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BA mit Kindern (unerzogen)

*******See Frau
1.104 Beiträge
Themenersteller 
BA mit Kindern (unerzogen)
Hier dürfte es ja einige Menschen mit Kindern geben, daher interessiert dies vielleicht einige von euch.

Beziehungsanarchie läßt sich im weiteren Sinne auch mit Kindern leben. Auch (die eigenen) Kinder sind Beziehungspartner - ja, sogar Liebespartner. Und von Anfang an.
Auch im Zusammenleben mit Kindern ist es möglich, sich vom Ballast unnötiger Normen und "das macht man eben so"-s zu verabschieden. Es ist unglaublich, wie vielen (kulturell geprägten) Regeln man standardmäßig erst mal hinterher rennt, ohne sie zu hinterfragen. Das fängt schon in der Schwangerschaft an!

Über Kindererziehung werden jedes Jahr dutzende neuer Ratgeber verfasst. Dabei ist aus BA-Sicht der Trick eigentlich, die Dinger alle in die Tonne zu kloppen und den Blick nach innen zu wenden. Das Ganze nennt sich dann "unerzogen".
Dabei ist "unerzogen" keines der klassischen Erziehungskonzepte a la "du musst das so und so machen", sondern eine Haltung - also ähnlich wie "Beziehungsanarchie" keine Beziehungsform ist, sondern eine Lebensweise.

Worum es geht:
• behandle dein Kind mit Respekt und als einen vollwertigen Menschen
• sei zunächst als Mensch selbst authentisch: besonders auch deinen Kindern gegenüber
• sei kein Arschloch, das Regeln um ihrer selbst willen durchprügelt
• hinterfrage jedes "nein" mit einem ernsthaften "warum eigentlich nicht"

Jesper Juul geht damit in vielen Teilen konform, besonders was den durch ihn geprägten Begriff der "Gleichwürdigkeit" angeht.

Weitere Infos hierzu:
> Ich hoffe es ist erlaubt - hier ein Link zu einer kompakten Übersicht zum Thema:
https://freiefamilie.de/unerzogen/
> Auf FB gibt es eine "unerzogen"-Gruppe
> Es gibt eine "unerzogen" Zeitschrift
> Bücher von Jesper Juul sind ein sanfter Einstieg

Ich versuche das Anarchie-Ding mit meinen Kindern zu leben, soweit es gerade passt. Für Neueinsteiger in der Worte-Definiererei: Anarchie bedeutet NICHT, daß es keine Regeln gibt! Das ist bei "unerzogen" nicht anders. Die "unerzogen"-Kids dürfen auch nicht mit verbundenen Augen über rote Ampeln rennen. Sie dürfen aber schonmal den Nachtisch vor dem Hauptgericht essen, wenn es keinen vernünftigen Grund dagegen gibt.
Also nochmal: Bitte NICHTmit dem "Laissez faire" verwechseln, was meiner Meinung nach mit "ich lass mein Kind verwahrlosen und kümmer mich n Scheiß" zu übersetzen wäre!

Ich lebe die Denke nicht als Dogma. Dogmen sind immer böse. Ich muß keinen "unerzogen"-Preis gewinnen. Manchmal fehlt mir die Kraft zum konstruktiven Umgang, und ich lass den Mama-Nazi raushängen. Der Trick dabei ist vor allem, daß man nicht aus Prinzip ein autoritärer Penner ist seinen Kindern gegenüber, und sich selbst hinterfragt - und hinterfragen läßt - durchaus auch von seinen Kindern - und drüber redet - durchaus auch mit seinen Kindern.

Wenn ihr Fragen habt - gerne.
*********eeker Mann
1.552 Beiträge
Ich kann das nicht so stehen lassen. Denn das stellt das alles deutlich zu positiv dar. Ich kenne unter anderem die Herausgeberin des Unerzogen-Magazins, bin also dort definitiv nicht uninformiert. Ich würde auch einen Teufel tun und Jesper Juul da in einem Atemzug zu nennen. Denn der hat mit der unerzogen-Ideologie nichts zu tun.

Es ist ja schön, dass du laissez-faire (lass sie machen) versucht auszuklammern. Das klappt aber leider nicht. Geschichten von André Stern lesen sich auch wunderbar, scheitern aber sehr oft an der Realität.

Die unerzogen-Ideologie mündet sehr schnell in unschooling und Freilernen. Dann sind wir sehr schnell bei Sudburry Schulen und ähnlichem. All diese Konzepte sind wunderbar, bis sie auf die Realität treffen.

Ich möchte aber ein Beispiel geben, wo unerzogen scheitert. Es gibt noch tausende mehr, aber dieses ist sehr gut nachvollziehbar.

Gucken wir uns Medienkonsum und Medienkompetenz an. In den letzten Jahren hat gerade das unerzogen-Magazin hier eine Wandlung durchgemacht. Kinder können nicht einschätzen, wann Medienkonsum angemessen ist und was es mit ihnen macht. Gerade Handyspiele werden so gestaltet, dass sie Suchtverhalten auslösen. Man könnte ja dagegen halten, dass man zusammen mit den Kindern daran arbeiten kann, dass sie es erkennen. Klappt aber nicht. Gibt es inzwischen einige Studien zu.

Anarchie meint nicht Regelfreiheit. Das ist richtig. Anarchie meint aber Hierarchiefreiheit. Und das klappt mit Kindern nicht. Kinder, besonders Jungen brauchen Führung. Wenn man sich André Stern anguckt, sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass die Mutter dafür ihren Job komplett aufgegeben hat, dass der Familie das Netzwerk der Sternfamilie zur Verfügung stand und steht und man als arbeitender Mensch das nicht leisten kann und als arbeitsloser schon dreimal nicht.

Ich habe nichts gegen Jesper Juul, Gerald Hüter oder viele andere in diesem Bereich. Die haben aber mit die Ideologie nichts zu tun. Ich habe zu viele verwahrloste und süchtige Kinder gesehen, deren Eltern der "unerzogen"-Ideologie anhingen, als dass laissez-faire da aus dem Spiel wäre. Die Szene ist zudem mit Reichsbürgern und anderen Radikalen durchsetzt. Das sollte man wissen, bevor man sich damit beschäftigt.

PS: Ich bin Dozent für App-Programming, also definitiv kein Verweigerer dieser Medien, nur ein Insider.

PSS: dass Kinder Führung brauchen, ist übrigens Jesper Juul, nicht was von mir.
*******See Frau
1.104 Beiträge
Themenersteller 
Mag sein, daß es Leute gibt, die "unerzogen" als Ideologie leben. Die gibt es überall zu jedem Thema.
Ich kann da nur von mir ausgehen: von meinem (Halb-)Wissen, meinem Leben. Mein Ansinnen war es hier nicht ein Studienfach zu bieten.
Ich schrieb, ich lebe es nicht als Dogma, sondern als grundsätzliche Haltung. Dadurch bin ich bestimmt kein Reichsbürger und ich komme auch ohne Aluhut aus. *lol* Und auch wenn ich Themen wie "unschooling" gegenüber grundsätzlich offen gegenüberstehe: wenn man da nicht das passende drumrum zu hat, ist es keine Option, dann ist Schule das kleinere Übel.

Nur weil es Bekloppte gibt, die das auch gutfinden, ist die Sache an sich nicht bekloppt.
Und ich behaupte, die allermeisten, die "unerzogen" (teilweise) leben, sind nicht bekloppt und nicht dogmatisch und ganz(!) bestimmt nicht laissez-faire.

Es bleibt ja jedem selbst überlassen, was er von "unerzogen" mitnimmt, und wo Schluss ist. Beim Thema Medienkonsum ist das bei uns beispielsweise der Fall, genauso bei Süßigkeiten. Jeder zieht seine Grenzen da woanders. Betrachtet man "unerzogen" aber als Haltung und nicht als Dogma, ist das aber okay, denn dann gilt diese Haltung sich selbst als Eltern gegenüber.

Das Magazin habe ich schon länger nicht mehr im Abo, aber zumindest vor wenigen Jahren war das meilenweit(!) von laissez-faire entfernt. Ich fand die Artikel informativ, krass inspirierend weil es mögliche Alternativen zeigte, engagiert und teils auch provokant.

Ich sehe keinen Widerspruch zum Thema "Kinder brauchen Führung" und "Beziehungsanarchie". Die Eltern (oder die erwachsenen Hauptbezugspersonen) sind nicht nur eine natürliche Autorität eines jeden Kindes (ab Geburt oder wie auch immer), sondern auch eine gewählte Autorität. Kinder WOLLEN (und existentiell gesehen brauchen) die Führung durch die Eltern ja, insofern ist es okay, wenn man dem Anspruch gerecht wird. Sie wollen (und brauchen!) aber keinen diktatorischen Herrscher - was übrigens auch Juul so bestätigt. Das ist aber in vielen Kinderleben bittere Realität: die Eltern entscheiden, was angezogen wird, was gegessen wird, was gespielt wird, was gesagt werden darf, in welcher Reihenfolge die Spielgeräte auf dem Spielplatz genutzt werden, wann gelacht werden darf, welche Farben erlaubt sind. Schrecklich.

Als Mama kann ich ein liebevolles Leit-Tier sein, und trotzdem im Anarchiegedanken dem Kind ein Recht auf größtmögliche Selbstbestimmung einräumen. Kind will nackt bei Minusgraden spazieren gehen? Bitte, no problem. Packt das vorausschauende Mutter-Tier halt warmen Tee und warme Klamotten mit ein. Nach 5 Minuten entscheidet sich das Kind selbst um - und spätestens wenn es schnattert, stellt das Thema nochmal zur Disposition bzw legt Veto ein, wenn die Lippen blau werden. *zwinker*

Irgendwann wählen die Kinder einen als Führungsgeber ja sowieso ab, wenn man seinen Job scheiße macht - das fängt dann spätestens in der Pubertät an. Dann hat man auch als nicht-anarchische Führungskraft ein Problem.

Zum Thema Juul - nein, der ist nicht völlig "unerzogen". Hab ich auch nicht behauptet. Aber in vielen wichtigen Punkten geht es in diese Richtung, und als sanftes Warm Up find ich ihn gut. Er war außerdem mein persönlicher Einstieg in das Regeln-brechen in meinem Kopf.
*********eeker Mann
1.552 Beiträge
*******See:
Irgendwann wählen die Kinder einen als Führungsgeber ja sowieso ab, wenn man seinen Job scheiße macht - das fängt dann spätestens in der Pubertät an. Dann hat man auch als nicht-anarchische Führungskraft ein Problem.

Das stimmt nicht. Kinder wählen sogar die Eltern immer wieder, besonders wenn ihnen Leid zugefügt wird.

*******See:
Zum Thema Juul - nein, der ist nicht völlig "unerzogen". Hab ich auch nicht behauptet. Aber in vielen wichtigen Punkten geht es in diese Richtung, und als sanftes Warm Up find ich ihn gut.

Da er sich selber sehr deutlich davon distanziert, ist diese Beschreibung einfach falsch. Unerzogen vertritt eine anarchische Kindererziehung, die ohne jede Autorität auskommt. Es ist unlauteren dies so zu verbinden. Jesper Juul ist auch keine Vorstufe, nur weil er autokratische Kindererziehung ablehnt.

Wenn hier Werbung für etwas gemacht wird, dann sollte es möglich sein ein komplettes Bild zu liefern. Dann kann ich mich nicht hinstellen, dass ich ja eigentlich doch was ganz anderes mache und dass ich ja keiner dieser "Bekloppten" bin. Es gibt diese Bekloppten aber. Und davon nicht wenige. Sobald ich Menschen auf etwas Hinweise und Werbung für etwas mache, vertrete ich nun mal auch die Dinge für die andere stehen. Da unerzogen nun mal eine anarchische Kindererziehung vertritt, propagiere ich sie mit der Werbung dafür. Aufklärung ist mehr als Werbung. Denn Aufklärung stellt mehr als nur den schönen Schein dar.

Das Unerzogen-Magazin wird vom tologo-Verlag herausgegeben. Ein Verlag, der sehr explizit für unschooling wirbt. In diesem Umfeld gibt es einige ziemlich radikale Personen. Die Herausgeberin des Magazins selbst gehört nicht dazu und hat in den letzten Jahren auch einige Konflikte diesbezüglich gehabt.

In diesem Umfeld gibt es sicher viele Personen, die einfach nur einige Elemente des unerzogen für die Erziehung ihrer Kinder verwenden. Das sei ihnen unbenommen, da ist auch nichts dran auszusetzen. Man wird aber in der Szene auch auf sehr viele Menschen treffen für die Motivation bereits Gewalt bedeutet. Die jedwede staatliche Institution von Schule, Jugendamt, Schulamt, Ärzte usw als ungerechtfertigte Gewaltanwendung verstehen. Darauf muss man hinweisen, wenn man für diese Ideologie wirbt.
Interessant....
... Ich beschäftige mich beruflich mit Erziehung und habe zwar durchaus schon verschiedenste Erziehungsstile analysiert und durchleuchtet, aber Unerzogen war bisher nicht dabei.
Danke für den Impuls, mich tiefer in diese Thematik zu versenken!

Grüße, Ragnar
*******See Frau
1.104 Beiträge
Themenersteller 
*********eeker:
*******See:
Irgendwann wählen die Kinder einen als Führungsgeber ja sowieso ab, wenn man seinen Job scheiße macht - das fängt dann spätestens in der Pubertät an. Dann hat man auch als nicht-anarchische Führungskraft ein Problem.

Das stimmt nicht. Kinder wählen sogar die Eltern immer wieder, besonders wenn ihnen Leid zugefügt wird.

Ich hab meiner Mutter (alleinerziehend) innerlich gekündigt, als ich ca 9 war. Ich kann mich sogar noch an den Moment erinnern, in dem ich das ganz bewußt entschied.

Fortan war sie nur noch alternativloser Machthaber (zwangsläufig), aber keine von mir aus freien Stücken gewählte Führungsperson mehr.

Vielleicht sollte man Kinder da auch nicht unterschätzen.
*******See Frau
1.104 Beiträge
Themenersteller 
Auch wenn curious_seeker der Meinung ist, daß es mir ganz offensichtlich an der Fachkompetenz mangelt, um "unerzogen" an sich gut finden zu dürfen und das auch noch als Thema zu veröffentlichen ...

... so hoffe ich trotzdem, daß es für einige hier einen Impuls gibt sich der Thematik des Zusammenlebens mit Kindern mal aus einem anderen Blickwinkel zuzuwenden. Es lohnt sich.

Auch wenn die Threaderöffnerin (offensichtlich!!!) nur über gut gelauntes rausposauntes Halbwissen verfügt (und sich weigert, sich dafür zu schämen, ich bin Informatiker kein Soziodingsbums). *aetsch*

Frei nach Pipi Langstrumpf: macht euch die Welt, wie sie euch gefällt, pickt euch raus was gut tut und scheißt den Rest zurück in den Hut.
... Der arme Hut. *haumichwech*

Ich beschäftige mich übrigens nicht damit als Alternative zu meinem sehr konsequenten und autoritären Stil, sondern aus reinem Interesse. *zwinker*
******ore Frau
4.608 Beiträge
Unerzogen muss man sich vielleicht auch leisten können.....

Ich bin examinierte Familienpflegerin und habe lange Zeit Familien mit bis zu 4 Kindern betreut und nebenbei den Haushalt versorgt. Soviel wie möglich in meine 38 Stunden- Woche gepackt, damit die Eltern nach ihren Jobs nur noch das Notwendige für die Kinder zu regeln hatten.

Mit Unerzogen hätte das nicht geklappt. Es gibt Notwendigkeiten, die Kinder sehr wohl begreifen können.

Mit mir haben sich die Kinder durchaus gerieben und sollten das auch, denn mir war es lieber, wenn sie die sozialen Regeln zu Hause gelernt haben, wo Fehler verziehen werden, Geduld für die Erziehung da ist, als bei Freunden, wo man, wenn man die Regeln nicht einhält u.U. nicht mehr willkommen ist. (Mir als Einzelkind so passiert, nachdem ich wiederholt den kleinen Bruder einer Freundin ausbooten wollte).

Ich praktiziere es so, dass es so wenige Regeln wie nötig gibt, die aber konsequent eingehalten werden. Das macht sich in der Konsequenz bis auf wenige Reibungsphasen fast von alleine.

Alle meine Tageskinder und auch mein Sohn haben schon immer auf "Stop" gehört, allerdings konnten sie sich darauf verlassen, dass ich es nicht inflationär gebrauche.

Am Wochenende war ich mit einer Dreijährigen konfrontiert, die bei Stop gegrinst hat und weitergegangen ist (in Richtung Sprungrube im Freibad....). Die Mutter sagt, ich hätte es ihr erklären können (dafür war sie schon zu weit entfernt und hörte nicht auf mich) oder sie austricksen, ablenken können. Ist nicht mein Stil. So habe ich das Kind wieder der Mutter in die Hand gedrückt, anstatt ihr noch ein wenig mehr Verschnaufpause zu gönnen.

Ergo: wenn Dein Kind sozial gut integriert ist, hast Du es als Elternteil erheblich leichter.

Und ich rede hier nicht von Kadavergehorsam!

Es gibt Kleinigkeiten, die für mich nicht gut gehen, vor allem, wenn ich noch oder schon müde und erschöpft bin. Dann wird auf später vertagt.
Da Nachtisch bei uns auch Zucker enthalten darf, bin ich durchaus dafür, dass erst eine gewisse Menge des Hauptgerichts gegessen wird.
Dafür darf man bei uns auf dem Esstisch stehen, wenn der Sonnenuntergang nur von dort aus richtig zu betrachten ist.

Was passiert mit unerzogenen Kindern, wenn sie beim Vorstellungsgespräch sind und nie gelernt haben, dass es eben doch Hierarchien gibt??? Lernen dann alle, sich selbständig fortzubilden und selbständig zu arbeiten? Damit sie nur ja nie mit Vorgesetzen konfrontiert werden? Oder zahlen Mami und Papi die Wohnung, das Essen und das Dope???
*****e_3 Frau
2.065 Beiträge
Als meine beiden älteren Kinder 3 und 4 waren, zogen wir in ein Haus, das zu einer Hofgemeinschaft gehörte. In einem ehemaligen großen Bauernhof waren Scheunen und Ställe um- und ausgebaut worden, mehrere Familien wohnten in mehreren zum Hof gehörenden Wohneinheiten und man teilte sich den Hof, in dem oft gegrillt, gefeiert, oder einfach zusammengesessen wurde...

Eine Familie, die dort einzog, hatte ihren beiden Kindern gegenüber einen "Erziehungsstil", der mir erstmal sehr fremd war. Ich erlebte die Kinder als sehr offen und frei, aber auch als oft auf sich allein gestellt. Im Dunkeln mit 8 oder 9 alleine mit dem Rad nach Hause fahren, während die Eltern zu Hause waren, aber keine Notwendigkeit sahen, die Tochter abzuholen.
Damals empfand ich das, was diese Eltern als "Freiheit für ihre Kinder" bezeichneten oft eher als "Egoismus / Bequemlichkeit der Eltern" .
War die jüngste Tochter bei uns - was sehr oft der Fall war (sie war anfangs 3, wie meine Tochter), so war meist Chaos angesagt. Die Kleine räumte Schränke aus, um daran hochzuklettern, setzte den Holzbauernhof, den mein Vater für meine Kinder gebaut hatte, unter Wasser, Schnitt Puppen die Haare,...
Wenn meine Kinder ihre Fahrräder aus dem Schuppen holen wollten, waren die nicht immer da, denn die Nachbarskinder betrachteten Spielsachen als "Eigentum aller Kinder"...
Gegenüber waren neue Häuser gebaut worden und in einem Garten war eine Schaukel. Im Hof gab es ein tolles Spielhaus, auch mit Schaukel und Rutsche, aber die Schaukel im Nachbargarten war eben interessanter und so hob der Vater seine Kinder zum Spielen in nachbars Garten, ohne, dass der Nachbar davon wusste, denn der war gar nicht zu Hause.

Ich fand damals vieles schräg und fragte mich oft, wie Kinder, die derart ohne Regeln (so nahm ich es damals wahr) aufwuchsen, mal klarkommen sollten.

Sie kamen klar. Sie machten, soweit ich es später noch mitbekam (wir und auch diese Nachbarn zogen nach ein paar Jahren weg), sehr gut ihren Weg.
Nach besserem Kennenlernen wurden Vorurteile bzgl "sich nicht kümmern" abgebaut und es wuchs Verständnis dafür, dass da Leute ganz bewusst hinterfragen, ob es nicht anders möglich ist.
Mich stimmte sehr nachdenklich, was ich miterlebt habe und heute denke ich, dass mal wieder "die Wahrheit in der Mitte zu vermuten ist", so es sie - dieses "Richtige" denn überhaupt gibt.

Es liegt auch am Kind.
Mein Jüngster, der Jahre später geboren wurde, hat eine leichte Form des Asperger Autismus.
Ohne geregelten Tagesablauf, feste Rituale und Halt wäre er als kleiner Junge absolut überfordert gewesen. So langsam kommt er besser klar und kann nach und nach etwas selbstständig schaffen. Er brauchte aber einen anderen Weg, als die anderen Kinder.

Inwieweit wir irgendwelchen Theorien bzgl Erziehung folgen können - so wir das denn wollen - , bestimmen die Kinder in hohem Maße mit.
Nichts passt generell für alle, aber ein Höchstmaß an Freiheiten, die wir mit gutem Bauchgefühl zu geben imstande sind, halte ich für eine super Lösung.

Und ich mag mich da nicht in Erziehungsbücher vertiefen (wenn ich auch ab und zu mal eins gelesen habe), sondern darauf vertrauen, dass die spezielle Bindung zu jedem Kind und ein Hingucken in Liebe schon richtig sein wird, soweit es das "Richtig" überhaupt geben kann.
Irgendwann sind wir vielleicht schlauer. Bis dahin haben wir vermutlich viele Fehler gemacht. Wir werden sehen... 😉
*******See Frau
1.104 Beiträge
Themenersteller 
Man darf das nicht immer alles so dogmatisch sehen.

Für uns bedeutet das "unerzogen" nicht, daß sich jeder benehmen kann die die Axt im Walde ohne Rücksicht auf Verluste. In unserem Fall bedeutet es vor allem die bewußte Abkehr von vielen klassischen Erziehungsmethoden. Wir möchten unsere Kinder nicht dressieren.
Es bedeutet auch, daß wir klar kommunizieren, warum uns etwas stört, welche Gefühle wir dabei haben, und es nicht einfach kommentarlos verbieten. Auf gegenseitige Rücksichtnahme legen wir viel wert. Das geht aber in beide Richtungen: auch wir Eltern müssen Rücksicht nehmen auf unsere Kinder. Genauso wie wir den berechtigten Anspruch haben, daß nicht neben uns getrommelt wird wenn wir Kopfschmerzen haben, haben die Kinder den berechtigten Anspruch auf Rumtoberei. Dann muß man gucken, wie man das löst.

Pauschale Erzieherei um die Kinder zu einem "guten Benehmen" zu dressieren ist mir zuwieder.

Zum Beispiel müssen unsere Kinder sich nicht bedanken. Wir bedanken uns und sind freundlich und sind da Vorbild - die gucken sich das von selbst ab. Wenn sie zur Wursttheke gehen und ne Wurst schnorren, und die nur nehmen und nix sagen - dann merken sie schnell selbst, daß es nicht gut ankommt, weil die Wurstfachverkäuferin dann ungehalten motzt. Dann wundert sich das Kind und fragt - Mama erklärt, du es fühlt sich für die anderen einfach total doof an, wenn du das kommentarlos nimmst, wenn du deine Wurstquote beibehalten willst wäre es ne Idee das tolle Wurst-Geschenk auch zu dem andern gegenüber wertzuschätzen - so lernt das Kind effektiver, daß Freundlichkeit sinnvoll ist. Wenn sie sich bedanken (was sie inzwischen von sich aus fast immer tun), kommt es von Herzen und ist nicht nur repetiertes Verhalten.

In unserem Umfeld gibt es zu Hauf Eltern, die ihre Kids permanent rumkommandieren: du mußt das so und so, ich zähle bis drei, wir gehen jetzt sofort, zieh das an oder aus, wenn du dich jetzt nicht benimmst gibt es kein Fernsehen, du mußt das aufessen, usw. Überall wird Macht auf die Kinder ausgeübt, sie werden zum Gehorsam gedrillt und zum Klappe halten. Es gibt viele Verbote, die einfach auch keinen Sinn machen, oder aus eigentlich anderen Gründen ausgesprochen werden. Da wird den Kindern zB generell verboten auf dem Sofa zu hopsen, weil sie könnten mal bei jemand zu Besuch sein, der das nicht mag. So ein Quatsch: Kinder sind ja nicht doof. Bei uns darf gehopst werden. Wenn wir wo sind, wo es den Sofabesitzer stört, sagen wir einfach: hier darf leider nicht gehopst werden, such dir ein anderes Spiel - und dann ist gut. Wenn wir Zuhause sind, darf wieder gehopst werden. Wollen wir grad selber auf dem Sofa chillen und es stört, sagen wir "wir waren zuerst hier und es nervt uns wenn du jetzt hopst, hör mal auf damit" - und gut ist. Die Kinder haben schon immer kapiert, daß Regeln mit veränderten Umständen flexibel sind.

Uns hat man immer prophezeit, die Kinder würden uns irgendwann total auf der Nase rumtanzen, machen was sie wollen, aber das ist nicht der Fall. Die beiden sind sehr empathisch, und wenn sie hohl drehen hat das einen Grund: zu müde, zu hungrig, nicht genug Auslauf gehabt. Normal!

Meine Mutter (Erzieherin und arbeitet mit minderjährigen Müttern) fand unsere Art furchtbar, und weissagte die Kids würden ohne den strikten Halt der elterlichen Gängelei total sozialinkompetent werden. Heute ist sie immer wieder erstaunt, was für nette, verständige und "guterzogene" Kinder dabei rumgekommen sind.

Das was Soukie schreibt, passt im weitesten Sinne auch auf uns - unsere Kinder haben viele Freiheiten, die andere Kinder so nicht haben. Wir geben uns Mühe auf Augenhöhe zu kommunizieren. Wir prüfen jedes "nein" bevor wir es aussprechen wollen mit einem "was stört mich daran eigentlich wirklich, gibt es noch einen dritten Weg".
******ore Frau
4.608 Beiträge
Ich finde, dass Unerzogen im Außen oft an Grenzen anderer stößt und sie sogar häufig überschreitet. Das führt auf Dauer zu sozialen Konflikten.
Ich arbeite in einer Schule intensiv mit 11- 18- jährigen (und zwar in großer Anzahl) und die Kinder und Jugendlichen schätzen meine Konsequenz, genauso, wie sie meine Zugewandtheit schätzen.
Füße mit Schuhen auf den Nachbarstuhl legen, Müll nicht aufheben, da kann ich richtig garstig werden. Aber ich sehe auch genau hin, wenn jemand schüchtern, überfordert, verzweifelt, traurig, aggressiv, ängstlich oder grenzgängerisch ist. Frage nach, erkläre, bin fürsorglich.

Mit gut erprobten Methoden kann ich Konflikte in ziemlicher Geschwindigkeit nachhaltig auflösen, ohne, dass es zu Wertungen kommt, wer hat was falsch und richtig gemacht, das erleben die Kinder als sehr heilsam.

Für mich gilt Unerzogen im Innen: die folgenden alten Konditionierungen loswerden: über Gefühle wird nicht geredet, man hat sie im Idealfall gar nicht erst, Regeln nicht erklärt, Hierarchie ist in jedem Fall aufrechtzuerhalten... So bin ich groß geworden und DAS hat mich belastet.

Dabei die Balance zwischen kreativer Individualität und sozialer Integration zu wahren, ist die Kunst......
*****e_3 Frau
2.065 Beiträge
Wenn Kinder ausschließlich nach festen Regeln und immer "konsequent" erzogen werden, ohne dass ihre Sicht und ihre Bedürfnisse Gewicht bekommen, wie sollen sie dann zu Erwachsenen werden, die kritisch sind, die Hinterfragen und eben nicht zu Mitläufern werden (Ausnahmen bestätigen die Regel 😉)?

Das bedeutet aber auch, dass die Kinder, wenn sie erwachsen werden, eben nicht die Einstellung der Eltern teilen können, bzw eine von der Meinung der Eltern sehr abweichende Vorstellung vom eigenen Weg wählen. Da wird's dann auch für mich schonmal hart. 😉

Ich mache für mich selbst die Erfahrung, dass ich auch heute noch versuche zu erkennen, wer ich eigentlich bin. Diese Wahrnehmung des eigenen Ich kann durch strenge und konservative Erziehung verschüttet sein und man "gräbt" dann sein weiteres Leben, um den Weg zum Ich zu finden. Irgendwie ist das gruselig, finde ich.

Mit "Bitte" und "Danke" hat das für mich aber wenig zu tun und ich denke, dass eine gewisse Höflichkeit zu vermitteln, nicht wirklich beeinträchtigt, sondern das Miteinander freundlicher macht, WENN sie ehrlich ist.
Ehrlichkeit sollte über irgendwelchen Alltagsfloskeln stehen.

Mit Schmunzeln denken wir heute manchmal daran, wie es war, als mein Freund zum erstenmal mit seiner Tochter hier war und wir mit meinen Dreien einen Spieleabend machten.
Als mein Freund meiner Tochter im Spiel in die Quere kam, rief diese : "Du Arsch!"
Mein Freund und dessen Tochter waren regelrecht geschockt ("Respekt" und so *lach*).
Patchwork kann bei unterschiedlichen Erziehungsschwerpunkten beim Zusammentreffen eine Begegnung zweier Welten sein. *lol*
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