Da ich auf den Zwillingsthread in meiner Gruppe sehr ausführlich geantwortet habe, hier die Kopie meines Beitrags:
Zitat von *********rgara:
„Ist Macht eine Illusion?
Angeregt durch einen Thread in der Gruppe BDSM möchte ich die Frage stellen, ob es Macht wirklich gibt. Der Thread hatte die Augenhöhe beim Kennenlernen als Thema.
Dass es Macht (über Menschen) wirklich gibt, das sollte uns alle eigentlich die Geschichte gelehrt haben.
Was „Macht“ und „Machtergreifung“ bedeuten und anrichten kann sollte deshalb die Existenz von Macht einzelner über (viele) Andere, oder auch Einzelne unumstritten machen.
Zitat von *********rgara:
„
Für mich ist die Sichtweise Augenhöhe oder nicht schon irritierend. Geht sie doch davon aus , es gebe einen Unterschied. Worin eigentlich?
In der Wertigkeit? Nein
Ist einer mehr Mensch als der andere? Nein
Ist einer ein besserer Mensch als der andere ? Nein
Hier setzt Du fälschlicherweise (Gleich)Wertigkeit mit Macht gleich.
Einfaches Beispiel:
Ein Vorgesetzter in der Arbeitswelt ist ebenso ein Mensch wie Du, doch er kann Dir beruflich Weisungen erteilen, und er kann Dich abmahnen, falls Du der Anweisung nicht folge leistest, oder bei wiederholtem Nicht-befolgen Deine Entlassung veranlassen.
Er hat so im begrenzten Rahmen der beruflichen Tätigkeit Macht über Dein Handeln.
Eklatanter wird der Vergleich, wenn wir in den militärischen Bereich gehen:
Ein Soldat hat dem Befehl seines vorgesetzten Offiziers folge zu leisten, auch wenn das für ihn selbst akute Lebensgefahr bedeutet.
In beiden Fällen spricht niemand dem Arbeitnehmer, oder auch dem Soldaten die Gleichwertigkeit bezüglich des Menschseins ab, auch wird niemand einem der beiden absprechen die gleichen Bürgerrechte zu haben, hier gibt es ja in Deutschland die Formulierung „Bürger in Uniform“.
ABER:
In beiden Fällen hat der Vorgesetzte (Mensch) Befehlsgewalt, und damit Macht über den/die untergebenen Menschen.
Natürlich können sich in beiden Fällen die Untergebenen gegen die Anweisungen zur Wehr setzen, oder die Gefolgschaft verweigern, jedoch nicht ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.
Somit ist Macht nicht von Gleichwertigkeit/Augenhöhe abhängig, und Gleichwertigkeit/Augenhöhe schließen vor allem auch kein Machtgefüge/Machtgefälle aus.
Zitat von *********rgara:
„
Welche Macht haben Menschen denn wirklich? In meinen Augen gar keine. Wir kommen alle nackt auf die Welt, müssen essen, schlafen, verdauen und sind alle gleich MACHTLOS!
Denn wir wissen nicht was morgen sein wird.
Wann wir sterben und wie.
Das heißt wir sind ALLE auf einer Höhe in unserer Machtlosigkeit !
Auch hier wieder die fälschliche Gleichsetzung von Wertigkeit und Macht.
Macht kann die unterschiedlichsten Formen haben.
Ich beschränke mich hier jetzt ausschließlich auf die Macht die ein Mensch einvernehmlich über einen anderen Menschen hat.
Für mich ist die sinnigste Definition von einvernehmlicher Macht von einem Menschen über einen anderen Menschen die, dass Macht die Option auf Gefolgschaft ist. Der Untergebene gibt dem Vorgesetzten das Versprechen seinen Anweisungen zu folgen.
Ob der Untergebene wirklich den Anweisungen folgeleisten wird, oder nicht, das wird der Vorgesetzte erst dann sehen, wenn er einen Befehl erteilt und Gehorsam einfordert.
Anders sieht es bei (Gleich) Wertigkeit aus:
(Be)Werten hat nichts mit Realen Wertigkeiten und Fakten zu tun, sondern ist immer eine subjektive, einseitige Sicht auf die Wirklichkeit.
Sklaverei und Rassentrennung sind eklatante Beispiele für einseitige Be- und Abwertung Anderer durch eine herrschende, also machthabende Gruppe. Das ist ein sehr unschönes Beispiel für die gewaltsam errungene Macht einer Gruppe über eine, in ihren Augen minderwertige Gruppe. Hier haben wir also ein nicht-einvernehmlich erreichtes Machtgefälle.
Zitat von *********rgara:
„
Macht über einen anderen Menschen ist immer begrenzt. Sie ist vorübergehend. Sie existiert nur dann, wenn ich mittels Dominanz oder Unterwerfung/Hingabe schaffe. Sobald wir schlafen oder sterben ist sie Geschichte wie wir auch.
Im konsensualen Kontext ist Macht und Machtgefälle immer auf einer einvernehmlichen Unterwerfung basierend.
Und somit endet die einvernehmliche Macht dann, wenn der Untergebene sie dem dominanten Part wieder entzieht.
Natürlich endet Macht mit dem Tod, das sollte aber in der Regel im BDSM Kontext eher keine Rolle spielen. (Nein, ONS heißt neuerdings nicht One Night Sub.
)
Anders ist es mit Schlaf:
Macht ist ja erst mal nichts weiter als die Möglichkeit Befehle zu erteilen.
Jetzt mal ein Beispiel aus dem TPE- bzw. D/s-Bereich:
Dom kann meine Sub jederzeit nachts wecken und seine Macht einfordern, in dem er Sub entsprechende Befehle gibt, denen Sub Folge leisten muss.
Bei einvernehmlichen D/s kann man davon ausgehen, dass beide das Machtgefälle wünschen, und somit ist hier Gefolgschaft zu erwarten.
Zitat von *********rgara:
„
Macht scheint eine Erscheinung der Dualität zu sein. Eine Folge der Aufteilung in mit Macht und ohne Macht. Ein erlebbares spannendes Interaktionsverhältnis, in dem wir Erfahrungen machen können.
Dennoch vergänglich und irreführend, da sie uns glauben machen kann wir hätten Macht.
Statt uns der Erkenntnis unserer Vergänglichkeit zu stellen.
Hier schließt Du fälschlich und wertend von Dir auf alle.
Macht mag für Dich eine Illusion sein.
Die Realität lehrt uns das Gegenteil.
Meines Erachtens sitzt Du hier auch der Verwechslung von Wertigkeit und Macht, sowie der Verwechslung von (tantrischer) Lebensphilosophie mit gelebter Realität auf.
Macht und Machtgefälle mögen für DICH nur temporäre Erlebnisse sein, die Du im Rahmen von Sessions und Workshops für Dich erleben kannst.
Schließe aber hier nicht von Dir auf Andere, denn ich habe in all den Jahren viele Subs und Dom’s getroffen, die einvernehmlich und glücklich 24/7 in TPE- und anderen D/s-Beziehungsformen leben. Hier gibt Sub freiwillig und einvernehmlich all seine Macht an den Dom-Part, und unterwirft sich so freiwillig dessen Führung.
Das mag für Menschen, die nicht diese Neigungen und Bedürfnisse haben nur sehr schwer verständlich sein, doch das ändert nichts an deren Berechtigung und auch nichts an der Gleichwertigkeit dieser Lebenseinstellung zu Deiner.