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Worauf liegt mein Fokus?

Meine Strategie ist da sehr einfach: In meinem Leben sind nur noch Menschen, mit denen ich klar, direkt und offen kommunizieren kann. Erspart mir jede Menge Drama *ja*
*********rgara Frau
7.491 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Ja, da läuft es bei mir auch allmählich drauf hinaus.
Ich bevorzuge Menschen in meinem näheren Umfeld um mich, mit denen Abstimmung und die Lösung von Konflikten ohne Dramen möglich sind. Und das liegt hauptsächlich an der mit diesen möglichen Kommunikation. Manchmal auch ohne Worte.

Es erspart eine Menge Energie.
Ist bei jemand abzusehen, dass dies nicht möglich ist, ziehe ich mich heute früher zurück und suche keine Diskussion mehr.
Ich hab das die letzten Jahre ausgiebig anders gehandhabt und einfach genug davon.
*******ias Frau
4.409 Beiträge
Ja klar gibt es auch immer Ausnahmen. Ich schrieb ja auch einige Männer und nicht alle Männer. Und es gibt Frauen, die mit einem Helfersyndrom durch die Gegend laufen. Die waren meistens aber nicht so ungestüm, dass sie direkt mit irgendeiner Hilfestellung begonnen hatten. Da wird meist erst mal ein Erörterungsgespräch geführt. Währendessen zeigt sich oft schon, dass es ihr gar nicht so sehr darum geht, mir zu helfen. Aber egal.

Es ging Dir ja um einen Fokus auf Emotionen.

Mir ist aufgefallen, dass wir über unterschiedliche Positionen der Wut sprechen.

Situation 1: Person A macht/ sagt etwas, was mich wütend macht.

Situation 2: Person B ist wütend auf mich, weil ich etwas gemacht/ gesagt habe.

Und dann kommt es auch immer auf den Kontext an.

Im Kundenservice und Beschwerdemangement (Kreditwesen) habe ich nie meine Wut gezeigt. Wut verspürte ich sowieso verdammt selten. Aufgrund meiner inneren professionellen Haltung konnte kaum ein Kunde bei mir Wut hervorrufen (Situation 1) oder mich irgendwie mit seiner Wut anstecken (Situation 2). Selbst wenn ein Kunde persönliche Beleidigungen aussprach, bezog ich diese selten auf meine Person. Dazu musste der Kunde einen außerordentlichen Glückstreffer landen. Doch Wut oder Betroffenheit habe ich auch dann nicht gezeigt sondern mich noch mehr auf meine professionelle Haltung besonnen und meine Wut später am Klavier oder beim Trommeln rausgelassen.

Im privaten Kontext ist meine innere Haltung jedoch eine gänzlich andere.
Da will ich den zwischenmenschlichen Kontakt mit seiner gesamten emotionalen Bandbreite leben.
Sicherlich gibt es auch da Situationen, in denen ich mich zurücknehme. Ich bin kein Kind mehr, welches seinem Umfeld all seine emotionalen Zustände zumutet. Besser gesagt: Ich kann meine Emotionen selbst regulieren und bin da nicht mehr auf meine Mitmenschen angewiesen.

Wenn ich im emotional offenen Kontakt bin, dann kann es sein, dass etwas ad hoc Wut bei mir auslöst. Ich also eine erste kleine Welle Wut aussende. Ich dieser Wut aber nicht weiter nachgehe, weil mir in der konkreten Situation andere Dinge wichtiger sind.
Mein Gegenüber kann diese erste Welle der Wut aber auch wahrnehmen. Ob es das auch tut und falls ja, was es mit der Info anfängt steht auf einem anderen Blatt. Aber wenn ich emotional offen bin, ist diese erste emotionale Welle auf jeden Fall da und sagt etwas über mich aus.
D.h. wenn ich emotional offen bin, dann mache ich mich angreifbar.
Die Mitmenschen bekommen mit, was mir am Herzen liegt und womit sie mich besonders gut ärgern könnten.

In deinen Texten geht es oftmals um deine Verbundenheit mit einem anderen Menschen.
Aber was ist mit anderen Dingen, die dir wichtig sind? Die dir am Herzen liegen?
Emotionen beziehen sich ja nicht ausschließlich auf die Mitmenschen.
Insbesondere Wut bezieht sich nicht auf die Mitmenschen (im Gegensatz zum Hass).

Nehmen wir ein Beispiel.
Ich war zu Besuch bei einem Freund mit Kleinkind.
Nach Jahren vergeblicher Suche schien er endlich ein passendes Stück Land gefunden zu haben auf dem er seinen Lebenstraum verwirklichen konnte. Eine Hofgemeinschaft mit einem Viehwirt, der in Punkto artgerechter Haltung Pionierarbeit leistete. Er selbst betreibt Gartenbau nach Demeterstandart.
Er war noch ganz in den Anfängen.

Spontan musste er für seine Frau einspringen und die Kinderbetreuung übernehmen. Also übernahm ich den ein oder anderen Arbeitsschritt während er die Kleine bespaßte und zwischendurch zeigte er mir was. Währendessen saß sein kleines Töchterchen ganz in der Nähe und spielte weiter mit seinen Puppen. Irgendwann stand es auf, lief zwischen den bereits besäten Saatpaletten herum. Er ging zwischendurch mal zu ihr. Sie beschäftigte sich mit Käfern und Würmern. Er spielte eine Weile mit ihr, ermahnte sie, dass sie nicht an die Saatpaletten gehen dürfe. Und gab ihr Ideen, nach welchen Käfern sie wohl noch suchen könne. Dann zeigte er mir den nächsten Arbeitsschritt "wie man neue Saatpaletten mit Erde befüllt" und wir führten unsere Unterhaltung fort. Plötzlich stand die Kleine da und zeigte Papa voller Stolz all die Pappschildchen, die sie aus den Saatpaletten gezogen hatte. *headcrash*

Seine Reaktion:
"Och nöö! Das kann doch nicht wahr sein!" *schock* *gr2* Er nahm die Pappschildchen, wendete sich rasch ab, eilte zu den Saatpaletten, die bereits mit Saat befüllt waren und meckterte herum. "Die brauch ich doch!.. Wo waren jetzt die Kohlrabi?... *motz* Das macht mir doch alles kaputt!... Mann, ist das doof!... In welchen Paletten hatte ich den Spitzkohl? Hier vielleicht?.. Das ist doch total doof! *motz* Ich muss doch wissen, was wo drin ist. Damit ich die Saat richtig bewässern kann. Damit meine Pflanzen wachsen! Wenn ich die falsch bewässer, dann geht mir doch die Saat kaputt! Dann war meine ganze Arbeit umsonst! Total doof. *motz*"

Die Kleine hatte angefangen zu weinen und zu plärren als Papa sich abrupt abgewendet hatte. Aber er ließ sie seine Verärgerung und seine Sorge um seine Saat miterleben. Er mopperte vor sich hin, während er Schadensbegrenzung betrieb und die Pappschildchen wieder in die Paletten steckte. Hier und dort musste er raten, ab welcher Palette er mit welcher Saat begonnen hatte. (Bei einem Dutzend Saatpaletten ist die Saat nicht aufgegangen. Falsch geraten.)
Dazu muss ich sagen, dass die Wut, die er vor den Augen seines Kindes auslebte, nur ein Bruchteil seiner tatsächlichen Wut über die entstandene Situation war. Er lebte die verniedlichte Form eines Wutanfalls. Aber seine Verärgerung war echt und zu Genüge spürbar.

Und bis auf wenige Augenblicke, in denen sie Papa beobachte, weinte sie. (Btw. Meine Nähe wollte sie nicht. Sie kannte mich ja erst seit anderthalb Tagen.) Ja klar, hatte sie das nicht gewollt. Sie wollte ihren Papa doch was tolles zeigen, was sie gefunden hatte. Dabei hatte sie wohl das Verbot an die Saatschalen zu gehen nur im Zusammenhang mit den Käfern beachtet. Und nun war Papa verärgert, hatte ihr einfach so die Schildchen weggenommen und sich auch noch von ihr abgewandt. Ihr ging es um sie und ihren Papa. Doch Papa ging es gerade um seine Saatpaletten und Schildchen. Das sah sie. Die Sache war für Papa verdammt ärgerlich und er sorgte sich um diese komischen Paletten. Das erlebte sie mit. Und genau darum ging es. Auch, wenn sie in dem Alter noch nicht verstehen konnte, wieso, begriff sie, dass diese Schildchen und Saatpaletten für ihren Papa sehr wichtig waren. Wichtiger als viele andere Sachen. Allein mit Worten hätte man das einem Kind in dem Alter nicht begreiflich machen können.

Das Weinen wegen seines abrupten Abwendens hatte erst zugenommen. Dann verstummte sie und beobachtete ihren Papa sehr aufmerksam bei der Schadensbegrenzung. Plötzlich schien sie die Situation zu begreifen und plärrte so richtig los. Das zweite Mal war es wesentlich dramatischer. *flenn*

Er ging dann auch zu ihr und nahm sie in den Arm, um sie zu trösten. Er redete sanft mit ihr. *herz* Er habe sie lieb. Und er wisse doch, dass sie nur die Welt entdecken und ihm tolle Dinge zeigen wolle. Aber er habe ihr verboten an die Saatpaletten zu gehen. Und es sei wichtig, dass sie sich an Verbote halte. Die Schildchen - er hatte immernoch ein paar in der Hand - die hat Papa in die Saatpaletten gesteckt. Und da müssen die auch bleiben. Sie dürfe keine Schildchen aus der Erde ziehen. Das dürfe sie nie wieder tun. Und sie nickte und die beiden kuschelten noch eine Weile.

Das ist nun ein paar Jahre her. Und die Kleine hat eine echt starke Persönlichkeit entwickelt. Sie hat die Fähgkeit zu unterscheiden, zwischen der Wut über etwas und einem persönlichen Angriff. Im Gegensatz zu anderen Kindern fühlt sie sich nicht jedes Mal ungeliebt, sobald irgendwer in ihrem Umfeld mal über irgendwas wütend wird.

Also auf Situation 2 bezogen: Wenn ich im offenen emotionalen Kontakt mit einer Person stehe und diese Person plötzlich wütend über etwas wird, was ich gesagt oder getan habe, dann werde ich auch nicht wütend. Dann fühle ich zwar persönliche Betroffenheit. Schließlich war ich der Auslöser. Aber die Wut bzw. das Ausmaß der Wut nehme ich primär als Selbstauskunft meines Gegenübers wahr. Also dass da etwas für ihn dumm gelaufen ist und wie wichtig ihm die Sache ist. Angst um den Verlust unsere Beziehung verspüre ich in dem Moment verdammt selten (dazu bräuchte es mehr als bloß die Wut meines Gegenübers).
Diese Wahrnehmung habe ich, seitdem ich denken kann.
(Das ist eine sehr gesunde Grundeinstellung zur Wut, die ich glücklicher Weise Dank meiner Eltern mit auf den Weg bekommen habe.)

Bei Menschen, die immer wie ein Rumpelstilsken laut los poltern, kann ich ad hoc auch nicht einschätzen, wie wichtig ihm die Sache gerade ist. Die sind genauso schlecht lesbar wie Menschen, die ihre Wut nicht offen zeigen bzw. eine professionelle Haltung einnehmen, durch die erst gar keine Wut entsteht.
Beides erzeugt bei mir das Gefühl von einseitiger emotionaler Distanz.
Sicherlich ist das auch eine Art von Selbstschutz.
Aber vertrauenserweckend ist das nicht.

Auf Situation 1 bezogen: Damit, mir selbst zu erlauben, Wut haben zu dürfen und auszudrücken stand ich einige Jahre auf dem Kriegsfuß. Ich hatte von meiner Mutter gelernt: "Zeig deine Wut nicht. Bewahre Haltung. Sonst wissen die anderen Kinder erst Recht, womit sie dich ärgern können." Das stimmt einerseits zwar. Es gibt Situationen, in denen das die bessere Strategie ist. Aber für Beziehungen mit Menschen, denen ich vertrauen kann, war das kontraproduktiv.
Und mein eigentliches Problem mit Wut lag auch ganz woanders. Als ich noch sehr klein war, litt meine Mutter unter Depression. Sie hatte den Tod meines älteren Bruders noch nicht verarbeitet. Sie tat zwar alles, um ihre Krankheit von uns Kindern fern zu halten. Doch als ich eines Tages zu Recht wütend wurde, wurde meine Mutter suizidal. Was da bei mir hängen geblieben war, war, dass meine Wut tödlich sein könnte. Deswegen war es für mich schwierig, mir selbst meine Wut zu erlauben. Und als dann in einer ganz anderen Situation der Ratschlag meiner Mutter kam, meine Wut nicht zu zeigen, damit mich die anderen Kindern nicht noch mehr ärgern können... hatte ich das quasi wie ein Mantra vor mich hergetragen. Und ich war Stolz darauf, wie gut ich - im Vergleich zu anderen Kindern wurde - meine Wut zu kontrollieren. Ich hatte mir einen moralischen Sockel gebaut, mit dessen Hilfe ich mich über alle anderen erheben konnte, die ihre Wut nicht so toll im Griff hatten, wie ich selbst. *floet*

Doch Wut ist weder tödlich noch trennt sie mich sonst irgendwie von anderen Menschen.
Wut ist Selbstausdruck und damit ein elementarer Bestandteil emotionaler Kommunikation.
Meine Beziehungen haben sich verbessert, seitdem ich die ewige Selbstkontrolle meiner Wut aufgegeben habe.

Zitat von *********rgara:
Und da kommt es drauf an , was will ich erreichen?
Wenn ich meine Ruhe will, dann kann ich gehen ( und mich dazu klar abgrenzen ). Will ich ein Miteinander erhalten oder fördern, suche ich Kommunikation und Verständnis.

Es gibt Situationen, da geht es gar nicht darum, was ich erreichen will.
Oder welche Art von Beziehung ich mir mit Mensch XY erhoffe.
Ich zeige mich, zeige, was mir wie wichtig ist bzw. aufregt und wie wütend es mich macht, wenn das schief läuft und überlasse meinem Gegenüber die freie Entscheidung, ob er/ sie etwas mit mir anfangen kann und mag.

Das, was mein Gegenüber aus dem Erlebnis meiner Wut macht, habe ich nicht unter Kontrolle.
Wenn mein Gegenüber darunter leidet, dass ich bei seiner Tat oder Aussage XY wütend werde und an die Decke gehe, ist das sein Problem. Nicht meins.
Ich darf so sein wie ich bin und mir dürfen die Dinge wichtig sein, die mir wichtig sind.

Dem Gegenüber die Freiheit zu lassen, zu entscheiden, ob er mit mir, mit meinem So-Sein überhaupt was anfangen kann und mag, führt schon mal zu enttäuschten Hoffnungen auf Beziehungsebene.

Manchen Menschen ist mein So-Sein unerträglich.
Es kann auch dazu führen, dass mich ein Mensch aus Gehässigkeit genau dort verletzt, wo es mir besonders weh tut.
Aber die Menschen, die von sich aus hier und dort einen Schritt auf mich zu gehen, von diesen Menschen fühle ich mich dann auch wirklich gewollt. Und dieses Gefühl, wirklich gewollt zu sein, das ist mir wesentlich mehr wert als alles zu kontrollieren und mich oder andere vor möglichen Verletzungen zu schützen. Ich mag nicht unter einer Glasglocke leben.
Wie sagte einst die Rose im kleinen Prinzen?
"Ich bin nicht wehrlos. Ich habe auch Dornen.
Und ein paar Raupen werde ich wohl aushalten müssen, wenn ich den Wind spüren und Schmetterlinge sehen will."
(oder so ähnlich)

*gruebel* Also viele Deiner Aussagen @*********rgara könnte ich nachvollziehen, wenn du von Hass schreiben würdest. Oder wenn es um Wut in formalen Beziehungen (Kollegen, Vereinskammeraden, Busfahrer, Verkäufer etc.pp.) ginge.
Doch in Freundschaften kann ich dein Ansinnen, durch einen Fokuswechsel keine Wut mehr entstehen zu lassen, zu spüren, auszusenden... nicht teilen. Gerade davon bin ich mühseelig weggekommen. Ich wollte diesbezüglich nicht länger auf einem moralischen Sockel über allen anderen Menschen stehen. Ich will mitten unter ihnen sein. Im direkten offenen emotionalen Austausch.
Zitat von *******ias:
Insbesondere Wut bezieht sich nicht auf die Mitmenschen (im Gegensatz zum Hass).

Hass kann natürlich auch mir selbst gelten = Selbsthass. Dieser kann zu Krankheit und Suizid führen.

Ein unterschätztes Gefühl ist übrigens Scham. Sie kann meine Authentizität im Leben meiner Gefühle deutlich einschränken. Vivian Dittmar nennt die Scham das einzig nach innen gerichtete Gefühl; alle anderen seien nach außen gerichtet ( wenn wir das fremdschämen einmal ausklammern; da übernehme ich Scham als Stellvertreter ). Für Thomas Trobe / Krishnananda ist die Scham - überwiegend anerzogen und adaptiert - ein ähnlich starkes Hemmnis der Selbstentfaltung wie die Ängste.

Die Übernahme von Fremdgefühlen ist auch beachtenswert. Betrete ich einen Raum mit mieser Stimmung, kann mich das anstecken. Unbewusst wird etwas in mir angetriggert, und es folgt innere Resonanz. Nehme ich das bewusst wahr, kann ich bei mir bleiben, und die Zugänge dafür in mir schließen. Safi Nidiaye widmet diesem Thema ein lesenswertes Buch.
*********rgara Frau
7.491 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
@*******ias

Ich stimme Dir zu, dass ich in Freundschaften Gefühle wesentlich offener lebe als in anderen Situationen. Und ganz besonders offen lebe ich sie unter denen, die mit mir zusammen wohnen. Das ist in meinem Fall meine Familie.

Gerade unter diesen Menschen bin ich auch am häufigsten sachte wütend. Wenn meine Kinder neben mir die Nase hochziehen, wenn jemand neben mir einen Apfel isst, kann mich das wahnsinnig machen. Wenn ich darum bitte das Nase hochziehen zu lassen und es geht weiter, kann ich explodieren.
Das hat sowas von chinesischer Wasserfolter. Ich kenne auch die Wut der Verzweiflung , wenn einem Kinder etwas zerstören.

Einmal bekam meine kleine Tochter einen Wutanfall im Auto. Ich fuhr schnell auf der linken Spur und ihre Mütze war runter gefallen. Ich sollte sie aufheben. Ich erklärte ihr, dass das nicht geht. Sie quengelte weiter und schrie vor Wut irgendwann.
Ich bekam Angst , ich könnte einen Unfall bauen , weil es schwierig wurde konzentriert zu bleiben. Ich schrie genauso zurück. Ich bemerkte den Impuls sie zu schlagen vor Wut. Der war enorm.
Ich musste aber das Auto steuern. Ich schrie ihr meine Wut entgegen und konzentrierte mich darauf langsamer zu werden und die Spuren zu wechseln. Sie tobte weiter.
Meine Wut verebbte und auch ihre, doch der Schrecken blieb.
Rückblickend hätte ich mich lieber nicht von ihr anstecken lassen.

Auch in der Zeit, vermutlich ihre Trotzphase , schrie sie vor Wut und lief hinter mir her. Ich war am Ende meiner Nerven, schloss mich in der Küche ein und heulte. Ich dachte ich kann mich von einem Mann scheiden lassen, aber nicht von meinem Kind und dass wir nicht gut kompatibel sind.
Auch später hatte ich viel Streit mit ihr. Sie kann ganz schön zicken und es erinnerte mich an den Kampf auf einem Hühnerhof um die Hackordnung.

Weil sie meine verwundbaren Stellen gut kennt, bekommt sie mich sehr schnell auf 180.
Insoweit ist sie mein Sparringpartner par execellence. Mit Freunden gehe ich so nicht um.

Ich stelle fest, dass ich aufgrund der etwas größeren Distanz zu Freunden bei denen eher nachfrage, wenn mich etwas stört. Ich habe selten Streit mit Feunden und sie machen mich seltener wütend. In den meisten Fällen erreiche ich mit Freunden eine Klärung durch Kommunikation. Ich betrachte das als ein Zeichen meines Respekts vor meinen Freunden. Da ist aber auch niemand drunter, der mir absichtlich oder nachlässig Schaden zufügt. Dann würde auch ich sehr wütend.

Wie ich schon sagte geht es mir nicht darum Wut als schlecht auszumerzen. Nur darum sie bewusst und wohl dosiert zu leben. Und in den meisten Fällen brauche ich sie nicht , um ein Problem zu lösen und habe die Erfahrung gemacht, dass sie oft auch eine Lösung erschweren kann, wenn sie das Gegenüber bedrängt. Wenn ich weich , offen und vertrauensvoll unerwartet mit großer Wut geflutet werde, hat das auch etwas übergriffiges. Ich muss sie aushalten, mit ihr umgehen, auch wenn ich beispielsweise lieber eine Aussprache führen würde. Statt einem Austausch von was brauche ich und was Du und warum frustriert was wen , erlebte ich oft, dass ich vor Wut Dinge sagte, mit denen ich den anderen verletzte und in die Verteidigung zwang.
Dann wird nicht mehr über die Sache , sondern die Wut und ihre Folgen ( die Wortwahl, den Ton usw ) gestritten.

Wenn ich verstehe, wo der andere steht , was er braucht und möchte , empfinde ich oft keine Wut mehr. Nur Frust, wenn es eben nicht zu meinen Bedürfnissen passt. Weil ich etwas unnötigerweise nochmal machen muss. Usw. Ich kann sagen: was Du sagst oder tust frustriert mich. Bitte hör auf , lass uns eine Lösung finden. Damit komme ich fast immer besser weiter als mit Wut. Erst wenn mein Gegenüber nicht darauf eingeht, brauche ich die Wut für den Nachdruck.

Aber meine Frage war, worauf mein Fokus liegt. Der wird niemals auf Wut liegen. Ich lege Wert darauf, dass mein Wirken überwiegend versöhnlich und verbindend ist. Es genügt, dass jemand in einzelnen Momenten merkt, wenn ich will werde ich wütend .
Dann auch mit Kraft auf Präsenz. Aber nicht unkontrolliert.

Ich erhebe mich nicht moralisch über Wut. Wenn ich sie nicht empfinde, dann in Momenten, in denen sie keine Resonanz in mir hat. Und die werden mehr, nicht weniger. Weil ich mich der Wut bediene , wann sie mir helfen kann und mich nicht von ihr fortspülen lasse.

Meine Wut ist außerdem bei mir oft ein Ergebnis meines verletzten Egos. Es läuft nicht so wie ich es will. Frust. Wut. Explosion. Ich fühle mich dann ignoriert, nachlässig behandelt bis angegriffen.
Wenn ich weniger den Fokus auf meinem mimimi habe und mehr auch auf dem anderen, verpufft meine Wut oft schon in den Anfängen.

Und ich bin nicht glücklich , wenn ich wütend bin. Ich genieße Wut nicht. Und ich möchte sie nicht vermehren um mich herum.
*********rgara Frau
7.491 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Und gerade bemerke ich, dass meine Threadfrage worauf mein Fokus liegt ( bei mir auf Liebe und Verbundenheit) nicht den Fokus auf dem Fokus hat, sondern zu einer Diskussion über den Umgang mit Wut geworden ist. Also auf etwas, auf dem mein Fokus nur selten liegt .

Hat denn jemand seinen Fokus überwiegend auf Wut?

Worauf habt Ihr Euren Fokus? Wie wirkt Ihr auf Eure Umwelt ? Passt das zu dem wie ihr wirken wollt ?

Soll die Umwelt Euch einfach so nehmen wie Ihr seid oder gestaltet Ihr den Umgang mit anderen Menschen bewusst?

Ich persönlich denke es braucht auch hier ein Gleichgewicht. Ein bei sich bleiben , aber auch ein dem anderen Raum lassen und den gemeinsamen Raum bewusst gestalten.
Zitat von *********rgara:
Statt einem Austausch von was brauche ich und was Du und warum frustriert was wen , erlebte ich oft, dass ich vor Wut Dinge sagte, mit denen ich den anderen verletzte und in die Verteidigung zwang.

Ich finde den Verlauf dorthin, wo er gerade ist, als ungemein wichtig. Zum Ursprungsthema kommen wir sicherlich noch *zwinker*

@*********rgara Was du da von dir beschreibst ist nichts anderes, als dass du mit dem Gefühl im Moment identifiziert bist. Du BIST die Wut, statt sie zu fühlen. Das ist fatal! Und mit Vermeidung ( ich will diese Wut nicht fühlen!! ) erreichst du das Gegenteil. Nämlich, dass die Wut sich ihren Weg an die Oberfläche zurück erkämpft. Das ist ein innerer Kampf, der sich auf Körper, Geist und Seele auswirkt.

Die Wut bewusst in mir zu fühlen, sie da sein zu lassen, ihr ihre Daseinsberechtigung nicht abzusprechen ist der Weg. Sie ist ein inneres Kind von mir, das sich Wertschätzung, Akzeptanz und Liebe wünscht. Nur dann findet dieses innere Kind seinen Frieden, und integriert sich in mir.

Dies hatte ich schon ansatzweise so beschrieben...
Facebook hat mich gerade daran erinnert, was ich genau heute vor zwei Jahren zum Thema Wut geschrieben habe:

Warum
klingen
Mut und Wut
so ähnlich?

Du musst nur
den ersten Buchstaben
umdrehen.

Wenn du
die Wutenergie
in dir
umdrehst
ensteht Mutenergie.

Richte
deine Energie
nicht
auf ein Ziel
im Außen.

Dort verliert sie sich.

Richte
deine Energie
lieber
auf das
was DU
wirklich willst.

Nur dann
nutzt dir
deine Energie
wirklich!

*********rgara Frau
7.491 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Das war gerade, was ich mit meinen bisherigen Ausführungen sagen wollte @**MK .
Wenn ich beschreibe, dass ich von Wut nicht überflutet und fortgerissen werden möchte, dann ist das , so wie ich Dich verstehe, das , was Du mit sich mit Wut identifizieren meinst.

Und nochmal: Ich sehe Wut nicht negativ und ich versuche nicht sie zu vermeiden. Ich habe sie oft genug gelebt und erlebt und auch vor einem Jahr aufgedeckt , wo ich das noch nicht konnte.

Aber ich bin überzeugt, dass nicht nur das mich Annehmen mit Wut ( der Mut zur Wut ) ein Weg heraus ist aus dieser Idenfikation. Empathie und Mitgefühl mit meinem Gegenüber im Gleichgewicht mit meiner Selbstliebe und ein mir bewusst sein, was ich empfinde und was der andere, helfen im Umgang miteinander. Und dann werde ich seltener wütend.
Weil das, was mich wütend gemacht hat, weniger Resonanz in mir hat. Sie ist manchmal nicht nötig , hilfreich oder die beste Lösung. Und das nimmt bei mir zu.

Ich vermute es ist ein Weg in Stufen. Erst nehme ich die Wut an und dass sie ein Teil von mir ist. Dann entscheide ich bewusst, ob ich sie noch brauche.

Auch der Dalai Lama hat in letzter Zeit immer wieder über compassion geschrieben. In vielen seiner Posts. Er erklärt auch , warum er compassion als wichtig ansieht und förderlich für unser Zusammenleben.
Ein gesunder Umgang mit Wut gehört da auch dazu.

Aber: Mein Fokus liegt nicht auf der Wut. Sie ist nicht meine bevorzugte Reaktion. Sie ist nicht das, was ich verbreiten möchte. Sie ein Gefühl, das einen Platz hat, aber nicht meinen Fokus. Ich hoffe in meinem Leben wird Wut niemals mein Leben dominieren oder den größten Raum einnehmen.

Ich nehme Deine Worte @**MK mit zu meiner Freundin, die mit ihrer Wut kämpft und darunter leidet. Danke dafür.
*********rgara Frau
7.491 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Ich möchte ein paar Beiträge des Dalai Lama ( gefunden auf FB ) anfügen. Vielleicht kann er besser sagen, was ich meine:

Most of the problems that disturb us are of our own creation. This is why it is so essential that we learn to establish peace of mind. It’s evident that being in a state of constant anger and fear destroy any sense of inner peace, while cultivating compassion and concern for others reduces these destructive emotions. Better to be altruistic and think of your neighbours as brothers and sisters.

Whoever I meet, I think of them as another human being just like me. We are physically, mentally and emotionally the same. If we remember that other people are essentially like us, we won’t view them with hostility. While love and compassion bring peace of mind and attract friends to us, anger drives people away. So, not only do I advise others to cultivate these qualities, I try to put them into practice myself.

What’s truly of value in life? what gives our lives meaning? We weren't born to cause trouble or harm. To be of value, we must develop basic good human qualities---warmth, kindness, compassion. Then our life will become happier and more meaningful.

Negative emotions like attachment and anger are part of our lives, but there are also antidotes to them. We need to reflect not only on the damage anger and fear can bring, but also on the benefits to be found in cultivating compassion and non-violence and find a balance between them.
*******ias Frau
4.409 Beiträge
@**MK

Mit Scham habe ich mich auch eine Weile sehr intensiv beschäftigt.
Kennst du von Leon Wurmser "Die Maske der Scham"? Sehr umfangreiches Buch. Als Wurmser das geschriebenn hatte, war er bereits 90 oder so und zählte zu den Psychoanalytischen Urgesteinen. Wie viele Analytiker fing er gegen Ende seines Lebens an, seine gewonnen Erkenntnisse aus Jahrzehnten der Therapie in Worte zu fassen. Seine Bücher zur Analyse des Über-Ichs hatte er glaube ich vor der Maske der Scham geschrieben. Aber das ist auch naheliegend. Scham ist eine Selbst-Entwertung. Und mitunter der schlimmste Seelenmord, den man einem Kind antun kann, ist, es dafür zu verurteilen dass es Gefühl XY habe. Und da primär die Eltern das Über-Ich prägen, verurteilen sich die Menschen als Erwachsene immernoch dafür, wenn sie einmal Gefühl XY verspüren. Wobei die Psyche da oftmals einige extreme Abwehrmechanismen fährt, so dass der Mensch Gefühl XY so gut wie gar nicht mehr spürt. Die Scham verbirgt, was nicht sein darf. Dabei sollten die Eltern das Kind an die Hand nehmen und es dabei unterstützen seine eigene Emotionsregulation zu entwickeln. Und ihr Kind nicht für seine Gefühle verurteilen und bestrafen.
Wurmser hat sich sehr intensiv mit Scham-Schuld-Dilemmata beschäftigt.
Scham sei eine (Selbst-)Verurteilung des So-Seins.
Schuld sei eine (Selbst-)Verurteilung des Handelns.
Oft ist aber beides miteiannder verstrickt. Wahlweise man fühlt sich schuldig oder man schämt sich. Oder aber: Wahlweise man schämt sich oder die Anderen sind schuldig.
Spannend fand ich, dass auch Trauerprozesse oftmals Scham-Schuld-Dilemmata enthalten. Bis dahin war mir aus der psychologischen Literatur nur das Trauer-Wut-Wechselspiel im Trauerprozess bekannt. Aber in den Zeilen von Wurmser und dem beschriebenen Scham-Schuld-Wechselspiel erkannte ich die eigentliche Problematik meines Trauerprozesses wieder. (Ich hatte vier Todesfälle in drei Jahren. Die letzten beiden innerhalb eines halben Jahres. Ich hatte den einen Trauerprozess noch gar nicht abgeschlossen, da kam der nächste hinzu. Das war übel.)

Aufgewachsen war Wurmser in Deutschland, jüdische Abstammung und ist dann rüber in die USA - mit den Teilen seiner Familie, die es geschafft haben. Dieser historische Background bot ihm wohl auch reichlich Stoff für seine lebenslange Beschäftigung mit Scham & Schuld. Und er ist sehr oft nach China gereist. Einen Teil seines Buches widmet er dann auch den kulturellen Unterschieden der individualistischen westlichen Kultur, die primär eine Schuld-Kultur sei. Während die asiatischen Kulturen (mir fehlt gerade das Wort für das Gegenteil von individualistisch) primär eine Scham-Kultur seien.

Scham ist auch die komplexeste aller Emotionen. Sie entwickelt sich auch erst im 5. Lebensjahr. Davor ist die Psyche von Kindern zu egozentrisch um in anderen Menschen mehr zu sehen als als Statisten in ihrem Leben. Erst mit der Fähigkeiten andere Menschen als ebenso eigenständige Wesen zu betrachten wie man selbst, gerät das Zugehörigkeitsgefühl in Gefahr.
Jeder Mensch trägt in sich wiederstrebende Bedürfnisse.
Einerseits das Bedürfnis, Einzigartig zu sein. Ein ganz besonders Mitglied der Gruppe/ der Familie.
Andererseits das Bedürfnis, Genau so zu sein. Die Verbundenheit aus der Gleichheit "ich bin so wie Mama".
Scham geht immer mit der Angst eines Gruppenausschlusses einher. Man gehört nicht dazu. Man ist falsch. Dürfte gar nicht da sein. Niemand darf das wissen. Man muss sich verstellen und verbergen, um geduldet zu werden.

Nur so aus dem Gedächtnis. Zur Zeit lagert das Buch mal wieder auf dem Speicher.

Ich hatte auch einige andere Bücher zur Scham aus der Landesbibliothek ausgeliehen. Die Autoren und Titel habe ich inzwischen wieder vergessen. Aber die Maske der Scham ist so ein Buch, das habe ich immernoch nicht komplett begriffen. Immer, wenn ich es mal wieder hervorhole und etwas daraus lese, begreife ich ein kleines Stückchen mehr. Ich habe es mir dann gekauft.
*******ias Frau
4.409 Beiträge
@*********rgara

Die emotionalen Prozesse, die reibungslos verliefen, die habe ich selten in den Fokus meiner Aufmerksamkeit genommen. Da vertraue ich einfach meiner Gefühlswelt.

In den Fokus genommen habe ich die Emotionen, mit denen es Probleme gab.
Und wenn ich so auf mein Leben zurückblicke, dann ist Wut die Emotion, die ich am häufigsten in den Fokus genommen hatte.

Nun hattest du das in den Fokus nehmen anders verstanden.
Irritiert war ich, dass du die Liebe in den Fokus nehmen wolltest um weniger Wut zu verspüren und auszusenden bzw. deine Wut besser zu regulieren.

In meinen Augen ist es eher so, dass man eine andere Rolle in den Fokus nimmt.
Mit jeder Rolle gehen andere Einstellungen einher.
Und je nachdem wie ich zu einer Situation stehe, tauchen bei mir andere Emotionen auf.

Ich wurde zwei Mal sozialisiert. Ein Mal in einer Hochhaussiedlung, in der viele Menschen aus der Unterschicht lebten (was meiner Mutter so gar nicht gefiel). Ab dem 8. Lebensjahr in einem typischen Mittelschichts-Dorf (Schlafdorf).
In Punkto Wut und einigen anderen Emotionen kommunizieren die Menschen aus Unter- und Mittelschicht wie Hund und Katze. Bei der Wut wurden die Unterschiede besonders deutlich. Es kommt zur moralischen Verurteilung einer Person, wenn diese die falsche emotionale Sprache spricht.
• Wenn man in der Situation X Wut zeigt, ist man im einen Millieu sozial und im anderen Millieu asozial.
• Wenn man in der Situation Y keine Wut zeigt, ist man im einen Millieu sozial und im anderen Millieu asozial.

Und wenn die Emotionen im Millieu "völlig unpassend" sind, dann ruft das Scham-Schuld-Dilemmata hervor. Nach einem halben Jahr in dem Mittelschichts-Dorf sagte ich: "Die können mich mal alle. Ich werd mich nie an dieses asoziale Pack anpassen!" - Nun, ich habe es mir im Laufe der Zeit dann doch noch mal anders überlegt. *zwinker*

Als Studentin wurde das Thema noch mal aktuell. Ich hatte nicht viel Geld und wohnte ein gutes Jahr lang in einer kleinen Wohnung inmitten des Rotlichtmillieus einer Großstadt. Erstaunlicher Weise switchte meine emotionale Resonanz automatisch. Je nachdem, ob ich es gerade mit einem Nachbarn oder mit einem Kommilitonen zu tun hatte. So oder so: Die Kommunikation lief gut. Aber wehe ich hatte Situationen, in denen Vertreter beider Schichten anwesend waren. Da musste ich mich entscheiden. Entweder ich war für den Unterschichtler völlig daneben oder ich war für den Mittelschichtler völlig daneben.

Und wohlgemerkt ich spreche hier von Emotionen. Nicht von Verhalten und nicht von Worten, die ich dann benutzte. Sondern von der Emotion, die ich währendessen hatte.

Auch bei Mann/ Frau gibt es unterschiedliche Vorgaben, was Wut anbelangt.
Frauen dürfen in wesentlich weniger Situationen Wut haben, wenn sie "sozialverträglich" gelten wollen. In der Mittelschicht ist der Unterschied zwischen Mann und Frau krasser als in der Unterschicht.
Im Leben hatte ich insgesamt mehr Männerfreundschaften als Frauenfreundschaften.
Was unter anderem auch daran liegt, dass viel mehr Männer als Frauen mir zugestehen, Wut haben zu dürfen. Mir scheint: In Punkto Wut sind die Männer im Schnitt emanzipierter als die Frauen. Bzw. ist es wesentlich leichter dem anderen Geschlecht etwas zuzugestehen, was man selbst lebt. Frauen können Männern ja auch eher Tränen zugestehen als Männer untereinander.
*******ias Frau
4.409 Beiträge
Nebenbei bemerkt: Ich bin nicht gegen soziale Normen.

Während des Studiums habe ich zwei Jahre lang auf einem internationalen Gang des Studentenwohnheims gelebt. 9 Bewohner unterschiedlicher Herkunft. Da gab es keine allgemein verbindlichen sozialen Normen. Das machte es verdammt schwierig und anstrengend, heraus zu finden, ob man gerade persönlich angegriffen wurde oder nicht.
• Falls nicht, doch man wertete es als persönlichen Angriff, war das schlecht.
• Falls es ein persönlicher Angriff war, den man einfach ignorierte, war das aber genauso schlecht.

Eine allgemeinverbindliche Leitkultur erleichtert das Leben ungemein.
Abweichungen kann und darf es dennoch geben - wenn man dabei berücksichtigt, dass man selbst gerade Abweicht und es sozialverträglich in die Wege leitet, kommen Abweichungen sogar "gut an". *zwinker*
*********rgara Frau
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@*******ias Die westlichen Kultur als Schuldkultur und die östliche als Schamkultur. So simpel und klar und doch war mir das bisher nicht bewusst. Danke für diesen Blickwinkel!

Das ergibt also die Kombinationen Scham wegen Wut, Schuldgefühle wegen Wut und Scham und Schuld gemixt wegen Wut.
Gibt es auch Wut wegen Scham und/oder Schuld?
Und Scham wegen Schuld oder Schuld wegen Scham?

Ich vermute ja.

Auch die unterschiedlichen Arten des Umgangs je nach Geselslchaftschicht mit Wut finde ich interessant. Ich vermute je mehr Bildung eine Schicht hat desto mehr werden Gefechte aller Art ins Wort verlagert und in die Verhandlung. Und desto mehr Empathie ist vorhanden und löst das reine Konfliktverhalten ab.

Zitat von *******ias:
Irritiert war ich, dass du die Liebe in den Fokus nehmen wolltest um weniger Wut zu verspüren und auszusenden bzw. deine Wut besser zu regulieren.

Da fühle ich mich falsch verstanden. Ich hab die Liebe im Fokus, weil sie verbindet und ich dabei glücklich bin und um mich herum mehr davon zu säen. Nicht um Wut nicht zu spüren oder zu regulieren. Das sieht zwar wie ein und dasselbe aus zwei Blickwinkeln aus, ist aber nicht. Ich habe den Fokus auf der Liebe um ihretwillen und nicht als Wutvermeidungsstrategie.

Ich reguliere stattdessen meine Wut , um mehr Raum zu schaffen Liebe zu spüren. Wie ich schon sagte: Ich möchte Wut bewusst nutzen und nicht von ihr beherrscht werden oder wie @**MK es nannte ich möchte mich nicht mit Wut identifizieren.

Außerdem stelle ich fest, dass ich in starker Verbindung mit Liebe für die Wut nur noch wenig Andockfläche habe. Sie hat kaum Resonanz und gleitet durch mich eher hindurch ..... Da muss ich gar nichts für tun. Das ist eine Beobachtung.
Für mich ist das in etwa so wie wenn die Wut Stützrädern entspricht, die ich nicht mehr brauche , wenn ich Fahrrad fahren kann. Oder nur noch in Ausnahmefällen.

Was dann auch wieder zu dem passt, was ich vom Dalai Lama zitiert habe:

While love and compassion bring peace of mind and attract friends to us, anger drives people away. So, not only do I advise others to cultivate these qualities, I try to put them into practice myself.

Er schreibt, dass er es nicht nur Anderen rät , sondern selbst praktiziert. Weil Liebe und Mitgefühl inneren Frieden bringen ( vorausgesetzt man unterdrückt dafür nicht andere Gefühle wie auch die Wut ).
Und Verbindung zu anderen Menschen.
*******ias Frau
4.409 Beiträge
Zitat von *********rgara:
Auch die unterschiedlichen Arten des Umgangs je nach Geselslchaftschicht mit Wut finde ich interessant. Ich vermute je mehr Bildung eine Schicht hat desto mehr werden Gefechte aller Art ins Wort verlagert und in die Verhandlung. Und desto mehr Empathie ist vorhanden und löst das reine Konfliktverhalten ab.

Jain. Nicht so ganz. Es gibt weder mehr noch weniger Konflikte. Und auch bei durchschnittlichen Empathie-Vermögen der Menschen sehe ich keinen Unterschied.

In der Unterschicht werden Konflikte vermehrt direkt ausgetragen. Im Worst-Case muss man bereit sein für seine Worte zu bluten bzw. gehen da häufiger irgendwelche Sachen kaputt. Der Respekt vor Eigentum ist geringer. Aber ein Mensch, der sich dem direktem Konflikt entzieht, höflich reserviert reagiert oder sich vom Acker macht, der zeigt sich gegenüber seinen Mitmenschen "respektlos".

In der Mittelschicht läuft vielmehr über Intrigen und Verrat. Die lächeln dir ins Gesicht und hintenrum *blabla* machen sie dich schlecht. Vor allem Menschen, die einen schlechten Stand haben (neu sind oder per se Einzelgänger) werden oft indirekt angegangen. In privaten Beziehungen ist passiv aggressives Verhalten weit verbreitet - auch bei Männern.

Die Mittelschicht ist in Konflikten insgesamt hinterhältiger. Das bedeutet aber nicht, dass die Menschen weniger Konflikte miteinander hätten oder weniger aggressiv wären.

Ich kann nicht sagen, was besser oder schlechter ist.
Das kommt auf den Einzelfall an.

Wenn sich im Rotlichtmillieu zwei meiner Nachbarn stritten, dann flogen schon mal die Fäuste, danach tranken sie gemeinsam ein Bier. Das kam alle zwei/ drei Monate mal vor. Doch in der restlichen Zeit hatten die zwei einen echt guten Kontakt. - Solche nachbarschaftlichen Verhältnisse kamen in der Gegend häufiger vor.

Zwei Nachbarn aus der Eigentümergemeinschaft meiner Eltern hingegen führten zwei Jahre lang Gerichtsverfahren gegeneinander. Klage - Gegenklage. Mediationsversuche abgebrochen. Miteinander hatten die kaum ein Wort gesprochen und als das Gerichtsverfahren im Raum stand, gar nicht mehr. Stattdessen sprachen beide Parteien sehr ausführlich übereinander und vergiftete das Klima. Bis dann eine der beiden Parteien verkaufte und weg zog. - Solche nachbarschaftlichen Verhältnisse kamen in der Gegend häufiger vor.

Heiße Wut - Kalte Wut.
Das ist der Unterschied.
Zitat von *********rgara:
Ich reguliere stattdessen meine Wut , um mehr Raum zu schaffen Liebe zu spüren.

Selbstregulation ist genau das richtige Stichwort *top*

@*******ias Danke, dass du mir noch einmal vor Augen führst, dass die Art der gefühlten Emotion, wie auch deren Ausagieren mit ein Produkt der Sozialisierung sind *top* Wurmser kannte ich noch nicht, doch allein das Vorwort ist schon - wenn auch schwierig - sehr interessant...
*********rgara Frau
7.491 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Ich habe doch tatsächlich heute Nacht an diesen Thread denken müssen als ich eine Weile wegen meines Infekts wach lag.

Mir ist eine Rhetorikschulung wieder eingefallen. Darin ging um den Umgang mit wütenden Kunden.

Die Botschaft der Schulung war, dass Menschen sich wünschen mit ihren Anliegen gesehen und ernst genommen zu werden. Ruft jemand an, solle man sein Anliegen mit eigenen Worten wiederholen:

Habe ich richtig verstanden? Sie möchten.... Sie haben folgendes Problem .... usw ?

Durch die Rückfrage vermeidet man sowohl Missverständnisse , aber man gibt dem anderen auch das Gefühl , dass er gesehen und ernst genommen wird. Häufig wird ein Kunde bereits deshalb weniger wütend reagieren oder sich beruhigen.

Und nach meiner Erfahrung ist das auch auf Familie, Freunde und Beziehungen übertragbar.
Ernst genommen und angenommen werden , ich kenne niemand , der sich das nicht wünscht.
Und ich kenne nichts respektvolleres.
Hierbei sind Mitgefühl und liebevolle Zuwendung hilfreich.

Das sind Deeskalationstechniken, die ein Weg sind eine Lösung für einen Konflikt zu finden.
Aus der Paarberatung kenne ich auch noch die Technik sich in die Augen zu sehen und eventuell dabei auch die Arme umeinander zu legen. Wut und Distanz lösen sich dann oft auf und werden durch Nähe und Verständnis ersetzt.

Da geht es weder darum, dass Wut nicht sein darf, vermieden werden soll oder unterdrückt.
Das sind Möglichkeiten sie zu regulieren und dem entgegen zu wirken, was Wut oft verursacht: Distanz, Verletzung , Blockade. Wut muss nicht ausgelebt werden ohne Regulierung bis sie sich ausgetobt hat.
Mit der Regulierung wird eine Lösung für die Wutsituation einfacher und effektiver.

Und durch das, was ich über den anderen lerne , werde ich in Folge seltener wütend. Weil ich beim Wiederholungsfall erkenne , was da wieder passiert.
Ich reagiere dann mit Ahaeffekt und manchmal bin ich auch genervt oder verzweifelt. Manchmal aber auch schmunzele ich und denke, dass es typisch ist für den Menschen und nehme ihn an mit diesem Verhalten. Obwohl es mal eine Zeit gab, in der es mich wütend gemacht hat.

Dennoch gibt es Situationen, die sich so nicht regeln lassen. Wenn die Wut oder die Verletzung sehr stark sind. Manchmal habe auch ich beobachtet wie wütend jemand werden kann, dessen Gegenüber nicht ebenfalls wütend wird. Bei starker Wut fühlt sich der Wütende dann gerade nicht ernst genommen oder gesehen. Also zurücklächeln geht dann auf keinen Fall. Das würde aussehen wie auslachen.
Dennoch reicht es ernst zu sein und präsent und stark. Falls nötig auch die Stimme zu erheben.
Doch es ist nicht nötig sich ebenfalls in diese Wutstärke ziehen zu lassen. Niemand muss sich einen Konflikt aufzwingen lassen , der ihn nicht führen will, auch wenn er dem Wütenden damit vielleicht einen Strich durch die Rechnung macht.

Das war eine meiner interessantesten Erkenntnisse in den letzten Jahren. Als ich erkannte, wann ich Wut unterdrückt hatte und sie zuließ, dennoch bewusst zu entscheiden, wann und wie ich sie leben möchte.
Es war erstaunlich einfach einen Konflikt nicht zu führen, denn es genügte, keine Zeit damit verbringen zu wollen. Es kostete Null Energie. Und es nimmt jedem Angriff die Macht mangels Resonanz.

Es ist wie einen Schritt zurücktreten und zusehen. Wie sich jemand mit der Wut identifiziert und wie ein Zug rast, aber kein Ziel findet.
Und das dann noch liebevoll zu tun , ist mein Fokus.

Nur wenn diese Wut beginnt mir durch Handeln zu schaden, nutze ich meine dosiert , um einzuschreiten und mich zu verteidigen. Manchmal habe ich aber auch hier schon festgestellt, dass es genügt jemand eine Weile wirken zu lassen und ihn ernten zu lassen, was er gesät hat. Das hängt aber von der einzelnen Situation ab.
*********rgara Frau
7.491 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Ein Meme, den mir mein Sohn geschickt hat, passt auch gut zum Thema finde ich ...
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