World Ryu bringt nix, ok dann Irrt sich Osada Steve warscheinlich mit seinem System.
Er muss aber auch nicht mit allem grundsätzlich für jede Person, für jeden Rigger, richtig liegen, nur weil er Osada Steve ist. Er ist ja kein "Gott". Nicht jeder kann seinen Werdegang mitgehen oder will es überhaupt. Als nicht-japanophiler Rigger kann ich mit Eigenheiten, die rein der Anlehnung der japanischen Kultur entspringen, beispielsweise wenig anfangen weil für mich ein "weil das in Japan nunmal so ist" keine valide Aussage zur Begründung einer Handlung ist.
Nur weil Osada Steve eine Fesselung auf eine bestimmte Weise, mit bestimmten Knoten, fesselt sind andere ja nicht gleich weniger Wert und seiner "richtiger", wenn am Ende dasselbe an Effekt herauskommt. Hier sind wir wieder bei "man macht das aber wie XY sagt". Dieser XY ist dann hier Osada Steve.
Wie wir hier ja schonmal feststellten: "Nur so, nur diese Weise, ist die richtige, alle anderen sind falsch" würde mir bei Osada Steve genauso schräg vorkommen wie bei jedem anderen Lehrer, außer er kann es inhaltlich (wie jeder andere Lehrer auch) begründen. Da hat er keine Sonderstellung als Legende, und damit keinen "hat immer Recht"-Anspruch "nur" weil er Osada Steve heisst. Mit Glorifizierungen tue ich mich schwer.
Ich kann die Vorteile des Wunsches nach einem World Ryu ja durchaus verstehen.
Was sich daraus ergeben würde wäre ja vor allem folgendes:
1. Es wird standardtisiert gelernt und gelehrt.
Anfänger werden, wenn sie den Lehrer wechseln, nicht mehr mit anderen Techniken und Herangehensweisen an Fesselmuster konfrontiert. Wer einmal eine Fesselung nach Schema A lernte, angefangen mit "nach dem Starterknoten gehen wir nach links, nicht nach rechts", der wird das überall genau so wiederfinden. Es kann auch jeder Helfen, jeder Rigger kann Tipps geben, kann erinnern. Denn: Im Grundsatz fesseln ja alle gleich.
2. Die Lernwege sind transparent
Alles ist nachvollziehbar. Nach dem Einsteigerworkshop geh ich zu Workshop 2, dann zu 3, dann zu 4. Alles ist durchgetaktet und nachvollziehbar. Wenn ich plötzlich von Düsseldorf nach Leipzig ziehe und deshalb den Lehrer, bzw. Workshopanbieter wechsle, dann kann ich genau da wieder einsteigen.
3. Der Lehrer weiß immer so seine Schüler stehen, auch wenn sie vorher gar nicht bei ihm waren.
Das ergibt sich aus Punkt 2. Sage ich dem neuen Lehrer in Leipzig, dass ich vorher auf Stand (Beispiel) "Workshop 3" war, dann kann ich dort nahtlos in Workshop 4 einsteigen.
4. Rein Ökonomisch: Wenn alles Standardisiert ist gleichen sich die Workshoppreise an
Wenn ich in Berlin 5 Workshopanbieter habe und die eh alle dieselben Inhalte standardisiert lehren, dann gehe ich vermutlich zum günstigsten. Natürlich spielt die persönliche Qualifikation des Lehrers auch noch eine Rolle. Das fällt nicht heraus. Dennoch spielt der Preis gerade bei Neueinsteigern, die die Lehrer und Anbieter nicht kennen, die wirklich noch nie in die Szene schnupperten, immer eine Rolle.
Das sind die für Vorteile, die ich erst einmal herauslese. Die ganze Szene würde homogenisiert und ist weniger fragmentiert.
Dennoch gruselt es mich persönlich davor, denn:
1. Gleichmacherei nimmt Individualität
Am Ende sollen die Fesselungen ja sicher und gekonnt sitzen. Wie die aber zustande kommen, dafür gibt es mitunter diverse Wege. Das fängt ja schon beim Startknoten an.
Am Ende nimmt man dem jegliche Individualisierungsmöglichkeiten.
Eine Freundin von mir würde hier sagen: "Man, Sebastian, das klingt schon wieder so typisch deutsch: Standards, am besten noch Zertifikate verteilen, alles normieren".
2. Förderung von Elitenbildung
Hier im Thread, so wie in den parallelen, gab es ja schon das "Poser" und "Aufreisser-Dom"-Argument. In einigen Teilen hat die Szene mit "Fesselpolizisten" und "Poser-Ego-Riggern", wie jedes andere Hobby auch, so ihre Probleme. Dadurch, dass man eine Möglichkeit schafft, dass sich genau diese Leute vor unerfahrenen mit stolzgeschwellter Brust als "World Ryu Rigger, zertifiziert, mit Sternchen" hinstellen können fördert man das noch.
3. Standardisierte Lernwege sagen am Ende auch nichts darüber aus wie sich jemand verhält
Empathie gegenüber dem Bunny, die Schaffung von Ambiente, das emotionale Auffangen des Bunnys, kann man schwerlich lehren. Wenn das jemand nicht kann, dann wird er auch nach dem hundertsten Workshop "Technik-Junkie" bleiben. Man kann dazu Tipps geben. Man kann Rigger darauf anspitzen auf bestimmte Dinge beim Bunny zu achten. Ob das am Ende zwischen Rigger und Bunny auch passt, und letztendlich geht es ja genau um diese Gefühlsebene, kann kein Weltstandard einfangen.
Und am Ende:
Niemand kann genötigt werden sich an irgendeinen Standard zu halten.
Selbst wenn es eine solche "Weltschule" geben würde: Wer achtet auf die Einhaltung von Standards? Was, wenn sich jemand nicht daran hält? Was, wenn diverse aktuell bereits gute Workshopanbieter sich dem schlicht verweigern und einfach weiter machen wie sie es tun? Sind die dann automatisch die "schlechten Rigger" wenn es einen Welt-Ryu gäbe?
Es gibt ja bereits Shibari-Dojos. Für mich wäre das nichts, weil es mir zu wenig individuell, nach dem was ich so las und in vis-a-vis Gesprächen hörte, erschien, und weil das was wir hier tun ja nun auch keinen Druck-, und schon gar nicht Konkurrenzcharakter erzeugen soll.
Ich sehe die Vorteile beim Wunsch nach einem World Ryu. Gleichzeitig sind für mich viele Vorteile aber auch gleichzeitig knallharte Nachteile.