Fahrfehler und der Umgang damit
Ich möchte mal noch was ganz grundsätzliches zum Thema "Fahrfehler" sagen:
Jeder Motorradfahrer macht Fehler - ständig, bei jeder Fahrt. Motorradfahrer sind nun mal nicht der Papst, der Kraft seines Amtes nach katholischer Lehre unfehlbar ist, wenn er sein Lehramt ausübt. Wenn ein Motorradfahrer von sich selbst der Auffassung ist, keine Fahrfehler zu machen, dann möge er sich mal die Frage vorlegen, warum er trotzdem noch nicht Weltmeister ist. Ich bin überzeugt, die notorisch unverbesserlichen und 100%-fehlerfreien Fahrer werden kein Problem mit der Antwort haben: weil sie es nicht wollen, ihrer Familie den Medienrummel nicht antun wollen, im Profisport sowieso alles Schiebung ist, und sie ausserdem an ihrem Beruf hängen und Motorradfahren ja nur ein Hobby ist, daß sie nicht zum Beruf machen wollen ... Sie werden 1001 Gründe dafür finden, warum sie nicht Weltmeister sind - an ihren Fahrkünsten kann es ja nicht liegen, fahren tun sie ja perfekt.
Der in Spiegels Buch empfohlene "Fehlerzähler" entstammt dem Leistungs- und Hochleistungssport. Auch die Profis machen ständig Fehler - nur auf einem weitaus höheren Niveau, als die "Ottonormalbiker".
Wieviele Fehler ich pro Tour, pro Kilometer mache - weiss ich nicht, da ich kein Zählwerk verwende. Aber ein paar Dutzend sind es bei mir normalerweise auf jeder Tour.
Wie schon einmal gesagt: ein Fahrfehler liegt immer dann vor, wenn man die Frage: "Möchtest Du das genau so nocheinmal machen?" mit "Nein" beantwortet - auch nach Spiegel. Und solche Fahrfehler passieren zu Hauf. Mal verschaltet man sich, mal legt man Einlenk-, Brems-, Scheitel- und Beschleunigungspunkt zu spät oder zu früh, lässt sich ablenken, übersieht irgendwas ... diese Fahrfehler bleiben in aller Regel völlig folgenlos. Es "passiert" nichts. Ein Fehler liegt eben nicht erst dann vor, wenn es zu einem Beinahe-Sturz oder Beinahe-Unfall oder gar einem echten Sturz oder Unfall kommt. Nur entwickeln sich echte Stürze oder Unfälle regelmässig aus solchen Fehlern.
Wenn man in Motorradforen Berichte von Stürzen liest, dann taucht da oft ein Satz auf, der etwa so lautet:
"Und dann war da plötzlich Rollsplitt mitten in der Kurve - ich konnte nichts mehr tun!"
Diese Beschreibung eines Sturzhergangs ist vordergründig zweifellos richtig: der Betreffende konnte nichts mehr tun.
Den Fehler indessen hat er vorher gemacht: entweder, er hat den Strassenbelag nicht richtig gecheckt, oder er ist in eine zumindest teilweise blinde Kurve zu schnell reingefahren.
Spiegel empfiehlt den "Fehlerzähler", das "Quittieren" eines Fahrfehlers durch Drücken auf irgendeinen festgelegten Punkt, einen Schraubenkopf oder sonst was am Lenker aus folgenden Gründen:
Zuerst einmal registriert man den Fehler - man merkt, man hat etwas falsch gemacht. Dann "verzeiht" man sich auch den Fehler, lässt sich nicht noch hunderte von Metern oder gar Kilometer weit davon beeinträchtigen, daß einen ein solcher Fehler "wurmt". Es wird Fehlerbewußtsein geschaffen - man bemüht sich vom ersten Einsatz des Fehlerzählers überhaupt: fehlerfrei zu fahren, weswegen der "Fehlerzähler" stark zu einem runden, eleganteren Fahrstil "erzieht". Fast automatisch bemüht man sich auch, einen Fehler, den man auf einer Fahrt einmal "gezählt" hat, so schnell nicht zu wiederholen, die Fähigkeit zur Selbstkritik wird - sofern überhaupt vorhanden - verstärkt.
Der Fehlerzähler ist nicht ganz unkritisch, weil man manchmal erschrecken kann darüber, wieviele Fehler man gerade macht. Spiegel berichtet von einer Spitzensportlerin (ohne ihren Namen zu nennen), die fast verrückt wurde von der so gewonnenen schlagartigen Erkenntnis, wieviele Fehler sie doch machte.
Die meisten Fehler, die man macht, kennt man, oder sollte man kennen - wir neigen dazu, immer die gleichen Fehler zu machen. Einmal eingeschliffene Fehler sind nur sehr schwer wieder abzustellen - zudem hat ein jeder von uns neben seiner Schokoladenseite auch seine schwache Seite. Ist man selbstkritisch genug, kann man sie mit einer Methode wie dem "Fehlerzähler" identifizieren, und gegebenenfalls Trainingsprogramme zum Abstellen des Fehlers durchführen. Auch hierfür hat Spiegel hilfreiche Tips bereit - nur so nebenbei.
Diese Selbstbeobachtung und Selbstkritik ist natürlich nicht der einzige, alleinseeligmachende Weg - es gibt wohl sehr viele, die grundsätzlich einen Instruktor, Lehrer oder Trainer brauchen, und irgendwann kommt jeder mal an den Punkt, wo er ohne einen Instruktor auf dem Moped nicht mehr weiter kommt. Dafür werden die unterschiedlichsten Trainings angeboten: vom Fahrsicherheitstraining vom ADAC bis zum Perfektionstraining auf dem Ring.
Ich bin der Meinung, daß es auch hilfreich sein kann, Fehler und Abhilfe gegen Fehler in Motorradforen zu diskutierten. Das trifft m.E. vor allem für Fehler zu, die einen überraschen, und zunächst einmal unerklärlich sind.
Das muß nicht unbedingt für jeden die Methode der Wahl sein - aber, um ehrlich zu sein: mir reicht es, das es mir selbst hilft, über Fehler nachzudenken, wenn ich sie mal für so einen Forenbeitrag in Worte fasse, "heruntertippe". Manche Menschen denken still vor sich hin, manche denken mit der Hand, andere mit dem Mund ("lass uns darüber reden") - und manche denken überhaupt nicht über ihre Fehler nach - weil: sie machen ja keine, sind unfehlbar wie der Papst, siehe oben.