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BA und Polyamory (Hintergrundthesen)

*****una Frau
653 Beiträge
Themenersteller 
BA und Polyamory (Hintergrundthesen)
dies und das zum Thema: Beziehungs-Anarchie und
dazu ein paar Hintergrundthesen. Viel Spaß beim
Nachlesen und/oder Mitmachen. Namaste *regenbogen* La Bluna
*****una Frau
653 Beiträge
Themenersteller 
Federica Gregoratto//Polyamorie
1.
Dies ist kein Manifest. Polyamorie ist kein Lifestyle und keine Lebensweise, die an sich besser wäre als andere. Sie führt nicht notwendigerweise zu sozialer Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Freiheit – allerdings wird eine bessere Gesellschaft die Möglichkeit von Poly-Beziehungen anerkennen und fördern.
2.
Wir werden nicht polygam oder monogam geboren. Polyamorie ist nicht natürlicher als Monogamie. Die Natur individueller Impulse, Triebe, Wünsche, Affekte und Emotionen ist anarchisch, kontingent, wirr und divers, sie lässt sich nicht auf universelle, feste Gesetze reduzieren. Manche Menschen, unabhängig von Gender und Sexualität, können sich „natürlich“ (heftig, unkontrollierbar) zu mehr als einer Person auf einmal hingezogen fühlen und sich verlieben – andere nicht. Sowohl die Polyals auch die Mono-Varianten von Begehren und Gefühlen sind natürlich. Beide können uns, auf unterschiedliche Weisen, verletzlich machen.
3.
Polyamorie ist nicht (nur) das Resultat einer bewussten, auf guten Gründen beruhenden Entscheidung. Wir beschließen nicht, poly zu leben, weil es „cool“ ist, wir es für moralischer halten oder ein politisches Projekt daraus machen wollen. Wir geraten in die Polyamorie hinein, so wie wir uns verlieben: ohne Plan und ohne zu wissen, ob es eine gute Idee ist oder nicht. Es geschieht – vielen Menschen, nicht allen; manchen nur einmal im Leben, manchen mehr als einmal. Manche von uns haben eine konsistente Neigung zu multiplen, simultanen sexuellen und romantischen Wünschen und entschließen sich, damit offen und ehrlich umzugehen. Doch der entscheidende Punkt des polyamourösen Projekts ist eine Reaktion auf das, was mit uns und mit denen, die wir lieben, geschieht. Es ist die Wahl, die Verletzlichkeit – die Ungewissheit, die Angst vor Verlust und Veränderung – mutig in Kauf zu nehmen. Es kann gute Gründe dafür geben, diese Wahl nicht treffen zu wollen.
4.
Eine polyamouröse Beziehung ist kein Vertrag und lässt sich nicht auf einen solchen reduzieren. Sie unterscheidet sich wesentlich von der Ehe, wenngleich natürlich auch verheiratete Menschen beschließen können, poly zu leben. Liebende können den Wunsch haben, für sich selbst Regeln festzulegen und Grenzen zu ziehen. Dies ist eine wichtige Übung der Selbsterkenntnis und Selbstentfaltung. Regeln und Grenzen drücken aus, wer wir sind, was wir tun und sein wollen. Doch wenn es um Liebe und Sex geht, werden Regeln unweigerlich gebrochen, Grenzen überschritten. Die „Kunst“ der Polyamorie ist eine kontingente, kontextabhängige, ambivalente Praxis: Wie vollziehen wir solche Überschreitungen, wie akzeptieren und begrüßen wir Abweichungen, wie handeln wir unsere Regeln neu aus und wandeln sie ab? Wie überwinden wir dabei unsere Furcht? Diese wichtigen Fragen sind nicht a priori beantwortet.
5.
Der Fokus der Polyamorie ist nicht das Ich, sondern es sind die anderen und das Wir. Wir verstehen, was es heißt, poly zu sein und zu leben, wenn wir nicht nur daran interessiert sind, unsere egoistischen Gelüste und Wünsche zu befriedigen, sondern die Gelüste und Wünsche des anderen – die womöglich mit unseren eigenen kollidieren – zu verstehen, anzunehmen und zu begrüßen. Polyamorie ist eine Übung darin, die eigene Perspektive zu dezentrieren: indem wir die Perspektive der anderen mitdenken, ohne zu glauben, dass wir alles über sie wissen; indem wir uns von der Illusion verabschieden, das Begehren der anderen kontrollieren zu können. Polyamorie ist kein Ausdruck individueller, negativer Freiheit und somit von (Selbst-) Kontrolle. Sie baut ein neues Wir auf, sie eröffnet neue Wege des kollektiven Lebens.
6.
Bei Polyamorie geht es nicht um Sicherheit und Unbesiegbarkeit, sie ist nicht eine Art emotionales Bankdepot. Vielleicht denken wir: Wenn es mit jemandem schiefläuft, habe ich ein anderes Eisen im Feuer. Aber so läuft es nicht (siehe Thesen 3 und 4). Jede Liebes- und jede sexuelle Beziehung hat die kognitive und affektive Konsequenz, unsere eigene radikale Verletzlichkeit zutage zu fördern. Wenn wir mit mehr als einer Person sexuell und emotional verbunden sind, multipliziert sich die Verletzlichkeit. Dieses Mehr an Verletzlichkeit bringt nicht nur mehr Gelegenheiten für Schmerz mit sich (etwa die Angst, verlassen zu werden), sondern auch für Formen der Manipulation und Ausbeutung. Damit wird die Polyamorie potenziell zu einer Übung im kritischen Denken: Wie und in welchem Maß kann die Abhängigkeit von anderen – ihrer Anerkennung, ihrer Fürsorglichkeit, ihrem Begehren – aufhören, gefährlich zu sein, und stattdessen ersprießlich und produktiv werden? Die Antworten auf diese Frage haben eine feministische, aber auch eine antikapitalistische, anti-neoliberale Relevanz.
7.
Bei Polyamorie geht es nicht um Effizienz oder Selbstoptimierung: Uns unserer Verletzlichkeit zu stellen, ist ein schwieriges, mühevolles und zeitaufwendiges Unterfangen. Wir vergeuden Zeit, verschwenden unsere emotionalen und materiellen Ressourcen. Die Zeit, die wir mit unseren Geliebten verbringen – und mit der Suche nach dem, was wir wollen und wie wir leben wollen –, ist geraubte oder gekaufte Zeit; Zeit, die wir uns nicht für produktive Tätigkeiten nehmen. Das Projekt Polyamorie lässt sich nicht mit ökonomischer Rationalität in Einklang bringen.
8.
Bei Polyamorie geht es nicht nur um Sex. Es geht auch um Arten, Freundschaft wertzuschätzen, die in der derzeitigen gesellschaftlichen Organisation nicht vorgesehen sind. Aber um Sex geht es auch, um die Wechselbeziehungen zwischen Sex und anderen Formen von Intimität. Polyamorie treibt uns an, verschiedene Möglichkeiten des Lebens und Liebens zu erkunden. Poly-Beziehungen können viele Gestalten annehmen – „V“ (wenn eine Person zwei Geliebte hat, die aber untereinander nicht verbunden sind), „Dreier“ (in dem alle erotisch verbunden sind), „Vierer“, intime Netzwerke, Beziehungsanarchie et cetera. Manchmal hilft es zu wissen, wie man sich selbst bezeichnet, und manchmal blockieren Kategorien und die damit verbundenen Regeln und Grenzen den Prozess der erotischen Subjektwerdung. In sozialen Zusammenhängen, die es Menschen zum Beispiel aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität schwer machen, Subjekt zu werden, kann das Experimentieren mit multiplen Beziehung(sform)en eine feministische Praxis sein.
9.
Bei Polyamorie geht es nicht um die Überwindung der Eifersucht. Es geht vor allem darum, die sozialen und psychologischen Wurzeln der Eifersucht zu erkennen. Polyamorie ist eine Übung der (Selbst-)Erkenntnis auf individueller wie auf soziopolitischer Ebene. Das Gegenteil von Eifersucht ist als compersion (Mitfreude) bezeichnet worden: dass wir mit unseren Geliebten das Glück teilen können, das sie anderen Geliebten verdanken – oder mit ihnen leiden, wenn sie Liebeskummer haben. Dabei ist die Vorstellung implizit, dass Gefühle ansteckend seien. Mitfreude fühlt sich gut an, sie muss aber dem Wunsch nach vollkommener Transparenz widerstehen, denn Transparenz bedeutet Kontrolle. Schatten und tote Winkel in der Kommunikation, im Einander-Verstehen, prägen Poly-Beziehungen in unheimlicher und kostbarer Weise.
10.
Polyamorie ist nicht anti- oder postromantisch. Ein untilgbarer Nimbus des Romantischen umweht das gesamte polyamouröse Projekt. Doch die Schönheit der Polyamorie liegt auch in der Modifizierung und Neuerfindung von Lebensweisen, die traditionell nicht als romantisch gelten – sei es beim Großziehen von Kindern oder sei es in der Umgestaltung urbaner Gemeinschaften, Landschaften, Lebensräume jenseits der traditionellen Schemata von Paarbeziehung und Familie.
11.
Polyamorie kann ein wertvolles ethisches und politisches Projekt sein, so wie es einige der vorigen Thesen nahelegen. Das ist sie aber nicht immer und muss sie auch nicht sein. Dominanz, Zwang, Gewalt, Missachtung, Lügen und andere unerfreuliche Dinge kommen in Poly- ebenso wie in Nichtpoly-Beziehungen vor. Da mehr Menschen einbezogen sind, eröffnen Poly-Konstellationen mehr Möglichkeiten für schädliche Machtkämpfe. Das Mehr an Verletzlichkeit (siehe These 6) kann ein stärkeres Bedürfnis nach Kontrolle, Dominanz und schädlicher Einflussnahme hervorrufen. Zugleich bringt uns die erhöhte Verletzlichkeit dazu, andere Wege im Umgang mit Ambivalenzen und Zweifeln zu finden. So können wir neue solidarische Bündnisse schließen, kreative Formen der Kooperation entwickeln, hin zur Überwindung von Individualismus und Egoismus. Die Theorie der Polyamorie ist eine Art Lupe, die uns hilft, bestehende soziale Probleme besser zu begreifen, sowie Alternativen vorwegzunehmen. Die Praxis der Polyamorie wird von jeder und von allen erdichtet. •

Federica Gregoratto ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Philosophie an der Universität St. Gallen. Derzeit schreibt sie an ihrer Habilitation mit dem Titel „Love Troubles. A Social Philosophy of …
****ody Mann
13.225 Beiträge
Wow! Das hätte ich gern als Gesprächsgrundlage für viele Gespräche gehabt, die alle nicht stattgefunden haben. Von klein auf geisterte etwas in der Art in meinem Kopf umher, ich war sehr offen dafür, aber was ich dann mit Polyamorie tatsächlich erlebte, war "friss oder stirb", Lifestyle, Attitüde, Erlebnismaximierung, Wechsel von einer Woche zur anderen und null Kommunikation. Die Chancen, die Polyamorie bietet, wurden durch eindimensionale Zwänge vertan. Wenn Wünsche ohne Empathie umgesetzt werden, entsteht etwas Neues und Anderes geht kaputt. Ich glaube, das muss nicht so sein.

Diese Thesen schaffen viel Verständnis. Danke für's Teilen! *blume*
*******Maxx Mann
11.951 Beiträge
Gruppen-Mod 
... aber was ich dann mit Polyamorie tatsächlich erlebte, war "friss oder stirb"
Das war mit ein Hauptgrund für diese Gruppe.

Ich habe den Wandel in vielen Polygruppen (nicht nur hier im JC) mitbekommen und wollte dies, was ursprünglich auch weitgehend als Basis für polyamore Beziehungen und Strukturen galt, nicht in so eine Polygruppe mit einbringen.

Was sich heute "polyamor" nennt, hat häufig (nicht immer) nicht mehr viel mit dem ursprünglichen Begriff der "Polyamorie" gemein.
*******Maxx Mann
11.951 Beiträge
Gruppen-Mod 
Zum Punkt 9 oben (und weil wir hier in der Gruppe "Beziehungsanarchie" sind):

Genau diese Mitfreude ist ein wichtiger Punkt.
Wenn ein guter Freund einen neuen Freund kennenlernt, bin ich doch auch nicht neidisch oder gar eifersüchtig. Und wenn er sogar ein gemeinsames Hobby teilt - um so besser *g*

Warum also nicht genau so mitfreuen, wenn ein Geliebter eine neuen Geliebten (ich gendere bewusst nicht, weil ich das albern finde und letztlich noch mehr auf die Differenzierung hinweist) dazu gewinnt?
Und wenn dann auch hier noch ein gemeinsames "Hobby" (Sex - ich weiß, passt als "Hobby" nicht wirklich) dazu kommt *zwinker*

Damit wird ein ganz wichtiges Hemmnis zum angenehmen Empfinden in einer polyamoren Struktur genommen.

BTW: Ich verschiebe das Thema mal und gebe ihm einen anderen Titel. "Pinnwand" ist für wichtige Gruppenankündigungen reserviert.
****on Mann
16.229 Beiträge
Wunderbar, der Text von Federica Gregoratto hätte 1:1 auch von mir sein können! Wunderbar, dass es vielleicht doch einen Konsens darauf geben könnte.

Zitat von ****ody:
was ich dann mit Polyamorie tatsächlich erlebte, war "friss oder stirb"

Das könnte ein Missverständnis sein. Eine Fähigkeit hilft sehr in der polyamoren Realität: Sich innerlich und äußerlich abgrenzen zu können, um die eigenen Quirks zu schützen. Um nicht in symbiotische, abhängige, verstrickte Dynamiken zu geraten. Polysysteme sind dynamischer als Zweierbeziehungen, und damit im Kern potentiell instabil, oder besser gesagt: nicht erstarrt.

Und Abgrenzung ist auch Zumutung: Nimm mich, wie ich bin. Akzeptiere meine Bedürfnisse und Sehnsüchte, und stelle sie nicht in Frage. Ich wüsste nicht, wie Partnerschaft sonst tatsächlich gelingen kann, polyamore erst recht.
****on Mann
16.229 Beiträge
Zitat von *****s42:
Genau diese Mitfreude ist ein wichtiger Punkt.
Wenn ein guter Freund einen neuen Freund kennenlernt, bin ich doch auch nicht neidisch oder gar eifersüchtig.

Das erlebe ich durchaus anders in meinem Umfeld. Neid und Eifersucht ist Alltag auch in Freundschaften. Schon auf dem Schulhof geht es los.

Diese Regungen zu akzeptieren und zu integrieren ist für mich eine wichtige Voraussetzung für polyamores Leben. Ich kenne mehrere Menschen, die steif und fest behaupten, sie könnten nicht eifersüchtig sein. Meiner Beobachtung nach machen sie sich etwas vor. Und das ist wenig hilfreich.

Mitfreude ist typisch für Freundschaften und Polyamorie - und doch gibt es reichlich Situationen und innere Zustände, die diese Freude trüben können. Und auch das darf sein, akzeptieren und integrieren der Weg zur Heilung allen Schmerzes.
****ody Mann
13.225 Beiträge
@****on Akzeptanz halte ich für extrem wichtig, nur wenn nichts kommuniziert wird, kann man nur das Schweigen akzeptieren. Das ist bei ansonsten zugewandter, gewaltarmer Kommunikation ein bisschen dünn. In Polyamor steckt ja irgendwie auch Liebe drin und ein Wechsel von "nur Du" zu " vielleicht auch du" binnen weniger Tage (hey, habe ich so zweimal erlebt), stellt für mich das Verständnis von Liebe grundlegend aber auch das Zutreffen von Polyamorie in Frage.

Ich gehe da mit @*****s42 , dass nicht alles, was sich polyamor nennt, überhaupt damit zu tun hat. Ambivalenz ist nicht = Polyamorie. Bedürfnisse und Sehnsüchte müssen für den anderen überhaupt erst mal fassbar sein, ansonsten entsteht ein Ungleichgewicht zwischem dem, der ständig scannt, wo der andere steht und dem, der seine eigenen Gefühle nicht versteht und einmal voranschreitet und dann wieder zurück, weil das Leben draußen gerade nichts zu bieten hat.

Das Motiv für Polyamorie kann aus meiner Sicht bedeutend sein. Ist es nur Abgrenzung oder ist es Erweiterung? Inwiefern sind schlechte Erfahrungen systemimmanent oder intrinsisch auf mich bezogen.

Ich komme immer wieder auf den Punkt der Fairness. Ohne Kommunikation oder zumindest das Übereinkommen, es zu lassen, geht weder poly noch mono.

Mitfreude kann unterstützt werden, indem man die anderen miteinander vertraut macht. Meine Erfahrung, es lohnt, zu verbinden.
*****mor Mann
58 Beiträge
Wirklich wahre Thesen.. wunderbar und verständlich beschrieben..
Ich und meine Partnerin (Beide seid 31 Jahren verheiratet) haben vor einiger Zeit unsere Beziehung geöffnet.. und sind kurze Zeit später beide ungeplant, in einer polyamoren Liebesbeziehung mit einem anderen polyamoren Paar zusammengekommen (Das nennt man wohl Polykühl). Für uns ist das alles neu und noch ungewohnt.. Wir gehen und erleben, die Höhen und die Tiefen von polyamoren Beziehungen.. Doch ist dieser Weg unumkehrbar geworden... Keiner kann sich vorstellen wieder zurück in die Monigami zu gehen. Der Wechsel von Monogamie in Polyamory.. ist ein Entwicklungsprozess.. der bei uns nicht auf der Agenda stand.. und doch ist es geschehen.. Die Liebe macht es möglich.. für mich ist es ein Wunder.. und es ist wunderschön.. aber auch herausfordernd..
Die Thesen helfen mir bzw. uns einiges zu verstehen und bestätigen gerade das Erlebte.. in all seinen Facetten..
*******dDay Frau
4.799 Beiträge
Zitat von *****s42:
...

Genau diese Mitfreude ist ein wichtiger Punkt.
Wenn ein guter Freund einen neuen Freund kennenlernt, bin ich doch auch nicht neidisch oder gar eifersüchtig. Und wenn er sogar ein gemeinsames Hobby teilt - um so besser :)...

Noch wichtiger:

Wenn der Freund dann weniger Zeit für mich hätte, ich mich weniger beachtet fühlen würde, wäre ich evtl. sogar eifersüchtig. Es wäre aber auch völlig klar, dass ich dieser Eifersucht keinen Raum gebe, sondern mit ihm darüber rede und dass diese Eifersucht nicht als Erwartungshaltung gesehen wird.

Es ist nicht nötig, nicht eifersüchtig zu sein in nonmonogamen Beziehungen. Es ist wichtig, mit den Gefühlen, die sich als Eifersucht zeigen, vernünftig umzugehen.

In platonischen Beziehungen haben wir das von klein auf gut gelernt. In Liebesbeziehungen nicht, da wird Eifersucht von allen Medien gepusht.
*******Maxx Mann
11.951 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ich sehe das mit der Eifersucht ein wenig anders.

Wenn ich jemanden liebe, so ist es mir ein Bedürfnis, dass es demjenigen, den ich liebe, gut geht.
Also werde ich eine neue Freundschaft immer begrüßen, wenn es dem Gutgehen des Anderen dient.

Damit gibt es keinen Platz für Eifersucht.

Wenn ich Eifersucht entwickle (was auch vorkommen kann), so ist das für mich ein Zeichen, dass mit meiner Liebe zum Anderen etwas nicht in Ordnung ist. *g*
****ody Mann
13.225 Beiträge
Ich glaube gegen Eifersucht in einer offenen Konstruktion hilft das miteinander Reden über Gefühle, nicht nur über Aktion. Eifersucht ist (aus meiner Sicht) das nicht Verstehen. Dunkle Flecken sind Einfallstore für Misstrauen. Wenn Liebe mit Offenheit einhergeht, wirft Schweigen unnötige Schatten. Wenn ich weiß, wie es um uns bestellt ist und mir sicher sein kann, dass ich Entwicklungen erfahre, egal ob gut oder schlecht für mich, dann strahlt das sehr viel Ruhe aus. Dann verstehe ich alles und wir haben eine Vertrauensbasis.
****on Mann
16.229 Beiträge
Zitat von *****s42:
Wenn ich jemanden liebe, so ist es mir ein Bedürfnis, dass es demjenigen, den ich liebe, gut geht.
Also werde ich eine neue Freundschaft immer begrüßen, wenn es dem Gutgehen des Anderen dient.

Damit gibt es keinen Platz für Eifersucht.

Eifersucht heißt ja nach meinem Verständnis nicht unbedingt, dass man den anderen Beteiligten das Zusammensein nicht gönnt. Es kann schlicht heißen: "Ich komme zu kurz - ich brauche Zuwendung." Oder: "Ich auch, bitte ich auch!"

Es gibt ja auch den nicht-missgünstigen Neid: "Ich beneide Dich um diese schöne Jacke, die kaufe ich mir morgen auch!"

Missgunst ist nicht notwendiger Bestandteil von Neid und Eifersucht. Neid und Eifersucht können gönnend und voller Liebe sein. Der Wunsch, dass es dem Anderen maximal gut geht, muss damit nicht in Widerspruch stehen.

Ich selbst erlebe mich in extrem seltenen Fällen als missgünstig (ich kann mich an einen Fall aus dem Jahr 2000 erinnern mit einem Menschen aus der Nachbarschaft). Aber neidisch und eifersüchtig kann ich ohne weiteres sein - und ich stehe dazu. Stehe dazu, nichts wegzudrücken, sondern selbstehrlich und authentisch all meine Gefühle offen zu kommunizieren.
*******Maxx Mann
11.951 Beiträge
Gruppen-Mod 
Vielleicht liegt es daran, dass ich auch sehr gern mal mit mir allein sein kann.

Deshalb gibt es bei mir nicht das Gefühl, zu kurz zu kommen *zwinker*

Und Eifersucht ist in meiner Begriffswelt immer eine Mischung aus Neid, Missgunst und Verlustangst (oder das Gefühl, zu kurz zu kommen).

Wenn es nur Neid ist, dann ist es Neid. Und ja, natürlich darf man neidisch sein. Neid kann Ansporn sein *g*

Wenn es nur Missgunst ist, dann ist es nur Missgunst - aber dann ist wirklich etwas in der Liebe zu dem, dem man etwas missgönnt, zutiefst gestört.

Und wenn es nur Verlustangst ist, dann ist es eben nur diese. Oder auch das Gefühl, zu kurz zu kommen.
Habe ich wie gesagt nicht (oder so gut wie nicht) - da kann ich wenig mitreden.
Bei mir wäre es dann allenfalls ein wenig Traurigkeit, nicht dabei sein zu können - wahrscheinlich auch eher als Neid. In der Regel gibt es dafür ja klare Gründe, warum ich nicht dabei bin / dabei sein kann.
****ody Mann
13.225 Beiträge
Ich glaube Eifersucht entsteht nicht vorrangig aus einer quantitativen Verschiebung, außer jemand will Dich für Wochen und Monate nicht mehr sehen. Schwierig empfinde ich eine Neujustierung der Tiefe der Verbindung zu Gunsten anderer, von beiderseitiger intensiver Nähe zu einseitig Friendzone oder plötzlich nur noch platonisch, die einen wie ein kalter Schauer trifft. Aber da ist dann Eifersucht das geringste negative Gefühl.
*******dDay Frau
4.799 Beiträge
Zitat von *****s42:
Vielleicht liegt es daran, dass ich auch sehr gern mal mit mir allein sein kann.

Deshalb gibt es bei mir nicht das Gefühl, zu kurz zu kommen *zwinker*

Und Eifersucht ist in meiner Begriffswelt immer eine Mischung aus Neid, Missgunst und Verlustangst (oder das Gefühl, zu kurz zu kommen).

Wenn es nur Neid ist, dann ist es Neid. Und ja, natürlich darf man neidisch sein. Neid kann Ansporn sein *g*

Wenn es nur Missgunst ist, dann ist es nur Missgunst - aber dann ist wirklich etwas in der Liebe zu dem, dem man etwas missgönnt, zutiefst gestört.

Und wenn es nur Verlustangst ist, dann ist es eben nur diese. Oder auch das Gefühl, zu kurz zu kommen.
Habe ich wie gesagt nicht (oder so gut wie nicht) - da kann ich wenig mitreden.
Bei mir wäre es dann allenfalls ein wenig Traurigkeit, nicht dabei sein zu können - wahrscheinlich auch eher als Neid. In der Regel gibt es dafür ja klare Gründe, warum ich nicht dabei bin / dabei sein kann.

In meiner Begriffswelt besteht Eifersucht aus all diesen Gefühlen und sie sind unterschiedlich stark beteiligt. Manchmal nur eins davon, manchmal mehrere.

Jeder fühlt da völlig unterschiedlich und wenn es für jemanden normal ist, immer Mitfreude zu empfinden und nie negative Emotionen, dann ist das toll. Aber eben weder Standard noch Voraussetzung für nonmonogame Beziehungen.
Mir geht bei diesen kognitiven Ansätzen immer wieder der Hals zu. Ich breche mein Gesamtgefühl herunter auf einzelne Komponenten, um sie besser analysieren zu können? Ist nicht meins.

Mein Ansatz für mich - nicht verallgemeinernd gemeint - ist eher: wie fühle ich mich jetzt, wo im Körper spüre ich das, und wie gehe ich mich selbst fühlend damit um?

Damit komme ich in Kontakt zu mir selbst. Und kann dann nach Außen in Kontakt gehen. Mich zeigen, mein(e) Gegenüber fühlen, wie sie da sind. Für mich ist das ein innen wie außen menschlich sein, ohne mir selbst etwas erklären zu müssen.

Was wiegt denn mehr im menschlichen Sein? Dass der Kopf seine Angst zu vermeiden versucht über Rationalität, oder dass wir auch in und mit unseren Ängsten einfach mit einander sein und uns spüren können und dürfen? Und dass Liebe das möglich macht, auch wenn es sich manchmal schwer anfühlt?
****ody Mann
13.225 Beiträge
Ich habe es sogar erlebt, dass die Eifersucht und das Konkurrieren zweier Männer von einer Frau als sexy empfunden und gerne forciert wurde. In einem Geflecht, in dem einer der Männer (ich) nicht ausgesprochen polyamor war. Das führte regelmäßig zu Stress.
*******dDay Frau
4.799 Beiträge
Zitat von **MK:
Mir geht bei diesen kognitiven Ansätzen immer wieder der Hals zu. Ich breche mein Gesamtgefühl herunter auf einzelne Komponenten, um sie besser analysieren zu können? Ist nicht meins.

Mein Ansatz für mich - nicht verallgemeinernd gemeint - ist eher: wie fühle ich mich jetzt, wo im Körper spüre ich das, und wie gehe ich mich selbst fühlend damit um?

Damit komme ich in Kontakt zu mir selbst. Und kann dann nach Außen in Kontakt gehen. Mich zeigen, mein(e) Gegenüber fühlen, wie sie da sind. Für mich ist das ein innen wie außen menschlich sein, ohne mir selbst etwas erklären zu müssen.

Was wiegt denn mehr im menschlichen Sein? Dass der Kopf seine Angst zu vermeiden versucht über Rationalität, oder dass wir auch in und mit unseren Ängsten einfach mit einander sein und uns spüren können und dürfen? Und dass Liebe das möglich macht, auch wenn es sich manchmal schwer anfühlt?

Seltsam, obwohl Du mit Deinen ersten Aussagen bei Dir bleibst, klingt es am Ende für mich (!) etwas oberlehrerhaft.

Für mich funktioniert es überhaupt nicht, Gefühle irgendwo im Körper verorten zu wollen. Meine Gefühle hängen mit Gedanken zusammen, die aus alten Erfahrungen stammen und ich kann sie kognitiv meist gut greifen und bearbeiten.
Zitat von *******dDay:
Seltsam, obwohl Du mit Deinen ersten Aussagen bei Dir bleibst, klingt es am Ende für mich (!) etwas oberlehrerhaft.

Am Ende habe ich Fragen gestellt, die sich jeder für sich selbst beantworten kann. Ein Denk- wie auch ein Fühl-Anstoss *zwinker* Und dein Gefühl dazu darf doch sein *blume*
****on Mann
16.229 Beiträge
Zitat von *******dDay:
Für mich funktioniert es überhaupt nicht, Gefühle irgendwo im Körper verorten zu wollen. Meine Gefühle hängen mit Gedanken zusammen, die aus alten Erfahrungen stammen und ich kann sie kognitiv meist gut greifen und bearbeiten.

So Grundgefühle, wie Angst, Wut, Traurigkeit, die spüre ich schon sehr körperlich. Wut habe ich im Bauch, der steht dann gefühlt in Flammen! Angst schnürt mir den Hals zu, meine Brust ist zusammengeschnürt, und sie krampft den Bauch zusammen. Traurigkeit spüre ich mit dem Verlust meiner Kraft, ich beuge mich nach vorn und ein gefühlter Stein im Bauch zieht mich herunter.

Mein Kopf kann das alles beobachten und einsortieren, aber er hat mit diesen Grundgefühlen, ihrem Entstehen, irgendwie gefühlt nicht viel zu tun.

Doch Eifersucht ist ein Sammelbegriff für ein Gefühlsgemenge aus unterschiedlichen Anlässen. Und darum gibt es für mich auch nicht DAS Eifersuchtsgefühl. Es ist schon kognitiv spannend, bewusst hinzuschauen, was wohl was darin veranlasst haben mag. Gefühle körperlich zu fühlen, und sie dann aber kognitiv zu betrachten, das ist schon erhellend und schön, jedenfalls für mich.
*****al4 Mann
798 Beiträge
Wow. Vielen Dank für den Text.
******XXL Mann
3.802 Beiträge
Verletzlichkeit?
Aus dem Text von Federica Gregoratto:

Sowohl die Polyals auch die Mono-Varianten von Begehren und Gefühlen sind natürlich. Beide können uns, auf unterschiedliche Weisen, verletzlich machen.
[...]
Es ist die Wahl, die Verletzlichkeit – die Ungewissheit, die Angst vor Verlust und Veränderung – mutig in Kauf zu nehmen.
[...]
Jede Liebes- und jede sexuelle Beziehung hat die kognitive und affektive Konsequenz, unsere eigene radikale Verletzlichkeit zutage zu fördern. Wenn wir mit mehr als einer Person sexuell und emotional verbunden sind, multipliziert sich die Verletzlichkeit. Dieses Mehr an Verletzlichkeit bringt nicht nur mehr Gelegenheiten für Schmerz mit sich (etwa die Angst, verlassen zu werden), sondern auch für Formen der Manipulation und Ausbeutung.

Ihre Betonung der Verletzlichkeit verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Wenn ich viel Liebe in meinem Leben habe, dann bin ich nicht verletzlicher als wenn ich wenig Liebe in meinem Leben habe. Wenn ich an meine langen Jahre denke, wo ich mich nach einer Liebes- und/oder erotischen Beziehung oder gar Partnerschaft gesehnt habe: Sollte ich damals weniger verletzlich gewesen sein als heute, wo ich sehr viel Liebe erfahre? Wohl kaum. Damals war ich im Gegenteil unglaublich verletztlich.

Wenn ich mit mehr als einer Person sexuell und emtional verbunden bin, multipliziert sich nicht Verletzlichkeit, sondern ich werde stärker und ausgeglichener.

Ich finde diesen Aspekt des Textes sehr seltsam. Ich kann nur vermuten, dass hier ein typisches Mono-Konzept dahinter steht, das ich aber nicht richtig greifen kann.


Gruß
Stefan
******XXL Mann
3.802 Beiträge
*****s42:
Warum also nicht genau so mitfreuen, wenn ein Geliebter eine neuen Geliebten dazu gewinnt?

Liebe ist Mitfreude. Ich will, dass es meiner Liebespartnerin oder meinem Liebespartnerich gut geht. Daran freue ich mich. Liebe ist Mitfreude.

*****s42:
Und wenn dann auch hier noch ein gemeinsames "Hobby" (Sex - ich weiß, passt als "Hobby" nicht wirklich) dazu kommt ;)

Das passt sogar sehr gut. Ich habe hier im JC nämlich irgendwann mal verstanden, dass Erotik für Menschen ganz unterschiedlich wichtig im Leben ist. Früher dachte ich, dass alle (Männer?) so ticken wie ich. Das ist aber Quatsch. Für manche spielt Erotik einfach eine untergeordnete Rolle, sondern ich habe mich immer als erotischer Mensch verstanden.

Ich bin quasi Beziehungsanarchist mit Erotik als Hobby *g* .


Gruß
Stefan
******XXL Mann
3.802 Beiträge
****on:
Diese Regungen zu akzeptieren und zu integrieren ist für mich eine wichtige Voraussetzung für polyamores Leben. Ich kenne mehrere Menschen, die steif und fest behaupten, sie könnten nicht eifersüchtig sein. Meiner Beobachtung nach machen sie sich etwas vor.

Trigon weiß es offenbar besser als die Menschen selbst. *oh* *anbet*

Welche Beobachtungen machst du denn, die dich zu solch zweifelhaften Behauptungen bringen?


Gruß
Stefan
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