Die Kette
... ist die Kraftübertragung mit dem höchsten Wirkungsgrad - deswegen hat man noch nie ein Kardanmotorrad bei einem Strassenrennen gesehen - zumindest nicht in den letzten 50 Jahren. Aber die Pfriemelei mit der Kette ist auch für mich nix.
Der Kardan hat von den dreien wohl den niedrigsten Wirkungsgrad, weswegen er vor allem zusammen mit Motoren verbaut zu werden pflegt, wo's nicht so drauf ankommt. Motorräder mit Kardan-übertragener Motorleistung haben eigentlich regelmässig über 1000 ccm.
Der Zahnriemen kommt der Kette näher als dem Kardan, und hat den Vorteil, wartungsfrei zu sein, bis er reißt, weswegen regelmässige Wechsel in relativ kurzen Abstanden, so 20-40 ts km, wenn ich mich nicht irre, vorgeschrieben sind. Der Kardan muß in Abstanden ab 40.000 km aufwärts geschmiert werden, und das wars. Der Kardan hat zudem den Vorteil, daß er heuteztage vollständig gekapselt ist, was Störeinflüße von aussen zuverlässig ausschließt. Einer Kette oder einem Zahnriemen kann dagegen auch mal ein Splittsteinchen oder ähnliches "ins Getriebe kommen", aber davon hört man eigentlich nur sehr selten, und wenn, dann vom Zahnriehmen, der diesbezüglich etwas empfindlicher ist. Der einzige Grund, warum Ketten und Zahnriehmen offen laufen, ist: Optik, Design, Imitsch. Früher gab es beispielsweise "Kettenkästen", die man heute noch an älteren Motorrädern, zB von MZ, sehen kann. Damit erreicht ein Kettensatz Laufleistungen von über 50.000 km, und es muß nur alle paar tausend km etwas Fett reingespritzt werden, statt alle paar hundert km bei der offenen Kette. Aber es sieht halt nach dem ästhetischen Empfinden der Motorradkäufer beschissen aus.
A propos Ästethik: Kardanmopeds gibt es vornehmlich von BMW, und wer BMW fährt, hat sowieso ein eigenes Verhältnis zur Ästhetik: ne BMW kauft man zum Fahren, nich zum Angucken, und wenn man draufsitzt, sieht man vom Design herzlich wenig ... und auch als eingefleischter BMW-Fan muß ich sagen: es ist auch gut so.
Moto Guzzis sind wunderschöne Motorräder mit Kardan, aber bei dem neuen Tourer namens "Norge" muß man zB das halbe Moped zerrupfen, nur um mal an den Ölstandsmeßstab zu kommen. Bei BMW gibts dafür das praktische Schauglas.
Motorräder mit Zahnriemen, kamen bis vor kurzem vor allem von Harley-Davidson, die wunderschöne Motorräder bauen. Ich kann am Treff stundenlang davor stehen und sie bewundern, und bin so froh, daß ich sie nicht zu putzen brauche. Ich bin auch froh, daß ich die Dinger nicht fahren muß, sondern wieder auf meine verdreckte BMW steigen kann. Weil ich kein Chopper-Typ bin, und von Harley kommen fast nur Chopper. Wer einen Harley-Motor und Zahnriemen in einem halbwegs vernünftigen Fahrwerk haben kann, muß eine Buell ordern, und damit die Ansage machen, daß man darum fighten will, wer nun der King of the road ist. Insofern sind Buells etwas anspruchsvoll, und gelten auch ansonsten als etwas kapriziös. Hässliche Motorräder von BMW zu fahren hat also auch so seine Vorteile. Der Zahnriemen wird aber zunehmend beliebter, eben auch bei BMW, die ihn in seiner F800-Serie verbaut - ausser den GS-Modellen, weil ein Zahnriehmen eben für den Geländeeinsatz viel zu emfpindlich wäre - die Kette ist da noch toleranter gegenüber Steinchen & Co.
Das Fahrgefühl ist spezifisch, und für jemand wie mich, der auf bayrischer Kardanware seit 2005 jedes Jahr 20-30.000 km zurücklegt, ist wiederrum die gelegentliche Leihmaschine mit Kette ziemlich gewöhnungsbedürftig. Was gewöhnungsbedürftig ist, ist halt Gewöhnungssache.
Das Spezifische am Kardan sind seine Lastwechselreaktionen; darunter versteht man das, was passiert, wenn man das Gas plötzlich auf oder zu macht, das Moped vom Zug- in den Schiebebetrieb (und umgekehrt) übergeht. Diese Reaktionen sind beim Kardan am heftigsten. Es gibt einen leichten Schlag oder Ruck, und ausserdem wandert das Heck nach oben (Zugbetrieb, beim Gasgeben) oder unten (Schiebebetrieb). Diese Reaktionen werden heutezutage durch den Paralever, eine BMW-Erfindung die inzwischen auch von den übrigen Herstellern ... äh ... wie sag ich das jetzt, ohne Ärger mit den Rechtsabteilungen zu bekommen ... ? - naja, die haben jetzt auch so was und sieht auch fast genauso aus, heißt nur immer anders.
Wenn man von diesem Schlag oder diesem Ruck beim plötzlichen auf- und zumachen des Gases (vor allem beim Aufmachen) absieht, kommt mir persönlich der Kardan vom Gefühl her etwas direkter vor, als die Kette oder der Zahnriemen. Aber das geht unter in sonstigen "Gefühligkeiten". Ausserdem neigen Kardan-getriebe Motorräder ein wenig zur Seitenlastigkeit, weil der Kardan selbst recht schwer ist, und diese ungleiche Gewichtsverteilung häufig nicht ausgeglichen worden ist. Die alten K-Modelle von BMW - ich fahre eine K 1100 RS - neigen sich z.B. leicht nach rechts, was man spätestens merkt, wenn man mal versucht, freihändig zu fahren: da muß man sich leicht nach links lehnen, um nicht umzukippen. Im alltäglichen Fahrbetrieb ist das jedoch bedeutungslos. Ich meine, daß man sich an diese Unterschiede im Fahrverhalten recht schnell gewöhnt und sich darauf einstellt.
Lediglich dann, wenn man sich ein Gebrauchtmoped älteren Jahrgangs zulegt, gerade von BMW beispielsweise, bei dem noch kein Paralever montiert ist, hat man mit dem "Gummikuh-Effekt" zu kämpfen - aber es gibt auch viele, die sogar auf diesen Effekt des auf und ab regelrecht stehen. Bei flotter Kurvenfahrt jedoch kann dieser Effekt sogar gefährlich werden, weil beim Gaszumachen das Heck einknickt, und die Schräglagenfreiheit unter Umständen deutlich sinkt.
Andererseits baut Yamaha mit der FJR 1300 einen fast 300 kg schweren Sporttourer ohne Paralever & Co, und von nennenswerten Gummikuh-Effekten hat man noch nie etwas gehört - das kann aber auch mit dem Gewicht zusammenhängen.
Allgemein sind Kardangetriebene Mopeds für heutige Begriffe recht schwer - etwa ab 240 kg gehts los. Wer leichte Mopeds liebt, weil er ins Gelände will, vorm rangieren Angst hat, oder sein Moped öfters hinschmeisst, der sollte besser eines mit Kette nehmen (das ist nämlich meistens auch viel billiger).
Ich empfehle, sich mal mit den älteren BMW-Modellen zu beschäftigen. BMW hat schon immer recht großen Wert darauf gelegt, frauenfreundliche Motorräder zu bauen - ohne das allerdings an die große Glocke zu hängen, wahrscheinlich auch wegen dem Imitsch.
An konkreten Modellen wären zu nennen:
R 850 R
R 1100 R
R 1150 R
K 75 basic (naggisch bike)
K 75 RT (fulldresser)
K 75 S
K 100 (alle Modelle)
K 1100 RS
Preislich gehts bei etwa 1500 € los, und eine R 1150 R dürfte für 5-6000 € zu kriegen sein. Auch die GS-Modelle sind bei Frauen zurecht sehr beliebt, setzen allerdings ein sehr langes Fahrgestell voraus. Wer als Frau eine R 1200 GS fahren will, sollte nicht unter 175 groß sein, und auch bei dieser Größe Beine bis zum Hals haben - und etwa 10 Riesen zur freien Verfügung.
K 1100 LT sowie die später RS- und LT-Modelle sind extrem mächtige Trümmer ... naja. Nicht wirklich Mopeds für zarte Frauenhände. Selbst mir ist die K 1100 LT, die mir wegen ihrer mir nur theoretisch bekannten Fahreigenschaften und ihres extrem guten Wetter- und Windschutzes sehr gut gefällt, viel zu wuchtich. Ich hab mich noch nie getraut, eine zu fahren, obschon ich viele 1100er LT-Fahrer kenne, die mich wohl auch mal ne Runde drehen lassen würden ... aber trotzdem ... nä.
Die F 800 - Modelle sind von der Größe und ihrem Gewicht her Frauenfreundlicher, da sie aber erst kürzlich herausgekommen sind, setzen auch ihre Gebrauchtpreise besserverdienende Interessentinnen voraus, ebenso wie die neuen 1200er Modelle mit Boxer. Die 1200er und 1300er-Modelle mit Vierzylinder sind leistungsmässige Hämmer - bei 136 PS gehts los, und, wenn ich ehrlich bin, als solche vielleicht weniger geeignet für Leute, die nach den Unterschieden von Kardan, Riehmen und Kette fragen ...
(jaja ... "duck un wech!")
Zu den andern Marken und Mopeds mit Kardan und Zahnriehmen sollen besser diejenigen was sagen, die davon Ahnung haben. Die hab ich nämlich nicht, weil BMW = Best Motorcycle of the World !
Gruß
Kroni