verstreut leben würden. Wie hätten wir es bewerkstelligen sollen, wenn wir vlt. aus irgendwelchen Gründen nicht mehr reisen können?
wonach richtete sich eure Suche,
Die Idee einer polyamoren Nachbarschafts- und Lebensgemeinschaft (früherer Begriff Polynale) formte sich, und ich suchte nach Frauen, die sich das auch wünschten. Mit einer Partnerin begann ich in einer 2er-WG.
was habt ihr gefunden,
Nach einigen Anläufen fanden wir ein Paar, und wir erweiterten uns (zu?) schnell zu einer 4er-WG, die jetzt, nach etwas über 2 Jahren leider in Auflösung begriffen ist. Zwei von uns, darunter ich, stellten fest, dass jeder für sich einen größeren Wohn-Freiraum in Form einer eigenen Wohnung für sich brauchte. Wir hätten ein Mehrfamilienhaus auf dem Land mit guten Verkehrsverbindungen benötigt. Leider ist der Wunsch mangels Kapital im Berliner Umfeld für uns nicht realisierbar.
und letzlich: Fühlt ihr euch in der entdeckten oder den entdeckten formen glücklich?
Teils, teils.
Nirgends habe ich so viel bedingungslose Annahme und Liebe erfahren, und diese Liebe bleibt, auch wenn der Kontakt weniger werden wird, weil wir nicht mehr alltäglich zusammen sind.
Wenn sich in der 4er-WG jeder glücklich gefühlt hätte, wären wir nicht wieder auseinander gegangen.
Mir fehlte u.a. die Möglichkeit, besucht zu werden und meine Sexualität unbefangen mit anderen Frauen leben zu können. Vlt. hätten sich die Konflikte lösen lassen können, aber nach mittlerweile 48 Jahren Beziehungserfahrung (alles unter 2 Jahren zählt dabei nicht), bin ich der vielen Konflikte müde. Innerhalb der Gemeinschaft führten sie dazu, dass für Erotik fast kein Raum blieb. Die Tatsache, dass ich mich beschränkte, änderte an diesem Zustand nichts; es gab immer noch genug interne Schieflagen, auch ohne Inputs von außen.
Ab Juli werde ich nach langer Zeit wieder die Erfahrung als "Single" in machen dürfen. Darauf bin ich gespannt, und ich sehe der Zeit optimistisch entgegen.
Die Frage wurde nicht vom TE gestellt, ich möchte sie mir stellen:
Was hat sich mit den Erfahrungen geändert?
Geändert hat sich durch die Erfahrungen mein Poly-Optimismus. Deshalb bin ich dieser Gruppe hier beigetreten, wobei ich dem Gedanken von "mehreren 'gleichwertigen' Freundschaften" im Gefühl nicht zustimmen kann. Es wird immer Menschen geben, zu denen ich mich mehr hingezogen fühle, als zu anderen, und die Schwerpunkte können sich verändern. Das ist eine Frage von menschlich-emotionaler Resonanz und der Dynamik im Miteinander, wie sie sich im Verlauf eines Kontakts entwickelt.
Gerade die Möglichkeit zur Veränderbarkeit für alle Beteiligten ist der "anarchistische", der Freiheitsaspekt in der BA.
Ich möchte nicht mehr versuchen, Kontakte zu etikettieren, eher sagen können, was eine Frau und mich verbindet, und wie wir uns bereichern. Ich möchte mich nicht mehr festlegen (lassen) auf "Liebesbeziehung", "Partnerschaft", "Poly", "BA", "Swinger", "Casual Lover", "Affäre", "promisk", "Vertrauter", "Haus- oder Brieffreund" usw.. Ich möchte respektvoll, in Frieden und gegenseitigem Wohlwollen erfahren, was möglich ist und die Beteiligten bereichert. Ob es mir damit besser gehen wird, bleibt abzuwarten.
Dem Gedanken einer Nachbarschaftsgemeinschaft ähnlich gesinnter Menschen bleibe ich treu, aber ich suche nicht mehr intensiv danach.
lich
T
M