Herrschaft der Partnerpartner?
"Herrschaftsfreiheit" und "individuelle Freiheit" sind (u.a.) die Größen, die uns Beziehungsanarchisten zugeschrieben werden.Doch wie steht es damit "in Beziehung"?
Müßte man nicht doch jedes "in Beziehung gehen" als ein stückweit eine freiwillige Abgabe dieser persönlichen Freiheit ansehen - und ist das gut - oder zum Begriff "Beziehungsanarchie" völlig widersprüchlich?
Wer nicht als Solo-BA unterwegs ist, hat diese Abweichung von dem schönen Sprüchlein "Meine Blase - meine Regeln" möglicherweise am deutlichsten beim Hinzukommen weiterer Partner erlebt, die selber schon Teil eines Netzwerkes (Paar oder mehr) sind.
Dabei kann es ja durchaus (leider) vorkommen, daß man diese Lieblingsmenschen des Lieblingsmenschengerade gar nicht abkann.
Was bedeutet das für mich als Beziehungsanarchisten?
Natürlich könnte ich mich auf den polyamoren Standpunkt "die Bestandsbeziehung hat immer Vorrang / ist zu schützen" zurückziehen. Einfach - aber für uns keine hinreichend beziehungsanarchistische Begründung.
Oder ich spiele den "Heimvorteil" der Beziehungsanarchie aus und bleibe bei "Meine Blase - meine Regeln": Alles was nicht zu meinen direkten Beziehungen zählt, definiere ich als "nicht für mich von Belang" aus meiner Blase heraus (also auch weitere Beziehungen von Partnern).
Ist das wirklich Beziehungsanarchie wie sie mal angedacht war? Oder verwende ich dann nur den Aufkleber "Beziehungsanarchie" für eine Lebensweise, die in der Art viel eher einer "offenen Beziehung" oder gar "don't ask - don't tell" entspricht?
Da ist ja dieses lästige Präfix "Beziehung" in der Beziehungsanarchie. Was bedeutet das in dem beschriebenen obigen Krisenfall im Hinblick auf die Partner?
Wenn wir es aufrichtig betrachten, heißt doch das Ablehnen eines Partnerpartners nichts anderes, als das wir auch einen Teil vom Partner selber ablehnen.
"Quatsch - ich liebe den Partner doch - nur dessen Liebste(n) nicht!" mag manche/r ausrufen.
Hand auf's Herz? Indem ich einen Partnerpartner ablehne, verschließe ich doch willentlich die Augen vor einem Teil der Welt meiner Beziehungsperson.
Der andere hat sich in einen Raucher / Omnivoren / Dauergriller / xxx-Wähler, Vanilla etc. (Listenbegriffe beliebig) verliebt und ich blende das aus, obwohl es mich nicht nur fuchst - ich lehne die Grundhaltung ganz und gar ab.
Liebe ich damit dann nicht genau genommen nicht mehr den Partner, sondern nur noch meine persönliche Projektion von ihr/ihm - indem ich diesen störenden blinden Fleck in Kauf nehme?
Die meisten Menscen, mit denen wir dieses Gespräch bisher angeschnitten hatten, haben geantwortet, daß sie sehr überrascht wären, wenn in einer Beziehung einer ihrer Liebsten mit so einer Person im Schlepptau ankommen würde. Oft wurde uns gesagt, daß man dann vermutlich die Natur der eigenen Beziehung selbst in Frage stellen würde, würde der andere Part mit so einer Liebstenwahl Neigungen bekunden, die bisher nie zu Tage getreten seien.
Und interessieren Eure Sichtweisen und Erfahrungen zu dem Thema, z.B.:
Für einen Beziehungsanarchisten kein Thema (ich verhandle das raus)?
Zeit für alle Beteiligten, die Grenzen der Bestandsbeziehung (neu) zu verhandeln?
Grund genug, die Absprachen der Bestandsbeziehung zu prioritieren und Dramabeziehungen beenden?