Interessant…
Bisher hatte ich es mir wohl ziemlich einfach gemacht:Die Beziehung wird von denen definiert, die sie führen (wollen).
Davon ausgehend, dass sich alle Beteiligte in der Beziehung wohl fühlen wollen, sind die Absprachen und vereinbarte Regeln für mich eher nur Mittel zu diesem Zweck.
****on:
Für mich gilt eine Hauptabsprache: Alles soll mit Wohlwollen geschehen.
Das ist für mich keine „Spielregel“, sondern eine Selbstverständlichkeit!
Und eine Frage der Einstellung.
Wenn ich Gegenüber nicht mit Wohlwollen begegne, macht eine Beziehung mit ihm wohl kaum Sinn — außer, ich will ihn nur zum eigenen Vorteil benutzen. Umgekehrt müsste ich dumm und/oder masochistisch sein, mich freiwillig mit jemandem einzulassen, der mir nicht mit Wohlwollen begegnet.
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Wir äußern uns emotional und in unserem Tun jeweils transparent und wirklich genügend ausführlich.
Transparenz gehört für mich auch zu den Selbstverständlichkeiten. Was ist eine Beziehung wert, die nicht von Offenheit und Ehrlichkeit geprägt ist?
Die Kommunikation gehört für mich auch dazu — in dem Umfang, dessen beide/alle jeweils bedürfen. Was „genügend ausführlich“ ist, richtet sich dabei wohl nach dem, der gerade den größten Bedarf hat.
Falls mit „emotional“ gemeint ist, auch über Gefühle zu reden, gehört das für mich dazu. Für mich ist das „so normal“, dass es keiner besonderen Verabredung bedarf.
Jemand, für den das nicht ebenso selbstverständlich ist, werde ich wohl kaum über solche Regel dazu bringen, seine Einstellung und sein Verhalten meinen Vorstellungen anzupassen — ganz davon abgesehen, dass er für mich von vornherein kein „passender“ Beziehungspartner wäre und ich nicht auf die Idee käme, ihn über solches Regelwerk dafür zu „qualifizieren“.
Falls mit „emotional“ gemeint ist, seinen Emotionen freien Lauf zu lassen — so, wie der Mageninhalt eines Betrunkenen an der nächstbesten Laterne einfach raus muss — habe ich dazu auch eine andere Einstellung.
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Wir bemühen uns um ein Gefühl der Sicherheit, erzeugt durch Verlässlichkeit, Berechenbarkeit, gezeigte Zuneigung und die vorgenannte Transparenz.
Wenn meine Integrität kein Gefühl der Sicherheit bietet, dürfte ein vordergründiges Bemühen darum wohl eher das Gegenteil auslösen. Solche Regel finde ich schon deswegen sinnlos: Wenn ich für meine Partnerin nicht zuverlässig und berechenbar bin, dürfte auch eine gezeigte Zuneigung mir kaum helfen.
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Wir bemühen uns um Selbstehrlichkeit und Ehrlichkeit. Wir schonen weder uns selbst, noch das Gegenüber aus Harmoniebedürfnis und falsch verstandener Rücksicht.
Hä? Entweder bin ich ehrlich, oder ich bin es nicht.
Wenn jemand mich von außen betrachtet und sich tatsächlich und objektiv ergibt, ich bin nicht ehrlich zu mir selbst, hatte ich das wohl selbst kaum bemerkt. Da würde die Regel weder helfen noch einen Sinn machen.
Zu Harmoniebedürfnis und falsch verstandener Rücksicht gibt es immer mindestens zwei Auffassungen. Sich selbst nicht zu schonen ist noch „Privatvergnügen“. In Richtung eines anderen würde ich sie eher als einen Versuch der Legitimation, über den anderen hinweg zu bügeln, verstehen (und deswegen ablehnen).
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Wir erlauben uns ausdrücklich Eifersucht. Sie darf sein, aber wir machen uns klar, dass sie irrelevant und nicht gefährlich ist.
Bei dieser Regel erlaube ich mir eine emotionale Reaktion: Was für ein Unsinn!
Eine Regel, die Gefühle oder Emotionen ausdrücklich erlaubt? Das bedeutet im Umkehrschluss, man könne sie mit anders formulierter Regel auch verbieten.
Wer so fühlt, für den ist das wohl auch relevant. Ergo liegt in der Formulierung einer solchen Regel entweder eine Nichtachtung oder die These, Gefühle und Emotionen seien nicht relevant — was die Relevanz der Beziehung bzw. deren Grundlage in Frage stellt. Egal wie herum man es betrachtet — spätestens diese Regel bzw. wenn einer auf die Einhaltung dringt, dürfte gefährlich werden — nur in anderem Kontext.
****on:
Wir erlauben uns ausdrücklich gegenseitige Verletzungen, versuchen diese aber zu vermeiden. Wir sind entschlossen, Verletzungen auszuhalten und wohlwollend miteinander zu bearbeiten und zu heilen.
Spätestens bei dieser Regel würde ich, wenn ich damit konfrontiert würde, denken: Renn, so schnell und so weit Du kannst!
Verletzungen zu vermeiden halte ich in einer Beziehung, die von Liebe, Freundschaft, Wohlwollen und Wertschätzung geprägt ist, für eine Selbstverständlichkeit.
Eine Regel, die Verletzungen ausdrücklich erlauben will, sähe ich als den Versuch, einen Freibrief dafür zu bekommen und sich verhalten zu dürfen wie die Axt im Walde. Das hätte ich gemäß der Regel auch noch auszuhalten und von dem, der mich verletzt hat, auch eine nach seiner Auffassung heilende Therapie über mich ergehen zu lassen. So weit kommt’s noch! Wie viel ich auszuhalten bereit bin, entscheide immer noch ich — und das bestimmt nicht nach irgendeiner Regel.
****on:
Wir machen uns Projektionen bewusst so gut es geht, und vermischen nicht die Verantwortlichkeiten für unser jeweiliges Wohlergehen.
Spätestens das (und das Folgende) wirkt auf mich wie aus einem Buch oder einer Seminarbroschüre abgeschrieben.
Die Regeln „wir reden“, „wir setzen uns miteinander auseinander“ und „wir sind ehrlich“ halte ich für bewährt und pragmatisch. Die sind so einfach, dass jeder ohne Bücher, Seminare oder lange Diskussionen darauf kommen kann. Man muss sie einfach nur anwenden, statt darüber zu diskutieren.
Irgendwie habe ich dabei Assoziation zum Film „Das Leben des Brian“ — zu den Diskussionen, die darin von der Volksfront von Judäa und der Judäischen Volksfront geführt wurden, sowie den Regeln der Beziehung von Brian zu Judith.